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DAS WORT GOTTES
Die Bibel ist für mich nicht bloß das wichtigste Buch der Weltliteratur, sondern dem gemeinsamen christlichen Glauben entsprechend „Wort Gottes". Die Bibel ist dies allerdings in menschlicher, geschichtsbedingter Sprache, die heute immer einer Übersetzung bedarf.
Die Bibel ist für mich nicht bloß das wichtigste Buch der Weltliteratur, sondern dem gemeinsamen christlichen Glauben entsprechend „Wort Gottes". Die Bibel ist dies allerdings in menschlicher, geschichtsbedingter Sprache, die heute immer einer Übersetzung bedarf.
Als eine solche „heilige Schrift" hilft sie mir, mich in dieser Welt zurechtzufinden. Als wertvolle Beispiele ihrer Orientierungshilfe für mich persönlich seien angeführt: Das Psalm wort „Gott gab sich zuerkennen in Israel" (Ps 76) sagt mir, daß der unbegreifliche Schöpfer des Alls und meines Lebens sich als ansprechbares „Du" zu erkennen gegeben hat.
Ich verdanke mein Leben also nicht dem Zufall, sondern dem, den ich im Gebet ansprechen kann. Nach den Worten der Bibel hat Mose Gott als JHWH kennengelernt: „Ich bin der ,Ich bin da'" (Ex 3,14) und als Retter haben ihn die Psalmisten besungen: „Gott ist ein Gott, der uns Rettung bringt, Gott, der Herr, führt uns heraus aus dem Tod" (Ps 68,21). Von ihm sagt die Bibel, daß er um die Tränen der Menschen weiß: „Gott, der Herr, wäscht die Tränen ab von jedem Gesicht" (Jes 25,8). Schon das ganze Alte Testament durchzieht das Wissen um Gottes Verständnis selbst für die Sünder, wie es der oft wiederholte Psalmvers ausspricht: „Danket dem Herrn, denn er ist gut und sein Erbarmen währet ewig" (zum Beispiel Ps 136).
Die alttestamentlichen Hinweise auf die erst in Zukunft geschehende Errettung haben ihre Entsprechung in den neutestamentlichen Nachrichten über Jesu Leben, Sterben und Auferstehen.
Das ist für mich der Grund, warum ich Christ bin und bleibe, obwohl ich vieles in der Welt und der Kirche nicht verstehe: Ich komme an Jesus nicht vorbei. Nachhaltig wirkt auf mich seit meiner Schulzeit die auf Jesu Frage „Wollt auch ihr weggehen?" von Petrus gegebene Antwort: „Herr zu wem sollen wir gehen? Du (allein) hast Worte des ewigen Lebens" (Joh 6,67). Ich kenne keinen gesunden und ethisch integren Menschen, der einen solchen Hoheitsanspruch erhoben hat, wie dies Jesus nach den Worten der Bibel tat, und der sich glaubwürdigen Zeugen als ■ der aufer-s t a n d e n e Sohn Gottes zu erkennen gab.
Ich kenne auch kein anderes Buch, das uns Menschen in dieser nicht bloß schönen, sondern vielfach auch schrecklichen Welt und angesichts der eigenen Erbärmlichkeit solche Hoffnung geben kann, wie dies die Bibel vermag.
Schließlich macht mich das Wort des Apostels Paulus am Ende seiner Ausführungen über die Auferstehung der Toten zu einem „Optimisten ohne Illusion" in der Kirche von heute: „Daher, geliebte Brüder, seid standhaft und unerschütterlich, nehmt immer eifriger am Werk des Herrn teil und denkt daran, daß eure Mühe im Herrn nicht vergeblich ist" (1 Kor 15,58).
Der Autor ist Ordinarius für Neutestamentliche Bibelwissenschaft an der Universität Wien.
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