7005651-1987_41_13.jpg
Digital In Arbeit

Das Wunderland hinterm Arlberg

Werbung
Werbung
Werbung

Das kleine Vorarlberg zählt nach den Statistiken zu den größten Bundesländern Österreichs: überproportionales Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung, die niedrigste Arbeitslosenrate bei höchstem Gastarbeiteranteil. Welche Geheimnisse stecken hinter den Erfolgen der Alemannen?

Den „innerösterreichischen“ Zeitungen war's keine Meldung wert. Und den Finanzminister in Wien plagten ja vor dem Sommer ganz andere Sorgen: der Bundeshaushalt drohte aus allen Nähten zu platzen.

Das Kontrastprogramm wurde derweil hinter dem Arlberg — aus Wiener Sicht — geboten. Laut Landesrechnungsabschluß 1986 hat Vorarlberg in diesem Jahr um 86 Millionen Schilling weniger ausgegeben als ursprünglich vorgesehen.

Ein Rekordergebnis selbst für Vorarlberger Verhältnisse — auch wenn schon die drei Jahre zuvor unterm Budgetstrich ebenfalls weniger Ausgaben standen als veranschlagt.

Mit solchen Haushaltszahlen läßt sich der Zinsendienst für die Landesschulden von rund 1,3 Milliarden Schilling bei einem Gesamtbudget von sieben Milliarden Schilling leicht bedienen, noch dazu, wo der Schuldenstand seit 1984 unverändert ist.

Aber nicht nur in der Budgetpolitik gehen in Vorarlberg die Uhren anders. Während die Umsätze in Industrie und Gewerbe im Bundesschnitt stagnieren oder sich sogar rückläufig entwickeln, eilt die Wirtschaft im westlichsten Bundesland Österreichs von Erfolg zu Erfolg.

Das Vorarlberger Gewerbe erreiche zum Beispiel eine um 15 Prozent höhere Produktivität als „Restösterreich“. Die Exportkraft eines jeden Vorarlbergers ist derzeit doppelt so hoch wie die des Durchschnittsösterreichers. Und was die Bruttojahreseinkommen betrifft, so müssen die Vorarlberger Arbeitnehmer bloß den Wienern knapp den Vortritt lassen.

Auf der anderen Seite lag im „Ländle“ die Arbeitslosenrate

1986 im Jahresdurchschnitt mit 2,7 Prozent erheblich unter den 5,2 Prozent des Bundesschnittes. Dabei weist Vorarlberg mit 13 Prozent den mit Abstand höchsten Gastarbeiteranteil auf.

Das Land zwischen Bodensee und Arlberg verzeichnet auch eine dynamische Bevölkerungsentwicklung. Seit Beginn der sechziger Jahre sind die Einwohner um rund 30 Prozent mehr geworden, mit der höchsten Zuwachsrate Österreichs werden die derzeit 320.000 Vorarlberger bis zur Jahrtausendwende noch einmal um 50.000 wachsen.

Kein Wunder, wenn hinterm Arlberg — aus Bregenzer Sicht — bereits vom „Goldenen Westen“ die Rede ist, vom Wirtschaftswunderland, vom „Musterländ-le“.

Tatsächlich hat das Land — vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten — einen Strukturwandel hinter sich gebracht, der nicht nur in Österreich kaum seinesgleichen findet. Vorarlberg hat sich längst vom Agrarland zur modernen Industrieregion gemausert.

Der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten liegt heute bei knapp drei Prozent. Selbständig erwerbstätig sind rund zehn Prozent, fast 90 Prozent gehen als Angestellte, Arbeiter oder Beamte ihrem Beruf nach.

35.000 Menschen arbeiten in den 530 Industriebetrieben des Landes, das sind 40 Prozent aller in der gewerblichen Wirtschaft Beschäftigten. In Vorarlberg kommen somit auf 1.000 Unselbständige 291 Industriebeschäftigte (österreichdurchschnitt: 202).

Die Textilindustrie hat inzwischen ihre alles überragende Position verloren, steuert aber noch immer rund 40 Prozent zur regionalen Wertschöpfung bei. Stark expansiv entwickelt sich in den letzten Jahren die Metall- und Elektroindustrie. Ihr Anteil am Bruttoregionalprodukt beläuft sich bereits auf über 30 Prozent.

Die notwendigen Umstrukturierungs-, auch Rationalisierungsmaßnahmen in der Industrie konnten in Vorarlberg immer auf ein besonders dichtes Netz von gewerblichen Klein-und Mittelbetrieben bauen. Von den 5.200 Gewerbebetrieben mit ihrem breitgefächerten Branchenangebot beschäftigen 93 Prozent jeweils höchstens bis zu 20 Menschen.

Gerade diese kleingewerbliche Betriebsstruktur hat sich als starker Rückhalt bei der Modernisierung der Vorarlberger Wirtschaft und als arbeitsmarktpolitischer Ausgleichsfaktor erwiesen.

Heute steht das Industrieland Vorarlberg vor neuen Herausforderungen: Das „Ländle“ ist auf dem Weg zum High-Tech-Land.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung