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Das rote Birett

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Der rote Hut, das rote Birett sind die Zeichen der Kardinäle, der „Türangeln“ der Heiligen Römischen Kirche. Rot — und hier sind gegenüber den Totalitarismen des ausgehenden zweiten Jahrtausends nach Christus Prioritäten anzumelden — das ist die Farbe des Heiligen Geistes, des Feuers im pfingstlichen Wunder. Es meinit mit seinem unverwechselbaren Kolorit die Zeu-gensdhaft, das Martyrium — im letzten Sinne auch auf dem Schafott. Und es gilt von nun an für 19 Kandidaten, die Papst Paul VI. am 24. Mai 1976 in das Kollegium der Kardinäle erheben wird. Welch ein Zeichen! Zwei weitere wurden „in pectore“ berufen. Bischöfe in der Not der schweigenden Kirche? In der Pression des erbarmungslosen sowjetischen Denksysitems? Oberhirten aus dem Räume hinter dem „Eiseimen“?

Dreizehn der neuen Purpurträger sind residierende Bischöfe. Einer davon ist unser Nachbar: Msgr. Lekai, der Primas der Magyaren und Nachfolger Jözsef Mind-szentys, der die Bitterkeit des Kreuzweges, die via dolorosa bis zur Neige kosten durfte. Der neue Erzbischof von We&taünsiter ist Benediktiner. Eine Verheißung für Kultur, Tradition und Spiritualität der „Ecclesia Britannica“. Afrikaner und Asialn werden den Fiseherrinig respektieren und die Insignien des Kardinalats empfangen: die Erzbischofe von Senegal und Uganda, aus Nigerien und Madagaskar, der Oberhirte von Kalkutta, Symbol einer Welt, in der Friede Entwicklung bedeutet Und — Ozeanien gehört zur Kirche — der Erzbischof von Neuseeland, der die Reise zur Kreierung wohl gemeinsam mit dem Metropoliten der Philippinen antreten wird Drei kommen aus Lateinamerika, der Welt im Aufbruch, der Welt in der Entscheidung. Auch Buenos Aires erhält wieder einen Kardinal. Und Washington: der Purpur für den katholischen Ordinarius der US-Hauptstadt schafft Ausgewogenheit und Respekt vor dem reichen, gequälten Lande, das noch immer die Sicherheit und Freiheit Europas hütet. Der langjährige Nuntius in Bonn, Msgr. Bafile, ein hochgebildeter Priesterjurist, gegenwärtig Kuriale, steht ebenso auf der Liste wie Propräf ekt Msgr. Piro-nio; Josef Schröffler, der deutsche Bischof aus Eichstädt, Sekretär der so bedeutungsvollen Bildungskon-gregation, wird zu den Bminenzen zählen, wie der einzige Nichtbischof unter den 19, Prälat Boleslaw Fili-piak, ein polnischer Priester, Dekan des Uditorenkollegs der Rota Ramana. Und schließlich wurden zwei päpstliche Diplomaten zu Kardinälen erhoben: der Vertreter des Heiligen Vaters im Lande Unserer Lieben Frau van Fätima, Msgr. Sensi und — der Apostolische Nuntius in Wien, Erzbischof Dr. Opilio Rossi.

Msgr. Rossi? „Der Nuntius“ geht fort? Beklemmung, leise Niederge-schlagenheit, aber auch tiefe innere Genugtuung, Freude erfüllt den Sinn jener, die ihn schätzen und lieben lernten. Jenen Erzbischof, der am 14. Mai 1910 als Sohn italienischer Auswanderer in New York geboren wird, der bald mit der Familie in die Heimat zurückkehrt, in Rom seine theologischen Studien mit dem Doktorgrad abschließt, die Priesterweihe empfängt und im Dienste des Heiligen Stuhles, zuerst als Sekretär, als Uditore, als Nuntiaturrat, in der Alten und Neuen Welt Erfahrungen

sammelt In Belgien, in den Niederlanden, vor allem im Dritten Reich, wo er den Nuntius unterstützt, der eine dornenvolle Position gegenüber dem Staatsobenhaupt des Empfangsstaates, Adolf Hitler, zu behaupten hat 1953 wird das Ordo-Sakrament an Opilio Rossi vollendet: er empfängt die Bischofsweihe. Nuntius in Ekuador, dann in Chile — das sind die Stationen bis zu jenem für uns Österreicher bedeutungsvollen 23. September 1961, da Dr. Rossi als Nachfolger des in Wien verstorbenen Nuntius Giovanni Dellepiane berufen wird.

Er vereinigt in seinem Wesen die charakteristischen Züge der großen Ordensgemeinschaften. In einem Zeitalter der Abbruche und der Innovationen, der Umaiebelungen und Klärungen profiliert sich Nuntius Rossi auf einem benediktini-schen Wege der Mitte. Gegensätze, Spannungen im Zweitrangigen gleicht er aus. Komfronitatianen entschärft er, ohne die Wahrheit zu verletzen. Discretio maxima virtus.

In seinem persönlichen Wesen, Erbe seiner in die endgültige Heimat vorangegangenen Eltern, strahlt das Herz eines franziskanischen Menschen auf. Liebe, Güte, Zuvorkommenheit, sehr, sehr viel menschlicher Takt in den bestürzendsten Situationen.

Und Opilio Rossi ist ein dominikanischer Mensch, der sehr viel liest, sehr viel nachdenkt, auch schreibt. Der berühmte Berliner Verleger Johannes Broermann zählt ihn zu seinen Autoren, dem Altmeister christlicher Soziallehre Johannes Messner widmet er bescheiden einen „Aufsatz“. Als einer unter vielen in der Festschrift „Ordnung im sozialen Wandel“. Und um dieses Ordnungsbild geht es ihm, der, ob gelegen oder ungelegen, die Irrlehren des postkonziliaren Modernismus in entschiedener, aber vornehm kultivierter Weise aufzeigt und den theologischen Unsinn und Unfug selbstgerechter Professoren demaskiert Der in Bitterkeit und heiligem Zorn entbrennt, wenn eine pastorale Revue das Sakrament der Priesterweihe „zur Diskussion stellt“ oder wenn am „leeren Grab“ von Exege-ten gedeutelt wird. In dieser Intention der „ituitio fidei“ wird der neue Kardinal zum Zeugen der unverfälschten Wahrheit des Glaubens und zum Kämpfer. Zum ignatiani-schen Offizier des Herrn Jesus Christus, zum „General im Priesterkleid“, wie ihn Heinrich Drimmel einmal nannte. Seine Treue heißt Disziplin, seine Norm ist die Befolgung des Gesetzes, der Gebote, seine Liebeskraft ist eingebunden in jenes „Sentire cum ecclesia“, das, so scheint's, die ultrakonservativen Verfechter der „alten“ Liturgie vergessen haben.

Opilio Rossi teilte das Leben der Kirche von Wien, das Schicksal der Kirche von Österreich. Mit Sorge blickt er bis in diese Tage auf die Schatten der Konturen möglicher Konfrontationen mit dem Staate. Aber er ist ein Mann des Vertrauens, ein routinierter Diplomat: Pacta sunt servanda.

Die große brüderliche Gemeinschaft der FURCHE-Leser dankt dem treuen Abonnenten dieses Blattes, dessen Schicksal ihm in den bitteren Tagen der Fasten 1976 so sehr auf der Seele lag. Sie erbittet für ihn viele glückliche Jahre — fe-licissimos annos: für ein gesegnetes Kardinalat!

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