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Das verkehrte Frauen-Forum

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Die Meldungen und Kommentare der internationalen Presse zu der UN-Frauenkonferenz in Kopenhagen waren überwiegend negativ gefärbt und von Schadenfreude gekennzeichnet. Tatsächlich war diese Großveranstaltung eine weitere unglückselige Etappe in dem zusehends aussichtsloseren Nord-Süd-Dialog und von politischen Konflikten scheinbar anderen Ursprungs überlagert.

Dazu muß festgehalten werden, daß es durchaus berechtigt und notwendig ist, auch die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Problems - in diesem Fall der Frauenfrage - aufzugreifen, auch wenn diese auf den ersten Blick weit hergeholt erscheinen.

Darüber hinaus muß auf den Vorwurf, daß diese Frauenkonferenz sich

in nichts von den Männerkonferenzen unterschied entgegnet werden, daß mit diesem Treffen echte Veränderungen der nationalen und internationalen Situation im Sinn der Frauen keineswegs beabsichtigt waren.

Die Wurzel des Problems lag bereits in der Auswahl und Zusammensetzung der Delegationen. Es waren zwar auf dieser Konferenz weit mehr Frauen als Männer vertreten, die Delegationsleiter aber waren in vielen Fällen Männer. Auch die weiblichen Delegierten waren vielfach nur Sprachrohr der (männlichen) Politik und sorgfältig überwachte Marionetten.

Das Bewußtsein über die Unterdrückung der Frauen durch die gesellschaftlichen Bedingungen und die Männer im eigenen Land wurde deshalb entweder verdrängt oder war nicht vorhanden, öffentliche Diskussionen darüber wurden abgeblockt. Die Konferenz war vom Standpunkt der internationalen Diskussion und der Identi-tätsfindung der Länder der Dritten Welt sicher sehr wichtig und aufschlußreich. Für die Emanzipation der Frau wurde ihre Bedeutung aber sicher überschätzt.

Obwohl der Weltaktionsplan von den USA, Kanada, Australien und Israel abgelehnt wurde, besteht die Möglichkeit, auf nationaler Ebene weiterzuarbeiten, und sie wird in vielen Fällen auch wahrgenommen werden. Dort

aber, wo von vornherein trotz Lippenbekenntnissen eine frauenfreundliche Haltung besteht, werden auch Programme und Resolutionen nicht zu Veränderungen führen.

Dies wirft die Überlegung auf, daß diese Konferenz weder das Instrument noch die Ebene darstellt, auf der der Kampf gegen Unterdrückung und Diskriminierung der Frau wirklich ausgetragen werden kann. Die wirklich wichtige Veranstaltung dieser Tage in Kopenhagen war daher die Alternativkonferenz der nichtstaatlichen Organisationen an der Amager-Universität.

Hier gab es Wissen um die wahren Ursachen des Problems, hier wurde in einer Stimmung der internationalen Solidarität und Zusammenarbeit über die staatlichen und sonstigen Grenzen hinweg immer wieder unterstrichen, daß die Emanzipation der Frau und eine Veränderung der Gesellschaft in ihrem Sinn nicht mit Gesetzen und politischen Systemen allein zu erreichen sind.

Sie sind ein langwieriger Prozeß, der oft dann erst beginnt, wenn das Problem auf gesetzlicher Ebene „gelöst", ist. Die Worte der des Landes verwiesenen russischen Frauenrechtlerin Nata-lia Malachoskaja, die eine Erklärung im Pressezentrum der Konferenz abgab, sind in diesem Zusammenhang von brennender Aktualität: „Keine soziale Revolution wird die Frau befreien, wenn diese nicht zur gleichen Zeit im Geist und im Herzen stattfindet."

Wie mit der Erklärung der Menschenrechte den Menschenrechtsverlet-

zungen in aller Welt kein Ende gesetzt ist, so muß auch die Frauenbefreiung im einzelnen und von jeder einzelnen Frau erkämpft werden. Dafür waren die unzähligen Initiativen und Aktivitäten des Forums sicher ein Ansatzpunkt, der weiter wirken wird.

In diesem Sinn kommt aber sogar der UN-Konferenz eine bewußtseinbildende und weitreichende Bedeutung zu, selbst wenn sie nach offiziellen Maßstäben gescheitert ist: das Thema ist nun einmal „am Tisch" und kann nicht so leicht weggewischt werden.

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