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Digital In Arbeit

Das Wissen der Welt auf Knopfdruck

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Die elektronische Datenverar- beitung gehört nach wie vor zu den interessantesten Kulturtech- niken der Gegenwart. Im Gegen- satz zu allen anderen Techniken wird aber von ihr zwar am meisten gesprochen, die intensive Anwen- dung selbst ist jedoch nur in ganz besonderen Ausnahmefällen anzu-

treffen.

Prinzipiell gibt es drei Entwick- lungsstufen, wobei es sich um drei Reif egrade handelt:

Die erste Entwicklungsstufe war die Benutzung eines großen zentra- len Rechners mit wenigen ausge-

wählten Anwendungen. Es war nicht notwendig, daß der Rechner im Hause stand. Das war die Phase, wo das Rechensystem als reines Re- chen- und Schreibwerkzeug ver- wendet wurde. Ein Charakteristi- kum dieser Systeme war die büro- kratische Organisation, die bei zunehmender Benutzung zur Un- zufriedenheit des Anwenders ge- führt hat. Es gab kaum Flexibilität und Chancen für weitere Entwick-

lungen.

Die zweite Phase könnte man als die Revolutionsphase der unsinni- gen Verselbständigung bezeichnen. Kleine Einheiten (Abteilungen oder Arbeitsplätze) haben - einem wil- den Selbständigkeitstrieb folgend -begonnen, Inseln aufzubauen. Die haben zwar für den unmittelbaren Benutzer eine hohe Flexibilität und Komfort, jedoch ein Vielfaches an Kosten gebracht, da das- Rad bei jeder Insel neu erfunden wurde. In diesem Stadium befinden sich noch immer viele Institutionen.

Die dritte Phase der Reife ist die

der Erkenntnis, daß der größte Ertrag aus Informationsverarbei- tung nur durch die totale Vernet- zung zu holen sein wird. Das be- deutet, daß ein vernünftig abge- stimmtes Netzwerk von Arbeits- platzrechnern, Abteilungsrechnern und Zentralrechnern gefunden wird, wobei die wichtigsten Aufga- ben darin bestehen, Synergieeffek- te durch gemeinsame Softwarebe- nutzung zu erzielen und anderer- seits dem Benutzer hohe Flexibili- tät für Anwendungen anzubieten.

Die Entwicklung der Informa- tionstechnologie geht weitgehend evolutionär vor sich. Fühlbare Änderungen gibt es eher in der Phi- losophie des Einsatzes. Diese be- ruht darauf, daß man sich immer mehr auf die Bedürfnisse des An-

wenders beziehungsweise des Be- nutzers besinnt. Dies ist insofern. bemerkenswert, als man bis zur Mitte der achtziger Jahre die tech- nische Perfektion immer weit vor die Benutzerfreundlichkeit gereiht hat. Es gab sogar Tendenzen, die Bedienung bewußt kompliziert zu gestalten, um den Kreis der „Wis- senden" klar abzugrenzen. Damit wurde die Maschine vom Hilf s- zum Hauptarbeitsmittel und der Mensch vom „BeHerrscher" zum „BeDie- ner" der Maschine.

Der Wertanteil in der kulturellen Entwicklung, mit einer stärkeren Betonung der sehr berechtigten individuellen Anforderungen, ist auch mit einem neuen Aspekt in die Technik eingezogen. Der Anwen- der soll wieder im Mittelpunkt ste-

hen und nicht die Maschine

Die techni- schen Entwick- lungstendenzen können in drei große Gruppen zusammenge- faßt werden:

• Integration von Bild, Text, Zahlen, Graphik und Sprachver- arbeitung, ver- bunden mit einer komfortablen Ein- und Ausga- be.

• Die Kommu- nikationstech- nologien, die die Basis der Ver- netzung der Ar- beitsplätze in- nerhalb und au- ßerhalb der Un- ternehmungen gestatten.

• Wachsende Kapazität der Großraumspei- cher, welche die Möglichkeit bie- ten, das Wissen der Welt weitge- hend abzuspei- chern.

Zu diesen Ten- denzen gesellen sich eine Reihe von begleiten- den Entwicklun- gen, wie zum Beispiel porta- ble Hochlei- stungsarbeits- stationen, wel- che praktisch batteriegespeist sämtliche Auf- gaben der heuti- gen EDV-Anla- gen vollführen können und über standardisierte Anschlüsse wie- der an jedes Netz

anschließbar sind. Ebenfalls eine begleitende Entwicklung ist der Weg zu großflächigen Flach- und Farbbildschirmen. Die werden die bisherig so lästige Beschränkung auf eine halbe DIN A4-Seite aufhe- ben und langfristig sicherlich die Möglichkeit bieten, sogar DIN A 3, DIN A 2 oder gar DIN AO-Format anzunehmen. Das wird die Mög- lichkeit bieten, visuelle Informa- tionen sowohl auf den Schreibtisch als auch auf die jeweiligen Wände zu plazieren und somit die Kom- munikation wesentlich verbessern.

