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Das Unbehagen am Kirchenbeitrag

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Wir stellen diesen" Beitrag der „Interdiözesanen Arbeitsgemeinschaft zur Reform des österreichischen Kirchenbeitragswesens" zur Diskussion,, zahlreiche Reaktionen werden erwartet.

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Wir stellen diesen" Beitrag der „Interdiözesanen Arbeitsgemeinschaft zur Reform des österreichischen Kirchenbeitragswesens" zur Diskussion,, zahlreiche Reaktionen werden erwartet.

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Die irdische Unzulänglichkeit der Kirche erlebt in unserem Lande der Christ am stärksten und unmittelbarsten bei der Einhebung des Kirchenbeitrags. Bei mehreren kirchlichen Tagungen wurde das allgemeine „Unbehagen" nicht nur der Priester, sondern vor allem der Gläubigen am derzeitigen System betont, ohne daß aber in den Diskussionen bessere Möglichkeiten gefunden wurden.

Neben dem stagnierenden Beitragsaufkommen verursachen vor allem die steigenden Austrittsziffern schwere Sorgen. Es wurde überlegt, den Zahlungszwang überhaupt abzuschaffen und durch freiwillige Leistungen zu ersetzen, oder aber dem Staat beziehungsweise den Arbeitgebern den Beitragseinzug zu übertragen.

Diesen Vorschlägen ist gemeinsam, daß sie die Auswirkungen der jetzigen Methoden beklagen und diese beseitigen wollen, daß sie jedoch nicht den Ursachen der negativen Entwicklungen auf den Grund gehen und dort den Hebel ansetzen.

In einer von den diözesanen Finanzkammern Österreichs im Jahre 1955 gemeinsam herausgegebenen Schrift Werner Ernst Pradels („Methodik des erfolgreichen Kirchenbeitragsdienstes") heißt es gleich zu Anfang: „Verstimmung der Gläubigen, ein Rückgang der Beitragszahlungen, vermeidbare Austritte sind Folgeerscheinungen, wenn nicht vom Finanziellen über das Organisa-, torische der Kirchenbeitragserhebung weiter fortgeschritten wird zu den Menschen und ihrer richtigen Behandlung!"

Wie allgemein bekannt, ist man gerade den umgekehrten Weg gegangen. Man hat den Zahlungswiderstand mit Intensivierung der Mahnzuschriften und der gerichtlichen Klagen zu brechen versucht, ohne aber den Wiederstand zu verringern; durch Computereinsatz wurde die bürokratische Organisation ausgebaut, und sie wurde damit noch unpersönlicher.

Vor allem der großen Masse der Fernstehenden, denen die Beitragsentrichtung meist die einzige Beziehung zur Kirche bedeutet, erscheint diese infolgedessen als „eine Organisation, die distant ist, die keine mittlerische Identifikationsbasis anbietet" (so Hl Kar-masin in „ Empirische Untersuchung zum Kirchenbeitrag", Oktober 1981).

Diese Folgtfwirkung würde sich weder bei einem Wegfall des Zahlungszwanges noch durch Uber-tragung des Inkassos auf außerkirchliche Instanzen ändern, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit eher noch verstärken. Die Kirche beraubte sich ja dabei selbst der einzigen, wenn auch bisher verhängnisvoller- und unverständlicherweise nicht im richtigen Sinne genützten Verbindung zu den durch die amtliche Pastoral unerreichbaren Randchristen.

Grundsätzlich wäre hier jedenfalls zu fragen, ob denn die Einführung einer staatlichen Kirchenbeitragserhebung (die Arbeitgeber könnten — wie in der Bundesrepublik Deutschland — nicht im Auftrage der Kirche, sondern nur auf Grund staatlicher Gesetzgebung einhebend tätig werden) dem heutigen Verständnis der Kirche entspräche, das eindeutig auf möglichst weitgehenden Abbau staatlichen Einflusses gerichtet ist. Brächte die Einschaltung des Staates gerade zu einer Zeit, wo dieser die Steuerschraube ohnehin immer fester anzieht, nicht noch weit größere Probleme mit sich?

