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Das Übel an der Wurzel packen

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65 Staaten sind der Aufforderung des UNO-Generalsekretärs Dr. Kurt Waldheim gefolgt, zwei Tage lang die Probleme der Flüchtlinge in Südostasien zu beraten. Seit 1975 haben über 1 Million Menschen Vietnam, Laos und Kambodscha verlassen: 350.000 davon befinden sich derzeit in den Ländern der ASEAN-Gruppe (Thailand, Malaysia, Philippinen, Singapur, Indonesien) und in Hongkong; allein in Hongkong werden täglich 500 neue Flüchtlinge gezählt.

Die Genfer Konferenz hat zwar beachtliche Erfolge hinsichtlich der Unterbringung der Flüchtlinge in nichtasiatischen Ländern gebracht, ebenso was Geldmittel anlangt: Uber die Ursachen des gewaltigen Flüchtlingsstromes wurde aber wenig geredet. Dies lag aber auch gar nicht im Interesse dieses Treffens höchster staatlicher Vertreter.

Dennoch: Will man das Flüchtlingsproblem lösen, muß man die Ursachen kennen! Wenn nämlich der Emigrantenstroni aus Vietnam und Kambodscha nicht gestoppt werden kann, können selbst die großzügigsten Einwanderungs- und Finanzzusagen Westeuropas, Lateinamerikas und Japans keine Abhilfe schaffen. Das Übel muß also an der Wurzel gepackt werden!

Politisch gesehen war aber schon die Teilnahme und vor allem das äußerst ruhige Verhalten der Delegation Vietnams bemerkenswert. Die Regierungsvertreter betonten ihre Bereitschaft der Mithilfe an internationalen Hilfsprogrammen und ihr Bedauern, daß die Folgen des dreißigjährigen Krieges in Vietnam anderen Ländern solche Probleme aufbürde.

Schließlich billigte Vietnam den französischen Vorschlag eines -sechsmonatigen Moratoriums in abgeschwächter Form, daß es „aufrichtige Bemühungen“ machen werde, „für einen entsprechenden Zeitraum unrechtmäßiges Verlassen des Landes zu verhindern“. Ein großer Schritt, wenn man bedenkt, daß nach Aussagen der Kapitäne von Flüchtlingsschiffen die vietnamesische Polizei den Frachtern nicht nur Geleit gegeben habe, sondern die Fahrten von der Regierung zum Teil sogar organisiert worden seien.

Was nicht verwundert, kassiert Vietnam von den Flüchtlingen doch eine Kopfprämie von 2000 bis 3000 US-Dollar samt jenem Besitz, den die Flüchtlinge nicht transportieren können. Und dabei sind ein relativ großer Prozentsatz der Flüchtlinge Akademiker - auch im Ausland ausgebildete - die die Pressionen des Landes am härtesten zu spüren bekommen: Zwangsarbeit auf den Feldern, kombiniert mit Umerziehungskursen.

Während die westeuropäischen Vertreter - mit Ausnahme des britischen Lord Carrington und auffallenderweise auch Österreichs Außenminister Willibald Pahr, der die Bedeutung der Menschenrechte betonte - zur politischen Situation in Südostasien nicht Stellung bezogen, erklärte etwa die kanadische Außen-staatssekretärin Flora Mac Donald, es helfe nicht, das Fieber zu senken, wenn man die Infektion nicht auslösche:

Nicht dreißig Jahre Krieg in Vietnam seien der Grund des Flüchtlingsstromes, sondern die Unterdrückung der einfachsten Grundrechte des Menschen in Vietnam und die akute Gefahr, daß im „demokratischen Kambodscha“ ein ganzes Volk verhungert.

Die Liste der nicht gelösten Probleme ist lang und erdrückend. Der Vorschlag Lord Carringtons, eine internationale Uberwachungskommis-sion einzusetzen, scheiterte an der Haltung Vietnams; der Vorschlag, Emigrantenzonen in Vietnam zu schaffen, mußte den Gedanken ah neue Konzentrationslager aufkommen lassen.

Die Konferenz in Genf, der vorgeworfen wurde, die Vertretung von Minderheiten - mehr als 60 Prozent der Vietnamflüchtlinge sind chinesischer Abstammung - durch Schikane zu rechtfertigen, hat zumindest mit 260.000 zugesagten Asylplätze die Zahl mehr als verdoppelt und - ohne Japans Zusage -190 Millionen Dollar erbracht. Zumindest den schon Geflüchteten wird damit geholfen werden können.

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