Die oben dargestellten Entwick- lungsschritte der Organisation und die Evolution der Informationstech- nik werden die ständige Frage nach Zentralisierung oder Dezentralisie- rung lösen. Eine solche Lösung, die man als zentralisierte Dezentrali- sierung oder dezentralisierte Zen- tralisierung bezeichnen kann, wird traditionelle Rechenzentren in ei- nem neuen Licht erscheinen lassen. Es wird in Zukunft nicht sinnvoll sein, Inseln der Informationsverar- beitung aufzubauen. Die Aufgabe der neuen Rechenzentren muß dar- in bestehen, als Netzbetreiber auf- zutreten, die Verarbeitungsleistung in der vom Benutzer gewünschten Form an den Arbeitsplatz zu liefern und sich ansonsten auf die Service- leistung der Softwareerstellung und der Softwarewartung sowie der Hardwarebereitstellung zu konzen- trieren. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, die Vorteile der De- zentralisierung und der Zentrali- sierung zu vereinigen, ohne deren Nachteile in Kauf nehmen zu müs-

sen.

Die Vorteile der Dezentralisie- rung bestehen in der hohen Flexi- bilität und der Verfügbarkeit am Arbeitsplatz. Die Vorteile der Zen- tralisierung bestehen in den Syner- gieeffekten der ökonomischen Soft- warenutzung. Wesentliche Fakto- ren auf diesem Weg in die Zukunft sind jedoch nicht so sehr das tech- nische Know-how und die techni- schen Möglichkeiten, sondern vor allem die Bereitschaft, der einen „Zentrale" zu „dienen" und nicht zu herrschen. Bei einer entsprechen- den Serviceeinstellung können sol- che Netze für die einzelnen Betei- ligten nur noch Nutzen bieten, weil in Zukunft neben der Abwicklung von Auswertungsprogrammen vor allem die elektronische Datenkom- munikation treten wird.

Eine EG-Studie sagt aus, daß jedes in der EG erzeugte Auto um 3.000 Schilling billiger sein könnte, würde man bereits erfaßte Daten nicht noch einmal erfassen müssen. Das zeigt das Rationalisierungspo- tential in allen Bereichen admini- strativer Tätigkeit. Jedes größere Unternehmen verfügt über gewal- tige Rationalisierungsreserven, welche durch Verminderung von Mehrfacherfassung, Mehrfachspei- cherung, Mehrfachübertragung

ausgeschöpft werden können.

Welche Konsequenzen hat das für die Arbeitswelt? Als erste und we- sentliche Konsequenz kann das Ineinanderfließen des Bildschirmes mit dem Schreibtisch gesehen wer- den. Der heute geläufige Begriff der Arbeitsstationen wird damit noch mehr unterstrichen werden, sodaß im Schreibtisch der Zukunft der Bildschirm vollintegriert sein wird. Die Bedienungselemente werden sicherlich noch längere Zeit Tastaturen sein, doch ist Sprach- ein- und -ausgäbe heute schon denkbar. Für Mitarbeiterbespre- chungen, Konferenzen und ähnli- ches wird als wesentlicher Faktor die Großbildleinwand in vielen Büros hinzutreten, welche nicht nur die Computerpräsentationen oder das Abspielen von Videofilmen, sondern auch die Abhaltung von Tele- und Videokonferenzen anbie- ten wird. Diese Bildschirme wer- den eine integrierende Bedeutung sowohl für jede Art der Kommuni- kation miteinander, als auch für Kontrollaufgaben übernehmen.

Durch das homogene Verarbei- tungsmedium wird selbstverständ- lich auch jede Art der Fernüberwa- chung möglich sein. Sei es ein Blick in die eigene Wohnung, ob alles in Ordnung ist, oder zum Haustor, um den Besucher zu identifizieren, oder ein Blick in die Fertigungshalle als visuelle Kontrolle. Diese neue Tech- nologie wird auch einen fließenden Übergang zwischen Büro und Wohnung ermöglichen, sodaß man viele Aufgaben auch im Wohnbe- reich wird durchführen können. Dazu wird es einerseits fix instal- lierte Endgeräte in den Wohnun- gen geben, andererseits für „We- nigbenutzer" den Einsatz von por- tablen Geräten.

Interessant ist auch die Überle- gung, was in Zukunft wegfallen wird: Sicherlich eine Vielzahl von Spezialaggregaten wie Diktierge- räte, Karteien, Registraturen, Ko- piergeräte, Flip-Charts und ähnli- ches, da wesentliche Aspekte der Zukunft die Universalität und die Integration sein werden. Selbstver- ständlich werden die Systeme nach wie vor die Möglichkeit bieten, handschriftlich zu kommunizieren. Ansätze dafür gibt es schon. Ein Beispiel dafür wäre, daß man nicht mehr auf ein Flip-Chart schreibt, sondern auf eine entsprechende Un- terlage und die Schrift wird auto- matisch auf die große Präsenta- tionswand transferiert.

Diese Tendenzen sind heute ein- deutig vorhanden. Der Zeitpunkt des vollständigen Eintretens wird nicht das Jahr 2000 sein. Doch wer- den schon viele Schritte in diese Richtung gemacht worden sein.

Der Autor ist Vorstand des Institutes für Be- triebswirtschaftslehre der Öffentlichen Verwal- tung und Verwaltungswirtschaft sowie Wissen- schaftlicher Direktor der Österreichischen Aka- demie für Führungskräfte in Graz.

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