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Das Weihnachtsmann-System

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Der gegenwärtige Generaldirektor der Oesterreichischen Nationalbank und ehemalige Leiter des volkswirtschaftlichen Referats des österreichischen Gewerkschaftsbundes, Heinz Kienzl, hat bereits 1968 darauf hingewiesen, daß der „Verteilungssozialismus“ am Ende seiner Möglichkeiten sei. Dennoch hat die seit 1970 installierte Regierung ge rade den Verteilungssozialismus forciert und damit anfänglich — siehe Nationalratswahlen 1971 — parteipolitische Erfolge erzielt.

Inzwischen ist aber das Image des Verteilungssozialismus stark angekratzt worden, da mehr und mehr auch für das breite Publikum manifest wird, daß seine Nebeneffekte — etwa die hohe hausgemachte Inflationsrate — alles andere als erfreulich sind, der soziale Ertrag hingegen als gering zu veranschlagen ist. Die Bevölkerung erkennt in zunehmendem Maß, daß der soziale Trend in die falsche Richtung geht, daß die falschen Unterstützungen zum falschen Zeitpunkt gewährt werden.

Die Regierung sieht sich daher wachsender Kritik beispielsweise wegen ihrer Gratisschulbuchaktion ausgesetzt — nicht weil kostenlose Lehrmittel von der Bevölkerung prinzipiell abgelehnt würden, sondern weil diese soziale Zielsetzung von der Regierung ausgerechnet auf die aufwendigste und verschwenderischste Art realisiert wird, weil sie außerdem die Jugend damit geradezu zur Sorglosigkeit gegenüber den ihr anvertrauten Gütern erzieht.

Ebensowenig Fortüne scheint die Regierung mit der erhöhten Gebur- tenbeihilfe zu haben, die ab 1. Jänner 1975— gerade rechtzeitig für die nächsten Nationalratswahlen — auf 16.000 Schilling hinaufgesetzt wurde und in zwei Teilbeträgen zu jeweils 8000 Schilling ausbezahlt werden soll.

Eine vor kurzem durchgeführte Meinungsumfrage des Imas-Instituts hat nämlich erkennen lassen, daß nur 23 Prozent der Österreicher zur erhöhten Geburtenbeihilfe positiv eingestellt sind. Daß es bei den ÖVP- Wählem gar nur 20 Prozent sind, soll nicht überraschen. Erstaunlich ist aber, daß diese Maßnahme auch nur von 28 Prozent der sozialistischen Wähler bejaht wind. Noch überraschender ist es, daß gerade die Frauen — scheinbar die Hauptnutznießer — diesem „Geschenk“ wenig Sympathien entgegenbringen, sie sogar nur mit 21 Prozent befürworten, während es die Männer doch wenigstens auf 26 Prozent bringen.

Positiv werteten die befragten Personen hingegen einen Altemativ- vorschlag, wonach statt der höheren Geburtenbeihilfe lieber mehr Kinderbeihilfe auszubezahlen wäre. Dafür sprachen sich 66 Prozent der Befragten aus, davon sogar 62 Prozent der sozialistischen Wähler.

Was dem gesunden Hausverstand als richtige Sozialpolitik erscheint, ist eben vielfach etwas anderes als dasjenige, was Politiker darunter verstehen. Bereits Wilhelm Busch hat einmal gesagt: „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Das gleiche gilt für die Elternschaft ganz im allgemeinen: Die Kosten, die sich bei der Geburt ergeben, sind relativ gering. Die wirklichen finanziellen Belastungen bringt die Erziehung mit sich. Hier muß die Allgemeinheit — in der richtigen Form — unterstützend eingreifen.

Ein ähnliches Fehlkonzept ist die Heiratsbeihilfe, die angeblich sozialer ist als das frühere System der steuerlichen Absetzbarkeit von Hausratsanschaffungen für junge Paare. Wie immer dem sei, bei dem letzteren System war es wenigstens einigermaßen gewährleistet, daß hier wirklich Ausgaben für die Haushaltsgründung vom Fiskus honoriert wurden, und nicht etwa die Anschaffung eines Autos finanziert wurde.

Darüber hinaus ist die Heiratsbeihilfe zu wenig und zu viel: Zu wenig, um damit eine Wohnung zu beschaffen oder diese auch nur notdürftig einzurichten, zu viel, wenn die jungen Menschen diesen Betrag für sinnlose Impulskäufe verzetteln. Es wäre daher bei weitem angebrachter, an Stelle dieser Beihilfe lieber ein System niedrig verzinslicher Darlehen treten zu lassen, mit deren Hilfe eine Haushaltsgründung tatsächlich erleichtert würde.

Leider zeigt auch die ÖVP wenig Geschick, aus dem sich anbahnenden Klimawechsel im sozialpolitischen Denken der Bevölkerung die richtigen Konsequenzen zu ziehen und ein echtes Alternativmodell zu bieten.

Die neueste Forderung zweier ÖVP- Abgeordneter, das System der Heiratsbeihilfe sogar weiter auszubauen und zukünftig die halbe Beihilfe an ledige Mütter auszubezahlen — das unter dem Motto: „die Emanzipation erleichtern“ — bedeutet nichts anderes, als der Regierung in die sozialpolitische Sackgasse, in die sie sich hineinmanövriert hat, nachzulaufen.

Abgesehen davon, daß der weitere Ausbau des falschen Systems der Heiratsbeihilfe vom Prinzipiellen her abzulehnen ist, dürfte er auch noch schlechte politische Taktik sein. Damit, daß sich die ÖVP sozialistischer als die Sozialisten aufführt, gewinnt sie bestimmt keine von der Regierung Kreisky enttäuschten Wechselwähler. Diese wollen nicht einen neuen Aufguß des Bisherigen, sondern echte Alternativen.

Daß der Verteilungssozialismus vom Sachlichen her am Ende ist, hat Heinz Kienzl schon vor Jahren erkannt. Nun aber verliert er auch zunehmend an Popularität. Sich jetzt noch mit dem welkenden Soziallor- beer der Regierungspartei schmük- ken zu wollen, ist bestimmt nicht die richtige Taktik für die Opposition.

Statt der Wahlgeschenke für Zielgruppen und dem Gießkannenprinzip, das unzureichende Mittel über Bedürftige und Nichtbedürftige gleichermaßen verschüttet, sollte lieber dem zu Unrecht vergessenen Subsidiaritätsprinzip wieder zur Geltung verhelfen werden. Ein daran orientiertes Sozialkonzept dürfte kein Weihnachtsmann-System sein, welches jedermann zu bestimmten Anlässen ein Geschenk überreicht, sondern statt dessen die Möglichkeit schaffen, dort wirklich zu helfen, wo Selbsthilfe nicht möglich und nicht zumutbar ist.

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