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Das „wilde Bergvolk“ wird unternehmungslustig

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Zunehmend gerät die Steiermark in die Rolle der großen Krisenregion. Das Land, heißt es, steht wirtschaftlich im Eck und kann nur schwer den Strukturwandel bewältigen. Doch in aller Stille hat auch die „Grüne Mark“ längst die Startrampen für den Sprung in eine bessere Zukunft gebaut. Dynamische, innovative Unternehmen zeigen, wie man die Herausforderungen bewältigen kann.

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Zunehmend gerät die Steiermark in die Rolle der großen Krisenregion. Das Land, heißt es, steht wirtschaftlich im Eck und kann nur schwer den Strukturwandel bewältigen. Doch in aller Stille hat auch die „Grüne Mark“ längst die Startrampen für den Sprung in eine bessere Zukunft gebaut. Dynamische, innovative Unternehmen zeigen, wie man die Herausforderungen bewältigen kann.

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Immer wieder sorgt die Steiermark für negative Schlagzeilen. Der hartnäckigen Krise in der Mur-Mürz-Furche in der Obersteiermark sowie in der Weststeiermark um die Hauptorte Voits-berg und Köflach ist immer noch nicht beizukommen; die Misere der Verstaatlichten, die Verluste der VOEST, die Schwierigkeiten von Andritz, den Puchwerken und seit neuestem die der adidas-Werke — sie beherrschten die Zeitungsspalten und kratzten beständig am Image des gesamten Bundeslandes. Zuletzt erwies sich das KVA-Verfahren nicht als das Ei des Kolumbus zur Rettung der 150 Jahre alten Donawitzer Hüt* tenwerke.

Es überrascht daher, wenn beispielsweise der Grazer Wirtschaftswissenschafter Gunther Tichy der Steiermark trotzdem ein gutes Zeugnis ausstellt. In seiner 1987 erschienenen Studie „Entwicklungstendenzen und Strukturprobleme der steirischen Wirtschaft“ stellt er fest, daß gesamtwirtschaftlich gesehen das Land durchaus mit den anderen Bundesländern Schritt gehalten hat.

Die Klagen über die „Krisenregion Steiermark“ sind auch nur verständlich, wenn man die Betrachtung auf die Industrie beschränkt, wo die beiden nach der Metallverarbeitung bedeutenden Branchen Bergbau und Grundmetalle besonders schlecht abschneiden. Natürlich ist das Gewicht dieser schrumpfenden, umkämpften Branchen mit ihren zahlreichen Beschäftigten groß und überschattet andere, wirklich positive Entwicklungen in der „Grünen Mark“.

Die triste Arbeitsmarktsituation beispielsweise in der (Ober-) Steiermark ist sicherlich durch die Entwicklung der Verstaatlichten bedingt. Die VOEST hat ihre Mitarbeiterzahl in den steirischen Werken um rund ein Viertel reduziert, die VEW gar um ein Drittel. Die Jungen, die Arbeit suchen, bleiben von den bisher als so sicher geltenden Arbeitsplätzen „ausgesperrt“ (siehe nebenstehenden Kasten).

In anderen Bereichen hingegen, stellt Tichy fest, liegen die Wachstumsraten sogar über dem gesamtösterreichischen Durchschnitt. Das gilt etwa für das Gewerbe, den Handel, die Bauwirtschaft oder den Fremdenverkehr.

Es gibt aber in der Steiermark auch einen überdurchschnittlichen Gründungsgeist und Einsatzwillen, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Die Handelskammerstatistik .weist für das Jahr 1987 eine starke Mitgliederzunahme aus, die kräftigste seit 1952. Erfreulich daran ist der hohe Anteil an Jungunternehmern und -Unternehmerinnen. (Die Frauen stellen ein Drittel dqr Selbständigen.)

Eklatant wachsen Branchen wie technische Büros, Werbung, Audiovisions- und Filmunternehmen, der Fremdenverkehr, aber auch kleinere Handwerksbetriebe.

Daß das Land verkehrsmäßig in einer Winkelsituation liegt, hat auch bei Firmengründungen Konsequenzen. Es ist für die Stei-rer leichter, sozusagen ihre Intelligenz zu exportieren, als einen verkehrsabhängigen, teuren Produktionszweig aufzuziehen. Dementsprechend stark sind Entwicklungen im High-Tech-Bereich.

Vor allem Graz ist da ein Wachstumspol geworden. Warum? Bei 60.000 Studenten bietet die traditionelle Beamtenstadt mit ihren 250.000 Einwohnern nur wenigen Hochschulabsolventen gute Beruf schancen. Ihnen bleibt nur die Möglichkeit, in die Ferne zu ziehen, in einer der — wenn auch rarer - vorgefertigten Berufsbahnen unterzuschlüpfen — oder sich selbständig zu machen. Was viele auch tun.

Auch durch die Krisenregionen weht ein solches Gründungslüftchen. So mancher hat es satt, immer wieder Politikerreden ausgeliefert zu sein, und wagt lieber den Sprung ins Unternehmertum. So produzieren beispielsweise 46 Ex-VEW-Mitarbeiter erfolgreich Bierfässer in Mürzzuschlag.

Auch die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft funktioniert in der Steiermark recht gut, wie Beispiele auf den folgenden Seiten zeigen.

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