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Das wahre Wunder
Drei telefonische Platten überschneiden einander am Mittelamerikanischen Isthmus, der Landbrücke zwischen, Nord- und Südamerika, Wasserscheide zwischen Atlantik und Pazifik. Erdbeben und Vulkanausbrüche gehören zur Tagesordnung. Es brodelt und gärt in Zentralamerika. Die Politik folgt dem Beispiel der Geografie.
Nun steht fest, daß nach dreißigjähriger Herrschaft der Militärs im Jänner ein Zivilist an die Spitze des Staates in Guatemala treten wird: Der christdemokratische Rechtsanwalt Vinicio Cerezo Arevalo hat sich bei der Stichwahl am 8. Dezember überzeugend durchgesetzt. Ähnliches ist vor wenigen Wochen in Honduras geschehen: Zwei Länder wechseln von der Diktatur ins Lager einer zaghaft versuchten Demokratie.
Das ermunternde Beispiel für zwei christdemokratische Wahlerfolge sind die redlichen Bemühungen des christdemokratischen Präsidenten Jose Napoleon Duar-te in El Salvador, wo freilich wachsende soziale Unruhen die Ungeduld der Wähler mit der Stückwerksarbeit der Gewählten signalisieren.
Hoffnung am Gaudete-Sonntag für die ärmsten Völker Lateinamerikas? Es gilt, den Optimismus realistisch zu zügeln. Das Ansehen Du-artes hat seit seinem Pakt mit den Rebellen zugunsten der Freilassung seiner entführten Tochter gelitten. In Nicaragua nimmt die Kuba-Orientierung der Sandini-sten neuerdings wieder zu, freilich nicht ohne Zutun einer verblendeten US-Politik, die das Regime förmlich mit Gewalt dem Weltkommunismus in die Arme treibt.
Entsetzlich ist die wirtschaftliche Lage in allen Ländern Mittelamerikas, wo eine Arbeitslosigkeit bis zu 40 Prozent und astronomische Inflationsraten jeden demokratischen Reformversuch schon per se zur wahren Heldentat machen.
Die Contadora-Gruppe (Mexiko, Kolumbien, Venezuela und Panama) hat im September einen Friedensplan für Mittelamerika fertiggestellt, den jetzt wieder einmal die Nicaraguaner nicht unterschreiben wollen.
Jetzt wartet man den Machtwechsel in Guatemala und Honduras und die Frühjahrswahlen in Costa Rica ab. Das wahre Wunder in diesen Ländern liegt nicht im Versuch kommunistischer Agitatoren, Unruhe zu stiften, sondern darin, daß dies nicht längst gelungen ist.
Zu danken ist dieser geistige Widerstand der Kirche. Um so größer ist deren Verpflichtung, gewaltlose Wege aus dem Elend zu weisen, das sie historisch mitverschuldet hat.
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