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Das Warten auf die NATO

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In der Brüsseler NATO-Zentrale herrscht hektische Betriebsamkeit. Trotz der offensichtlichen Hilflosigkeit angesichts des Mordens in Bosnien-Herzegowina drängen viele Oststaaten unter den Schutzmantel des westlichen Militärbündnisses.

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In der Brüsseler NATO-Zentrale herrscht hektische Betriebsamkeit. Trotz der offensichtlichen Hilflosigkeit angesichts des Mordens in Bosnien-Herzegowina drängen viele Oststaaten unter den Schutzmantel des westlichen Militärbündnisses.

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Generalsekretär Manfred Wörner hat alle Hände voll zu tun, zahlreiche beitrittswillige Oststaaten abzuwehren. Diese Länder befinden sich in einer besonders unsicheren Situation und suchen Sicherheit und Stabilität in der NATO. „Ich verbringe bereits 30 bis 40 Prozent meiner Zeit mit Vertretern Mittel- und Osteuropas" beschreibt Generalsekretär Manfred Wörner im Gespräch mit österreichischen Journalisten den unerwarteten Ansturm.

Natürlich läge es theoretisch nahe, die Staaten in unmittelbarer Nachbarschaft aufzunehmen und deren Gebiet zur Sicherheitszone zu machen. Aber davor scheut die NATO derzeit zurück. Unsicheres Gebiet wird durch eine Mitgliedschaft im Bündnis noch nicht zu einer Sicherheitszone.

Offensichtlich versucht die Allianz, aus dieser Not eine Tugend zu machen. Wörner erläutert, wie man auf andere Weise versucht, Sicherheits-gefährdungen entgegenzutreten. So gibt es den,.Nordatlantischen Kooperationsrat", an dem alle ehemaligen Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes und alle GUS-Mitgliedsländer teilnehmen (aber nicht die westeuropäischen Neutralen). Außerdem erkläre sich die NATO prinzipiell bereit, den Vereinten Nationen und der KSZE für Friedenssicherungsaktionen zur Verfügung zu stehen.

Besonders bedeutsam ist die zweite Funktion: Während die Blauhelme bisher nur Waffenstillstände überwachen oder einen schon erreichten Frieden sichern müssen, sollen sie nun inmitten fortlaufender Konflikte agieren. Das heißt, es geht nicht mehr um bloße Anwesenheit. UNO-Truppen sollen in Zukunft komplizierte militärische Operationen durchführen, für die den Vereinten Nationen das Instrument fehlt. „Die einzige Organisation, die das übernehmen könnte, wäre die NATO", macht Wörner einen Blick in die Zukunft.

Schon jetzt hat das Bündnis, zusammen mit der Westeuropäischen

Union, entsprechende Aufgaben über-nommen: die Überwachung des Embargos und des Flugverbotes in Teilen des ehemaligen Jugoslawiens. Wörner: „Wir wären bereit, auch mehr zu tun - die UNO müßte uns nur das entsprechende Mandat geben". Doch sogleich folgt die Einschränkung: Die NATO sei kein Befehlsempfänger der UNO. „Wir brauchen einen Konsens der Mitgliedstaaten für alles, was wir tun". Im Klartext: Die Ausführung entsprechender Wünsche und Aufträge hängt von der Zustimmung der NATO-Ratsmitglieder ab, und dabei spielen die USA eine Schlüsselrolle.

Hat es denn überhaupt einen Sinn, sich Gedanken über die Eindämmung von künftigen Konflikten zu machen, wo doch der mörderische Krieg in Bosnien in vollem Gang ist? Wörner (der sichtlich daran leidet, daß die Mitgliedstaaten keine einhellige Position finden) macht deutlich, daß die NATO nicht einfach tun und lassen kann, was sie will. Sie hält sich an das geltende Völkerrecht: In den Vereinten Nationen müssen die verbindlichen Entscheidungen fallen, „dort gilt es, eine Übereinkunft zu finden".

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