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Digital In Arbeit

Das verteilte Rollenspiel

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Im vergangenen Jahr hat sich zumindest etwas in der sozialistischen Partei- und vor allem Regierungspolitik fast bis zur Perfektion eingespielt: die Rollenverteilung. Als Protagonisten kristallisierten sich immer mehr heraus: neben Bundeskanzler Dr. Kreisky Finanzminister Dr. Androsch und der allgewaltige Gewerkschafts- und Parlamentspräsident Benya. Es sieht aus, als ob dieses „Team“ auch heuer die Hauptlinien der politischen Arbeit in der SPÖ bestimmen würde. Und einige Klarheit wird man schon bei der Klausurtagung in Dürnstein erhalten.

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Im vergangenen Jahr hat sich zumindest etwas in der sozialistischen Partei- und vor allem Regierungspolitik fast bis zur Perfektion eingespielt: die Rollenverteilung. Als Protagonisten kristallisierten sich immer mehr heraus: neben Bundeskanzler Dr. Kreisky Finanzminister Dr. Androsch und der allgewaltige Gewerkschafts- und Parlamentspräsident Benya. Es sieht aus, als ob dieses „Team“ auch heuer die Hauptlinien der politischen Arbeit in der SPÖ bestimmen würde. Und einige Klarheit wird man schon bei der Klausurtagung in Dürnstein erhalten.

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Bei den Verhandlungen um die Lohn- und Einkommenssteuerreform hat sich die Rollenverteilung zum erstenmal gezeigt: Zuerst Maximalforderungen des Gewerkschaftsbundes; dann die Beschwichtigung durch Bundeskanzler Dr. Kreisky, der eilends im Privatflugzeug eingeflogen wurde, um zu den Delegierten des ÖGB-Kongresses zu sprechen; schließlich die Verhandlungen zwischen einem Sozialpartnerkomitee und dem Finanzminister, wo der ÖGB nach Akkordierung mit der Arbeiterkammer unbestritten die erste Geige spielte.

Es gibt aber noch weitere Beispiele: etwa das heiße Eisen Stahlfusion, wo es Benya übernahm, die Pläne der Regierung vor allem den Linzer Betriebsräten schmackhaft zu machen. Und schließlich die vereinigten Stasbilisierungsbemü-hungen, wo der Gewerkschaftspräsident die Sozialpartnerführer um sich scharte und zu einem gemeinsamen Vorgehen brachte.

Auch heuer wird sich die Dreiermannschaft Kreisky-Androsch-Benya nicht weniger zu bewähren haben: gilt es doch, eine durch das Ausfallen des Stabilisierungsabkommens zur Jahresmitte drohende Lawine allergrößten Ausmaßes an Lohn- und Preisforderungen wenn schon nicht aufzuhalten, so doch in viele kleine Lawinen umzuwandeln und so möglichst plausibel machen zu können. Aber auch schon vor dem Auslaufen dieses Abkommens fällt dem Gewerkschaftsbund die Rolle zu, darauf zu schauen, daß nicht die Stabilisierungsbemühungen durch sogenannte innerbetriebliche Lohnrunden durchlöchert werden.

Auch auf einem Nebenschauplatz zeigt sich ein Zusammenspiel: dem Plan des Bundeskanzlers, wonach das Parlament eine Novellierung des Rundfunkgesetzes im Herbst dieses Jahres ohne Eile beschließen sollte, steht die Forderung Benyas nach Beschlußfassung noch vor dem Sommer entgegen. Eine rasche Novellierung wird unter Hinweis auf die Wünsche des Gewerkschaftsbundes daher jederzeit möglich sein.

In der Politik der verteilten Rollen muß aber heuer mehr denn je auch die Parlamentsfraktion unter der Führung von Leopold Gratz mitspielen — gilt es doch, längst überfällige Versprechungen auf dem Sektor der Gesetzgebung einzulösen: von der Stahlfusion über die Teilkodifikation des Arbeitsrechtes einschließlich des Betriebsrätegesetzes und der Gewerbeordnung bis zum großen Kompetenzgesetz.

Aber auch die sehr publicitywirksame Ankündigung des Bundeskanzlers, heuer wolle man vor allem Gesetze beschließen, die nichts kosten — etwa die Volksanwaltschaft oder die Reform des Budgetrechtes —, müßte schließlich in die Tat umgesetzt werden.

Die neuerliche Erkrankung Doktor Kreiskys im November des Vorjahres hat auch den Diskussionen neue Nahrung gegeben, wonach Bestrebungen bestehen, den Kanzler sowohl in seiner Regierungsarbeit wie auch in seiner Funktion als Parteivorsitzender zu entlasten. Auf Betreiben Kreiskys war ja seinerzeit der durch die Ubersiedlung von Gratz ins Unterrichtsministerium freigewordenen Posten des Zweiten Zentralsekretärs der Sozialistischen Partei' nicht mehr besetzt worden. Jetzt soll — so heißt es — wieder ein Zweiter Zentralsekretär nominiert werden, um Kreisky zu entlasten.

Auch ein Name wurde bereits genannt: Peter Schieder, früherer Obmann der Sozialistischen Jugend und Abgeordneter zum Nationalrat. Schieder selbst hat allerdings vor einem Monat erklärt, er werde demnächst einen Posten in der Privatwirtschaft annehmen.

Inwieweit die Vergrößerung des Zentralsekretariates mit unterschiedlich guten Kontakten Kreiskys zu den Landesparteiorganisationen im Zusammenhang steht, läßt sich schwer erkennen. Tatsache ist jedoch, daß Kreisky etwa bei der Wiener SPÖ kaum Einfluß besitzen dürfte, was am besten durch den Verlauf der sogenannten Slavik-Affäre klar wird. Der Bundeskanzler hat seinerzeit versucht, Licht in den Wust von Anschuldigungen, Verdächtigungen und Gerüchten zu bringen, sah sich aber bald einer Phalanx des Schweigens gegenüber. Und schließlich wurde der Wiener Bürgermeister auf dem Villacher Parteitag sogar ins Präsidium der SPÖ gewählt.

Schließlich bringt das Jahr noch Wahlgänge, die als Stimmungsbarometer für Beliebtheit oder Unbeliebtheit der Regierung Kreisky gewertet werden können: bereits am 25. Februar wird in Graz eine neue Gemeindevertretung — bisher unter SP-Führung — gewählt und im Herbst stehen in öberösterreich Landtagswahlen ins Haus. Ob auch Wien 1973 seinen Landtag wählt, ist noch nicht fixiert. Dieser Termin aber wird wesentlich davon abhängen, wie die Untersuchungen des Rechnungshofes über die Amtsführung von Bürgermeister Slavik ausfallen. Weshalb das innerparteiliche Tauziehen 1973 gerade in Wien weitergehen wird.

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