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Das Spiel mit der Wahrheit

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Der leichtfertige Umgang mit der Wahrheit gehört in Österreich schon zum guten Ton. Eine politische Haltung wird zur Tugend, die Wahrhaftigkeit jeweils vom Gegner verlangt.

Das Verwirrspiel um Art, Zeitpunkt, handelnde Personen und Intention der — sagen wir's mit dem gängigen Begriff - Kampagne gegen Kurt Waldheim erhält ständig neue Akzente. Akzente, die geeignet sind, die Tatsache zu belegen, daß sich die Parteien der Affäre Waldheim bedienen, um ihr eigenes (macht)politisches Süppchen zu kochen.

Altkanzler Bruno Kreiskys Andeutungen in der „Schweizerischen Handelszeitung”, für ihn sei klar, woher die amerikanischen Journalisten übergebenen Waldheim-Akten stammen, hat jetzt mächtiges Blätterrauschen im Zeitungswald ausgelöst. Kreisky hat allerdings damit nur bestätigt, was er bereits im Mai dieses Jahres in einem Interview konstatierte. Auch die bei Gericht protokollierte Aussage des mit Fred Si-nowatz' Kabinettchef Hans Pusch befreundeten amerikanischen Journalisten James Dorsey, er habe von Pusch die Waldheim-Story im Sommer 1985 angeboten bekommen, ist seit längerem bekannt.

Jetzt erst stöhnt Österreich unter der Last dieser Wahrheit auf. Die Parteien haben wieder Material, mit dem sie Schuldzuweisungen vornehmen können. Was man Waldheini vorwirft, spielt man selbst hemmungslos, wenn's nur konveniert.

Ungehört verhallen Mahnungen, das Lügengespinst zu zerreißen und vor der Wahrheit nicht zu kapitulieren (FURCHE 27/1987).

Da spricht beispielsweise die „AZ” von Schuldumleitung (von Waldheim auf Sinowatz) und bezeichnet die Aufklärung um den Start der Anti-Waldheim-Kampagne als zweitrangig. Die SP-Granden leugnen und kämpfen ein Rückzugsgefecht. Gipfel dieses Zynismus ist das forsche Wort, man hätte Dokumente bedenkenlos weitergegeben, wenn man sie nur gehabt hätte. Die ÖVP verhält sich wohl um der Koalition willen auffällig ruhig. Und im Hintergrund lauern schon die Blauen, wahrscheinlich in der Hoffnung auf eine Neuauflage der SP-FP-Hochzeit.

Die Wahrheit wird euch frei machen. Doch das ist — scheint's — nicht Sache österreichischer Politik. Man beschuldigt einander in aller Öffentlichkeit (Kery-Maty-sek, Fall Androsch, um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen) und löst nichts. Und zur Vergangenheitsbewältigung schließt man Parteien-Ubereinkünfte, um nur ja nicht allzu tief in die Wahrheit vordringen zu müssen.

Es ist keine Vergangenheitsbewältigung festzustellen, nur Kurt Waldheims Pferd sei bei der SA gewesen. Aber man ist auch von der Bewältigung der Gegenwart weit entfernt, wenn man uns weismachen will, die Waldheim-Dokumente seien wohl mit der Flaschenpost in die USA gelangt.

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