Und könnte andererseits ein in pastoraler Hinsicht verbesserter Umgang mit den Menschen zu einer Lösung der angestauten Probleme, zu einer Verringerung des Unbehagens führen?

Das Institut für Kirchliche Sozialforschung stieß bei einer 1969 durchgeführten Untersuchung „Zum Kirchenaustritt in Österreich" auf ein ihm zunächst unerklärlich gebliebenes, ganz signifikantes Absinken der Austrittsziffern in einer Wiener Pfarre. Später dann stellte sich erst heraus, daß genau in diesen Jahren dort eine weitgehende Berücksichtigung pastoraler Gesichtspunkte bei der Kirchenbeitragseinhe-bung unter voller Wahrung aller geltenden Vorschriften konsequent erprobt worden war.

Die Finanzkammer urteilte damals: „Die Steigerung des Beitragsaufkommens verdient besonders anerkennenswerte Erwähnung", und im folgenden Jah<-re: „Das (finanzielle) Ergebnis ist hervorragend." Nach Abbruch dieser Erprobung schnellte die Austrittskurve dann wieder in frühere Höhen, derVersuch geriet in Vergessenheit.

Doch er war wiederholbar, und zwar in einem weit größeren Rahmen. In den Jahren 1961 bis 1974 lief in den Pfarren des Dekanates Mödling ein gleichartiges Experiment mit denselben Ergebnissen.

Mehrere Zeitungen schrieben über das Phänomen des „problemlosen Kirchenbeitrags mit wenigen Austritten", und in der „Mödlinger Zeitung" vom 5. Mai 1982 erinnerte unter dem Titel: „Kirche und Geld als seelsorgliches Problem" der Mödlinger Bürgermeister an die „höchst bemerkenswerte Tatsache", daß es bei all den Zeitungsberichten und Leserbriefen „in mehr als einem Jahrzehnt niemals Grund für eine negative Stellungnahme gab".

Die Ursache für diese „Beliebtheit" einer Kirchenbeitragsstelle sei, so meint er, das „Bestreben, unbedingte Gerechtigkeit mit christlicher Liebe zu einer Verbindung zu bringen". Damit sagte er das gleiche, worauf auch Papst Johannes Paul II. hinwies:

„Die Erfahrung der Vergangenheit und auch unserer Zeit lehrt, daß die Gerechtigkeit allein nicht genügt, ja, zur Verneinung und Vernichtung ihrer selbst führen kann, wenn nicht einer tieferen Kraft — der Liebe — die Möglichkeit geboten wird, das menschliche Leben in seinen verschiedenen Bereichen zu prägen." (Uber das Erbarmen Gottes)

Obwohl der Staat ein rein irdisch verfaßtes Gebilde, ganz „von dieser Welt" ist, hat kürzlich Heinrich Neisser über das Beamtentum des Staates geschrieben: „Eine dienstleistungsorientierte Verwaltung soll sich nicht in einem starren Normenvollzug erschöpfen, sondern durch Rücksichtnahme auf den Einzelfall und durch Dialog zwischen den Personen der Verwaltung und denjenigen, die mit dieser Verwaltung konfrontiert werden, in Erscheinung treten." (Die Presse 9./10.10.1982)

In der zum Osterreichischen Katholikentag 1983 herausgegebenen Zeitschrift „Hoffnung" steht auf Seite 42 der beachtens-würdige Satz: „Zuhören, sich hinwenden zum Menschen, zum Du, ist Voraussetzung für den menschengerechten Einsatz der Technik." Er stammt aus der Anzeige einer Computerfirma.

Die Kirche, „die eine irdische und himmlische Seinsweise besitzt" (nach Karl Rahner), ist auch bei der Einhebung des Kirchenbeitrags zwar „in" dieser Welt, was bedeutet, daß sie sich aller zweckgemäßen irdischen Mittel bedienen kann, aber sie darf dabei nicht so sehr „von" dieser Welt sein, daß auf diesem Weg ihre eschatologische Orientierung verlorengeht.

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