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Das unerwünschte Volk
Nur zaudernd ließ die Türkei kurdische Flüchtlinge in ihre Grenzregion. Vorher machte freilich Ministerpräsident Turgut Özal klar, daß ohne internationale Finanzhilfe keine Kurden aufgenommen würden.
Nur zaudernd ließ die Türkei kurdische Flüchtlinge in ihre Grenzregion. Vorher machte freilich Ministerpräsident Turgut Özal klar, daß ohne internationale Finanzhilfe keine Kurden aufgenommen würden.
Auch wenn sich die „Weltöffentlichkeit" über die widerwillige Haltung der Türkei gegenüber den irakischen Kurden überrascht und bestürzt gibt, so ist sie nur die Fortschreibung bisheriger Politik der Türkei gegen die Kurden. Nur mit großem Aufwand gelingt es der Türkei dem seit 1984 erstarkenden Widerstand der rund zehn Millionen Kurden im eigenen Land Herr zu werden. 300.000 Soldaten und Polizisten in den kurdischen Provinzen reißen ein großes Loch in die maroden Staatsfinanzen. Ein zehn Kilometer breiter Grenzstreifen wurde zur Sicherheitszone erklärt, alle dort lebenden Kurden umgesiedelt und ihre Dörfer zerstört.
1979 hatten die Türkei und der Irak einen Vertrag abgeschlossen, der die Verfolgung kurdischer Aufständischer jeweils bis ins Grenzgebiet des Nachbarn gestattete. So bombardierten 1987 irakische Flugzeuge das kurdische Cucurca im „strategischen Gürtel" der Türkei. Dieser Vertrag wurde allerdings 1988 nicht mehr verlängert.
Schon als 1988 etwa 55.000 Kurden nach Giftgasangriffen der irakischen Armee auf Kurdendörfer in die Türkei flüchteten, wurden die Kurden in drei großen Lagern interniert und von der Außenwelt abgeschlossen. Weder konnten Kurden, die Verwandte in der Türkei hatten und von
diesen versorgt worden wären, die Lager verlassen noch hatten anfangs internationale Helfer freien Zugang. Die sanitären Verhältnisse und die Versorgung waren schon damals bei wesentlich kleinerer Flüchtlingszahl sehr schlecht. Im Frühjahr 1989 sorgten Lebensmittelvergiftungen Hunderter Lagerinsassen für Aufregung. Kurdenvertreter vermuteten Anschläge irakischer Agenten.
Die türkische Regierung versuchte von Anfang an kurdische Flüchtlinge in den Irak zurückzuführen, auf „freiwilliger Basis", wie versichert wurde. Amnesty International stellte allerdings im Juni 1990 fest: Rückführungen wurden ohne internationale Beobachter durchgeführt, Kurden, die anfangs zustimmten, dann ihre Meinung änderten, wurden trotzdem abgeschoben, unliebsame Kurden zwangsweise überstellt, heimgekehrte Kurden verschwanden im Irak, viele wurden hingerichtet.
In den türkischen Lagern verblieben noch 27.500 Kurden. Im Sommer vergangenen Jahres sollten auch diese in den Irak abgeschoben werden. Der türkische Premierminister Akbu-lut hatte dies im März 1990 mit Saddam Hussein ausgehandelt. Zum „Glück" für diese Kurden kam der Überfall Iraks auf Kuweit dazwischen. Über Nacht konvertierte die Türkei, die jahrelang mit Hussein im Kampf gegen die Kurden zusammengearbeitet hatte, zum entschiedenen Gegner des Diktators von Bagdad. Im gleichen Atemzug teilte die Türkei dem Europarat mit. daß aufgrund der ..akuten Gefahr für das Überleben der Nation" die Europäische Menschenrechtskonvention in den kurdischen Provinzen aufgehoben wurde.
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