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Das Steak als Baumkiller

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Nur eine internationale Bewußtseinsbildung kann den kollektiven Selbstmord noch abwenden, meint der Münchner Politologe und Jurist Peter Cornelius Mayer-Tasch.

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Nur eine internationale Bewußtseinsbildung kann den kollektiven Selbstmord noch abwenden, meint der Münchner Politologe und Jurist Peter Cornelius Mayer-Tasch.

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Der Appell ist nicht nur an die „Verantwortlichen“ gerichtet, sondern an alle. Nur eine Dynamik, die von „unten“ ausgeht, könne zu einer Veränderung führen.

Mayer-Tasch, Professor für Politikwissenschaft . und Rechtstheorie an der Universität München, stellt sich in die Reihe derer, die ein düsteres Bild vom ökologischen Zustand unseres Planeten malen. Bedenkenlos geht man mit den vorhandenen Vorräten um, rapid wächst die Bevölkerung, wachsen deren Bedürfnisse. Das Uberleben ist hauptsächlich durch das Uberhandnehmen von Abfällen und Giftstoffen in Frage gestellt.

Es bleibt nicht bei der Aufzählung der hinlänglich bekannten Schäden, die der Natur und ihren Bewohnern allen Warnungen zum Trotz unvermindert zugefügt werden. Neben globalen Zusammenhängen wirtschaftlicher und politischer Natur erweist es sich als charakteristisches Merkmal der Situation, daß fatale Auswirkungen nicht nur geographisch von den Ursachen oft weit entfernt zutage treten, sondern auch auf ganz anderen Ebenen. Wer ist sich schon bewußt, daß die Veränderung der Eßgewohnheiten und ein damit verbundener erhöhter Rindfleisch-Bedarf mehr Abhol-zungen tropischer Wälder zur Folge hat? Klimaveränderungen und Abschwemmungen gehen damit einher.

Weil Ausbreitungsmechanismen nicht ganz einfach zu verfolgen sind, fällt .es Verantwortlichen leicht, die Augen vor Konsequenzen einer Politik zu verschließen, die die Umwelt nicht genügend berücksichtigt oder sogar gegen sie gerichtet ist. Kurzsichtige nationale Interessen und Egoismen bleiben im Vordergrund.

Von welcher Seite das Problem auch angegangen wird, ökologisch, politisch oder wirtschaftlich, überall zeigt sich, daß die Ur-

,,Erhöhter Rindfleisch-Bedarf - mehr Abholzungen tropischer Wälder“

Sachen im nationalen Aktionsradius zu suchen sind, während die Auswirkungen weit über die Grenzen hinausgehen. Die Lösung kann nur international erfolgen, ob es nun um die großflächige Verteilung von Giftstoffen durch immer höhere Schornsteine geht, um Abfallräume außerhalb der eigenen Grenzen, die Belastung fremder Küsten durch industrielle Abwässer, um die Verlagerung des ganzen Problems in die Zukunft.

Der Export von Umweltbelastungen aller Art wird aber im allgemeinen widerstandslos hingenommen. Entweder handelt es sich bei den betroffenen Staaten um wirtschaftlich schwache Länder, die sich industriellen Anschluß erleichtern wollen, oder sie gehören selbst zu den Verursachern. Die Lawine der gegenseitigen Schadenersatzforderungen kommt nicht ins Rolle*!.

Zweifellos liegt dieser Situation das Wertesystem unserer Zeit zugrunde, das dem Nutzen und der vielzitierten Machbarkeit hohen

Stellenwert einräumt. Die Absicherung des sozialen Wohlstandes, der sich auf ständiges Wirtschaftswachstum stützt, trägt das ihre dazu bei.

Die Natur verfügt zwar über Mechanismen, die ihr eine gewisse Selbstregulierung ermöglichen, wenn aber mehrere, im einzelnen nicht als bedrohlich erkennbare Faktoren zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken, kommt es zu irreversiblen Schäden, wie etwa, so Mayer-Tasch, das Beispiel Sahelzone zeigt.

Den Zusammenbruch des ökologischen Gesamtsystems unserer Erde prognostizieren Fachleute für die Mitte des nächsten Jahrhunderts, wenn an den derzeitigen Praktiken festgehalten wird.

Nur Einsicht garantiert wirksame Maßnahmen. Ansätze für' internationale Vereinbarungen sind vorhanden, haben aber bislang nur den Charakter freiwilliger Selbstbeschränkungen oder Empfehlungen. Als zwingende Notwendigkeit sieht Mayer-Tasch die Vereinheitlichung und Verschärfung der Sicherheitsund Emissionsstandards sowie internationale Uberwachungssy-

,,Die Lawine der Schadenersatzforderungen kommt nicht ins Rollen“ steme mit einheitlichen Meßverfahren. Realität ist jedoch, daß es um den Grundsatz der guten Nachbarschaft, der auch im Völkerrecht verankert ist, nicht gut steht, wobei der Begriff Nachbar durch die weiträumigen Ausbreitungsmechanismen von Schäden eine ganz neue Bedeutung erhält.

Die Kosten werden keineswegs nach dem Verursacherprinzip aufgeteilt, sondern internationalisiert. Ein echter marktwirtschaftlicher Wettbewerb müßte aber auch die Umweltkosten einbeziehen, selbst um den Preis verminderter Exportchancen. Der Nachteil für das Wirtschaftsvolumen der einzelnen Länder und das Einkommen des einzelnen wäre nach Uberzeugung des Autors durch gesicherte Versorgung und Ersparnis von Sanierungskosten für Umweltschäden ausgeglichen.

Für ihn bietet sich als einzige Alternative der „geordnete Rückzug“ an, worunter vor allem die zunehmende wirtschaftliche Beschränkung auf die eigenen Grenzen zu verstehen ist. Zu einer solchen Vorgangsweise sollte auch den Entwicklungsländern verhol-fen werden.

Zusammen mit der Vorbildwirkung einzelner Staaten, die bereit sind, sich aus umweltfeindlichen wirtschaftlichen Unternehmungen zurückzuziehen, sowie mit der Bewußtseinsänderung des einzelnen, die von unten her einen Druck auf die Verantwortlichen ausüben könnte, wären Voraus-

,,Bietet sich als einzige Alternative der geordnete Rückzug an?“

Setzungen geschaffen, bei der internationalen Zusammenarbeit in Sachen Umweltschutz Fortschritte zu erzielen.

DIE VERSEUCHTE LANDKARTE. Das grenzen-lose Versagen der internationalen Umweltpolitik. Von P. C. Mayer-Tasch in Verbindung mit Franz Kohut, Bernd M. Ma-lunat und K. Peter Merk. C. H. Beck, München 1987. TB, öS 100,-.

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