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Das Schattenboxen

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Das Säbelrasseln in Nahost geht weiter. Niemand weiß, ob es sich nur um Übervorsichten in Israel oder aber um eine neue arabisch-sowjetische Komplizenschaft größeren Stils handelt, die eine Herausforderung des neuen US-Präsidenten sein könnte. In diesem Fall dürfte allerdings die Initiative von den Russen ausgehen —r weil man sich in arabischen Regierangskreisen derzeit nämlich vor allem auf die Genier Nahostkonferenz vorbereitet.

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Das Säbelrasseln in Nahost geht weiter. Niemand weiß, ob es sich nur um Übervorsichten in Israel oder aber um eine neue arabisch-sowjetische Komplizenschaft größeren Stils handelt, die eine Herausforderung des neuen US-Präsidenten sein könnte. In diesem Fall dürfte allerdings die Initiative von den Russen ausgehen —r weil man sich in arabischen Regierangskreisen derzeit nämlich vor allem auf die Genier Nahostkonferenz vorbereitet.

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Im Nahen Osten macht gegenwärtig aber auch eine vertrauliche Botschaft des chinesischen Ministerpräsidenten Tschu En-lai an seinen israelischen Amtskollegen Jitzak Rabin Furore. Tschu hatte der Jerusalemer Regierung durch den USA-Senator Henry Jackson mitteilen lassen, Peking sei interessiert an einer starken Position Israels im Nahen Osten als Gegengewicht zu den sowjetischen Expansionsplänen in diesem Gebiet. Der Washingtoner Politiker besuchte kürzlich die Volksrepublik China und danach den Staat Israel.

Das Interesse Chinas am Schicksal des jüdischen Staates überrascht, nachdem erste Versuche zu einer beiderseitigen Kontaktaufnahme bereits Anfang der fünfziger Jahre gescheitert waren, weil der damalige israelische Premierminister David Ben Gurion die damals noch ganz auf die Isolierung „Rotchinas“ festgelegten Vereinigten Staaten, von denen die Zionisten abhängig waren, nicht vor den Kopf stoßen wollte. Seit dieser Zeit schlug sich Peking konsequent auf die arabische Seite im Palästinakonflikt. Die Palästinaguerrilleros erhielten — lange bevor Moskau auf sie aufmerksam wurde und sie für seine Interessen einspann — ideologische, ausbildungstechnische und militärische Unterstützung aus dem fernen China. Noch heute bezeichnen sich einige der radikalen Palästinagruppen stolz als „Maoisten“. Auch im übrigen Nahen Osten und in Afrika bekämpfte China nicht nur seinen Erzfeind, die Sowjetunion, sondern auch die Israelis. Im Nordjemen bauten noch unter der 1962 gestürzten Monarchie chinesische Fachleute die erste Straße des Landes, von Sana'a nach Hodelda, und im damals noch britischen Südjernen unterstützten die Chinesen taftkräftig die Widerstandsbewegungen Flosy und NLF. Mitte der sechziger Jahre schien die im Kampf gegen die englische Kolonialherrschaft schließlich erfolgreiche NLF fest in chinesischer Hand und die kommende Volksrepublik Aden ein' potentieller Pekinger Stützpunkt am strategisch wichtigen Südetngang zum Roten Meer und dem Suezkanal. Doch es kam anders. Peking hatte nicht genügend Mittel, um der von Anfang an finanziell lebensunfähigen Volksrepublik tatkräftig genug zur Seite zu springen. Heute ist Moskau in Aden der Partner, weil es seit 1967 das dortige Regime mit allen Mitteln am Leben hält, um für die Periode nach einer jetzt nur noch als Frage kurzer Zeit zu bezeichnenden Wiedereröffnung der Wasserstraße an der Nahtstelle zwischen Afrika und Asien eine gesicherte strategisch-politische Ausgangsbasis zu haben.

Diese Aussicht gehört seit langem zu den geheimen Befürchtungen der israelischen Politik. Die Adenis sperrten schon im Ramadan-Krieg die Zufahrt zum israelischen Akaba-hafen Eilat, mit den Russen im Rük-ken könnten sie das künftig jederzeit wieder tun, ohne einen israelischen Vergeltungsschlag fürchten zu müssen, der dann weltweite Verwicklungen auslösen müßte. In dieser Situation scheint Jerusalem jetzt ein willkommener Verbündeter beiseite treten zu wollen. China unterhält noch immer besta Beziehungen zu den sogenannten „Dhofarrebellen“ in dem nördlich Adens gelegenen Sultanat Muskat und Oman. Mit Rücksicht auf die iranischen politischen Interessen in diesem südarabischen Wetterwinkel und die Teheraner militärische Präsenz in Oman wurde diese Zusammenarbeit in letzter Zeit zwar erheblich gedämpft. Aber sie könnte wieder aufleben und die Tätigkeit der Dhofaris gegen die moskautreue Volksrepublik im Süden .lenken. In der arabischen Welt hält man es jedenfalls für gut möglich, daß es nicht nur in Südarabien, sondern auch an anderen neuralgischen Punkten des Nahen Ostens zu einer chinesisch-israelischen Interes-sengleichheit oder sogar zu praktischer Zusammenarbeit kommen könnte. Als ein Indiz bewerten arabische Beobachter das starke Interesse, daß Jerusalem schon in der Zeit kurz vor, während und nach dem Sechs-Tage-Feldzug von 1967 durch die Entsendung von Spähern in dieses Gebiet an der Entwicklung in Südarabien zeigte.

Kein Araber will zugeben, daß eine „chinesisch-israelische“ Komplizenschaft im Nahen Osten für die Zeit nach einem etwaigen Friedenschluß im Palästinakonflikt ein probates Gegengewicht gegen die sowjetische Einflußnahme in dieser Region wäre. Doch bei vielen herrscht das Gefühl, daß die USA allein kein verläßlicher Helfer gegen die aggressive sowjetische Kanonenbootpollitik im ganzen Nahen Osten sind. Man fürchtet, der Sturz Nixons könnte zu einer erneuten Neuorientierung der westlichen Supermacht führen. Deshalb ist es vielen Arabern im Grunde nicht unlieb, wenn die Volksrepublik China als zweiter Garant Israels auftritt, nachdem sich die Sowjetunion eindeutig die Palästinaguerrilleros als Dauerbasis für ihre Expansionspolitik auserkoren hat.

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