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Das Spiel des KGB mit Sacharow

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Vor genau sechs Jahren ist Andrej Sacharow, Vater der sowjetischen H-Bombe, Symbol der sowjetischen Bürgerrechts- und Dissidentenbewegung, Friedensnobelpreisträger 1975, auf offener Straße verhaftet und zusammen mit Frau Jelena Bonner in die moskauferne, geschlossene Stadt Gorki verbannt worden. Der offene Protest des Wehrlosen und doch so starken Mannes gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan hatte den letzten Ausschlag gegeben. Doch die vollkommene Isolierung von der Außenwelt reicht nicht aus, das Unbehagen der Machthaber über den großen Humanisten zu zerstreuen.

Der Verbannte in Gorki ist ein kranker Mann, er leidet an chronischer Schwäche, an Hypertonie und an Herzbeschwerden. Jahre der Polemik, Verleumdung und Bedrohung durch die Obrigkeit haben die Gesundheit des empfindsamen Wissenschaftlers untergraben. Zwei Hungerstreiks mit dem Zweck, leidenden und diffamierten Anverwandten zu , helfen, hinterließen ihre Spuren.

Die strikte Abgeschlossenheit nährte Gerüchte, daß Sacharow

im Sterben liege oder schon gestorben sei. Da setzte der Staatssicherheitsdienst KGB seinen Apparat in Bewegung. Videobänder mit geheimen Aufnahmen von Sacharow und seiner Frau wurden um harte Dollars in den Westen verkauft, angeblich Beweise, daß Sacharow wohlauf sei.

Dann erhält Jelena Bonner kurz vor dem Genfer Treffen Gorbatschows mit Reagan die Erlaubnis zur Ausreise, um die Kinder in den USA wiederzusehen und sich einer Operation zu unterziehen. Großmut ist nicht Sache des Kreml.

Jelena, selbst schwer herzkrank und vermutlich bei schlechterer Gesundheit als der Gemahl, hält den Mund, um ihren Mann nicht zu gefährden.

Das Filmteam des KGB tritt erneut in Aktion. Der Schwenk der Kamera auf den Wandkalender, wie bei vorangehenden Dokumentationen, ist nicht mehr nötig: das erste Telefongespräch der Verbannten mit den Kindern in den USA. Ein erholter Sacharow bringt seine Frau zum Bahnhof, trägt deren Gepäck. In den Vereinigten Staaten erklärte Frau Bonner die Schnitte: daß der Physiker alle Minuten stehen bleiben mußte, um wieder Kraft zu sammeln, wurde vorsorglich nicht gezeigt.

Sacharow unterhält sich mit dem behandelnden Arzt über „Star Wars", das vordringliche Thema der Sowjets in Genf, spricht von der „Gefährlichkeit", durch SDI die Welt aus dem Gleichgewicht der Zerstörungskräfte zu bringen.

Sätze Sacharows sind unterbrochen, wechseln abrupt die Thematik und werden erst später wieder zu Ende geführt. Der aufmerksame Zuhörer wird das Gefühl nicht los, daß manches gesagt wurde, was den Sinn und Zweck des „Interviews" verändert hätte.

Zu welch miserablen Taschenspielertricks und Täuschungsmanövern nimmt die Weltmacht eigentlich Zuflucht, um die einsame Stimme aus dem*Untergrund zu ersticken? Wäre es für Gorbatschow nicht einfacher, sich des unerwünschten in den Westen zu entledigen und dabei noch den Anschein von Großmut zu erwek-ken? Die Weltöffentlichkeit wüßte dies mehr zu schätzen, als filmischen Pfusch.

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