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Das Übel Gigantismus

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Vergangenes Jahr wurden in Österreich fast 150 Milliarden Schilling an öffentlichen Aufträgen seitens des Bundes, der Länder und Gemeinden an die Wirtschaft vergeben. Die öffentliche Hand und ihre ausgegliederten Rechtsträger sind damit der weitaus größte Auftraggeber. Die Tendenz ist weiter steigend.

Mit den wachsenden Kompetenzen des modernen Leistungsstaates wachsen aber auch die Möglichkeiten des Mißbrauchs. Die Alleinregierungspoli-tik der SPÖ im Bund und dem Land Wien, getragen von der ideologischen Zielsetzung des Zentralismus, fördert mit ihrem Hang, aus einem Bauvorhaben jeweils das Jahrhundertprojekt zu machen, die Unüberschaubarkeit und damit die Möglichkeit zu Fehlplanung, Verschwendung und Korruption.

Nicht, daß es Korruption gibt, erschüttert derzeit die Österreicher, sondern die Größenordnung der Beträge und der Beteiligten erschreckt und wohl auch die Tatsache, daß sich tiefste Betroffenheit zwar in weitesten Bevölkerungskreisen breitmacht, kaum aber bei den betroffenen Mitgliedern der Regierungen im Bund und Land Wien.

Keiner dieser Betroffenen zeigt echte Betroffenheit. Man sieht keinen zweifeln - an sich selbst oder am korrupti-onsbegünstigenden System. Woher haben sie alle die Selbstsicherheit, mit der sie die täglich neuen schrecklichen Nachrichten gelassen quittieren?

Bei den Hunderten Millionen, die direkt über weitaus überhöhte Auftragssummen unter Umgehung von Ausschreibung verschleudert wurden, handelt es sich zu 100 Prozent um Steuergelder-Mittel, die den Regierenden zur treuhändischen Verwaltung anvertraut waren. Wie können die betroffenen Herren da so gelassen sein? Etwa, weil sie wissen, daß Fehlplanung, Verschwendung und die Versuchung zur Korruption ihrem angewendeten System innewohnen?

Derzeit sind in Österreich die Ausschreibungsbestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge offenkundig gesetzlich ungenügend, die ÖNORM 2050 ist nur eine unverbindliche Richtlinie.

Vor einem Vierteljahr, als die wahren Dimensionen des AKH-Misthau-fens noch viel weniger erkennbar waren denn heute, wurde von Michael Graff, Bernd Raschauer, Bernd Schilcher und mir eine Initiative zu einem Volksbegehren für ein Antikorruptionsgesetz ins Leben gerufen. Diese Gesetzesinitiative sieht die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung für alle Lieferungen und Leistungen vor, welche von Bund, Ländern und ausgegliederten Rechtsträgern vergeben werden. Ausnahmen, etwa im Interesse der Landesverteidigung oder bei geringeren Beträgen, sind möglich.

Für die Pflichtverletzung seitens der Beamten oder halböffentlichen Manager, sind bis zu zehnjährige Strafdrohungen enthalten. Und um eine Wiederholung des Bauringelspieles zu ver-

meiden, bei welchem sich die Macher als geistig eben zu beschränkt verantworteten und deshalb zum großen Teil frei gingen, soll auch schon Fahrlässigkeit in solchen Fällen strafbar sein.

Ein Antikorruptionsgesetz muß aber auch dann greifen, wenn, wie im Falle Bauring, den betreffenden Unternehmen unmittelbar kein Schaden entstanden ist, weil ja der Steuerzahler im Wege der Defizitabdeckung über die Gemeinde Wien alles bezahlt hat. Darüber hinaus soll auch jenen vifen Geschäftemachern ein strafrechtlicher Riegel vorgeschoben werden, die bei ein- und demselben öffentlich auszuschreibenden Auftrag sowohl auf der Seite des ausschreibenden Rechtsträgers als auch auf der Seite des Auftragnehmers oder Mitbewerbers tätig wer-

den. Ein Klavier, auf dem der Untersuchungshäftling Siegfried Wilfling besonders gut zu spielen verstand.

Zwingende öffentliche Äusschrei-' bung und Strafandrohung können wirksame Mittel sein, die Spezies der cleveren Gauner abzuschrecken und die Korruption in diesem Bereich einzudämmen. Fehlplanung und Verschwendung werden aber immer dort wohnen, wo zu viel öffentliche, von Marktmechanismen nicht kontrollierbare Macht politische Entscheidungen trifft, wo nicht bewährte und integere Manager im Ausschreibungsverfahren gesucht werden, sondern emporgekommene Parteibuchsoldaten und politische Freunde ohne Hinterfragung ihrer moralischen und sachlichen Qualifikationen eingesetzt werden.

Es gilt daher, die unmittelbare privatwirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand sowohl einzuschränken, wie dort, wo sie unvermeidbar ist, sie klaren Regeln und verstärkter öffentlicher Kontrolle zu unterstellen. Konnexe Begriffspaare wie Macht und Verantwortung, Entscheiden und Risikotragen müssen sich auch in der politischen Verantwortung wieder decken. Denn wir leben in einem Staat, in welchem man versucht, uns das Erkennen von Konsequenzen zu trüben.

Man hat uns die Anspruchsdemokratie gelehrt, ohne uns die Folgen von auf die Zukunft gezogenen Wechseln vor Augen zu führen. Man erweckt unseren Appetit auf Wohlstand, Versorgung, Macht und Rechte und verschweigt uns deren Brüder Leistung, Risikobereitschaft, Verantwortung und Pflichten.

Die Rechnung kann nicht aufgehen und es darf uns nicht wundern, wenn jene Jungen, deren Bewußtwerdung in die letzten zehn Jahre fällt, tiefes Unbehagen ausdrücken und den Glauben an die Staatsverwaltung und das demokratische System nicht gewinnen können. Glaubwürdigkeit ist ein selten gewordenes Wort im Hause Österreich.

Prinzipienlosigkeit, arrogante Ablehnung von Verantwortung, mangelhafte Aufrichtigkeit, verlorenes Augenmaß sind Merkmale eines Regierungsstils geworden und haben in erschrek-kendem Ausmaß die Latte der allgemeinen Moral und des öffentlichen An-standes heruntergesetzt. Verbürokratisierung, Machtverfilzung, Gigantismus: Das ist ein guter Nährboden für üble Pflanzen, die auf Dauer nur mit der ganzen Wurzel zu beseitigen sind.

Die Autorin ist Steuerberaterin in Innsbruck und Proponentin des Volksvbegehrens für ein Antikorruptionsgesetz.

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