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Das Wahlgespenst geistert wieder durch Christiansborg
Seit die Kommunalwahlen Anfang März dieses Jahres Dänemarks Sozialdemokraten einen durchschlagenden Erfolg bescherten, verstummen die Gerüchte nicht mehr, daß die Regierungspartei diesen Trend für baldige Parlamentswahlen ausnützen möchte. Zwar sind seit dem letzten Wahlgang erst 14 Monate vergangen und die Legislaturperiode • sollte eigentlich bis Februar 1981 dauern, doch ist es seit dem Zweiten Weltkrieg nur ein einziges Mal passiert, daß zwischen zwei Wahlen wirklich vier Jahre lagen. In der sozialdemokratischen Programmzeitschrift „Neue Zeit“ schrieb ein Anonymus unter dem Pseudonym „Altmann“ - hinter dem sich Ministerpräsident Anker Jörgensen verbergen soll -, die Partei sei für Neuwahlen gerüstet, wenn die bürgerliche Opposition sie dazu zwingen sollte. Als „Altmann“ vor etwas mehr als einem Jahr Ähnliches schrieb, folgten Regierungsrücktritt und Wahlausschreibung nur wenige Wochen später.
Es ist anzunehmen, daß sich die Sozialdemokraten der gleichen Taktik bedienen würden wie im Jänner 1976. Sie werden einen für die Opposition unannehmbaren Gesetzesvorschlag zur „Kabinettsfrage“ hochspielen, dann darauf verweisen, daß sie als Minderheitsregierung auf die Zusammenarbeit angewiesen sind und die bürgeriichen Parteien beschuldigen, diese Kooperation unmöglich zu machen. Damit lassen sich allemal einige Wählerstimmen gewinnen, denn Dänemarks Bevölkerung schätzt die Zusammenarbeit. Die Bürgerlichen hätten den Schwarzen Peter und die Sozialdemokraten die Wahl, die sie gewinnen werden.
Themen für einen derartigen Schachzug gibt es genug. Da ist die Frage der Frühpensionierung, die den Arbeitsmarkt entlasten soll, die der Wirtschaft aber zu teuer erscheint. Da ist die Wohnungsreform, die die Besitzer von Eigentumswohnungen und Häusern mit neuen Steuern belasten wird. Und wenn alles andere nichts nützt, dann haben die Sozialdemokraten immer noch die Arbeiter-Mitbestimmung in der Hinterhand, bei der sie auf jeden Fall eine Abstimmungsniederlage im Parlament erwarten können.
Die Frage ist freilich, was - außer zehn, fünfzehn Mandaten - bei diesem Spiel zu gewinnen ist. Die niedrige Sperrgrenze von zwei Prozent im dänischen Wahlsystem, die Aufsplitterung der Stimmen auf derzeit elf Parteien -das macht absolute Mehrheiten von vornherein unmöglich. Die Sozialdemokraten haben derzeit 65 Mandate; die 90, die die absolute Mehrheit bringen, schaffen sie beim jetzt gültigen Wahlsystem nie.
Die Mandate, die sie gewinnen würden, würden sie aber jenen Parteien abnehmen, mit denen sie jetzt zusammenarbeiten und auf deren Kooperationsbereitschaft sie auch nach dem Wahltag angewiesen sind. Somit würde sich an den Mehrheitsverhält--
nissen nichts Entscheidendes ändern, außer daß eben die Sozialdemokraten (und wohl auch die Konservativen im bürgerlichen Lager) größer würden.
Anker Jörgensen sollte bei den Gedankenspielen über einen Wahltermin das Schicksal seines Vorgängers Poul Hartling im Auge behalten. Hartling hatte nach 15 Monaten Amtszeit seiner liberalen Minderheitsregierung Wahlen ausgeschrieben, als er sicher sein konnte, diese Wahlen zu gewinnen. Er verdoppelte auch die Zahl der Mandate seiner Partei, aber sein Sieg blieb ohne Wirkung. Die übrigen bürgerlichen Parteien, denen er die Wähler abgejagt hatte, waren nicht länger bereit, Hartling zu unterstützen. So kamen wieder die Sozialdemokraten an die Macht. Als dann wenig später nochmals gewählt wurde, verlor Hartlings Partei mehr, als sie bei ihrem großen Sieg gewonnen hatte.
Es wäre natürüch möglich, daß Jörgensen nach Neuwahlen die Versuche aufgibt, Konsens mit den bürgerlichen Parteien zu finden, und sich in Hinkunft auf die Fraktionen der äußersten Linken stützt. Doch das wäre ein totaler Bruch mit der bisherigen Linie; Jörgensen hat es stets abgelehnt, von Kommunisten und revolutionären Marxisten abhängig zu sein. Es wäre wohl auch ein Betrug am Wähler, denn
zweifellos ist der Sympathiezuwachs, den die Sozialdemokraten bei Wahlen und Meinungsumfragen der letzten Jahre registrieren können, auf die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem bürgerlichen Lager zurückzuführen.
Es wäre wohl besser für Dänemark, das Wahlgespenst wieder aus dem Regierungssitz Christiansborg zu verbannen und statt dessen daran zu gehen, die vielfachen Probleme des Landes zu lösen. Prognosen haben soeben ergeben, daß die Arbeitslosenziffer 1979 auf 200.000 klettern wird, daß das Handelsbilanzdefizit, das zuletzt etwas verringert wurde, im nächsten Jahr wieder wachsen wird. In den letzten Jahren war Dänemark permanent im Wahlkampf, die politische Handlungsfähigkeit war damit gelähmt, notwendige Entscheidungen wurden nicht getroffen, sondern vertagt. Vor den letzten Wahlen im Februar 1977 meinte der sozialliberale Sprecher Helveg Petersen, das wichtigste an diesen Wahlen sei, daß es die letzten der siebziger Jahre sein müßten. Anker Jörgensen stimmte ihm damals voll und ganz zu. Hat er es vierzehn Monate später schon wieder vergessen?
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