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Das Zwischenherz
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat sich nun die Methode eingebürgert, künstliche Herzen zur Uberbrük-kung der Herzleistung sterbender Transplantationskandidaten zu verwenden, bis ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung steht. Über 250 meist junge Patienten wurden bisher auf diese Weise behandelt und die Hälfte von ihnen konnte nach erfolgreicher Transplantation nach Hause entlassen werden. Auch an der II. Chirurgischen Universitätsklinik in Wien ist es in den letzten Monaten gelungen, drei Patienten mit Hilfe des künstlichen Herzens erfolgreich zu transplantieren.
Die meisten derzeit gebräuchlichen Kunstherzsysteme verwenden aus speziellen körperverträglichen Kunststoffen angefertigte Pumpkammern. Diese arbeiten nach dem Prinzip einer Membranpumpe: Eine durch Preßluft und Vakuum angetriebene Membran bewegt das Blut in einer durch zwei Ventile gegebenen Richtung. Das total künstliche Herz wird anstelle des natürlichen implantiert, es wird also wie bei einer Herztransplantation das eigene Herz entfernt.
Anders ist es bei Unterstützungssystemen, wo parallel zum natürlichen Herzen ein Kunstherz eingesetzt wird, welches das eigene entlastet. Das eigene Herz könnte dann in einer kritischen Situation, etwa bei einem technischen Gebrechen, den Kreislauf aufrecht erhalten. Alle derzeit verfügbaren Kunstherzen benötigen Hautdurchtritte. Die notwendige Energie in Form von Druckluft oder Strom, bei Pumpen außerhalb des Körpers auch das Blut, müssen durch die Haut in den Körper geleitet werden. Die Steuerung erfolgt durch eine im Bereich der Intensivstation bewegliche Antriebseinheit. Die bei unseren Patienten verwendeten Kunstherzen wurden am Ludwig-Boltz-mann-Institut für herzchirurgische Forschung entwickelt und werden auch dort erzeugt.
Bei einem fünfzigjährigen Mann mit fortschreitender Herzmuskelschwäche kam *es zu Nieren- und Leberversagen. Er mußte wegen Herzflimmern wiederbelebt werden. Sechs Tage, nachdem sein Herz durch ein total künstliches ersetzt worden war, konnte mit einem geeigneten Spenderorgan die Transplantation durchgeführt werden. Er erholt sich derzeit im Rehabilitationszentrum Feibring, das ihm durch die initiale Wiederbelebung die weitere Behandlung überhaupt erst ermöglicht und ihm dadurch das Leben gerettet hat.
Ein vierzigjähriger Mann erlitt einen zweiten Vorderwandinfarkt. In der Folge kam es ebenfalls zum Versagen von Nieren und Leber, so daß ein künstlicher Ventrikel (Kammer) zur Unterstützung der linken Herzkammer eingesetzt werden mußte. Nach 25 Tagen stand ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung. Die schwierige postoperative Periode hat er vor allem durch den Einsatz des Pflegepersonals der Intensivstation der I. Medizinischen Klinik überstanden, die Genesung macht gute Fortschritte.
Meines Erachtens ist eine Therapieform, die jungen, todgeweihten Patienten zumindest eine fünfzig-prozentige Chance gibt, erfolgreich herztransplantiert zu werden, eine akzeptable Behandlungsmethode im Angesicht der Tatsache, daß die Alternative nur das Warten auf den Tod unter den Bedingungen der Intensivtherapie wäre. Treten nach der Implantation des künstlichen Herzens Komplikationen auf, die eine Herztransplantation verhindern, kann aus dem temporären ein unfreiwilliger permanenter Einsatz mit ähnlichen Problemen, wie bei den amerikanischen Patienten werden. Nach den bisherigen Erfahrungen ist das jedoch nur in einem geringen Prozentsatz der Fall.
Eine Alternative für Patienten, die aufgrund des hohen Alters oder aus sonstigen Gründen für eine Herztransplantation nicht in Frage kommen, werden die in den USA entwickelten vollkommen implantierbaren Systeme darstellen, die nach ausgedehnten Tests in wenigen Jahren zur Verfügimg stehen sollen. Sie werden eine Unterstützung des versagenden Herzens bei einer akzeptablen Mobilität des Patienten ermöglichen. Die Energie wird mittels unter der Haut liegender Spulen übertragen (durch Induktion, Anm. d. Red.), so daß der Patient für etwa 20 Minuten den Batteriegürtel ablegen kann, den er einmal täglich aufladen beziehungsweise wechseln muß. Der Bedarf an derartigen Systemen muß auch im Lichte der zunehmenden Knappheit an Spenderorganen gesehen werden, die zu längeren Wartezeiten und damit zu vermehrten Todesfällen der Patienten auf der Warteliste führt. Bezüglich der Prognose der Verfügbarkeit solcher Systeme ist allerdings Skepsis am Platz: Schon vor zehn oder mehr Jahren wurde der problemlose Einsatz von Kunstherzen „in den nächsten Jahren" prognostiziert.
Den jederzeit möglichen Tod halten sich die wenigsten Menschen täglich vor Augen. Sogar verzweifelte, im Endstadium einer ausweglosen Krankheit befindliche Patienten haben mehr Hoffnung als realistische Einschätzung ihres Lebensendes. Mit einer sichtbaren, hörbaren, fühlbaren Maschine neben sich wird ihnen die Abhängigkeit von diesen äußeren Einflüssen und die Begrenztheit des Lebens sowie die Einschränkung der Lebensqualität doch drastisch vor Augen geführt. Man kann nur darüber spekulieren, ob der Einsatz solcher Systeme dieses Leben bewußter macht -oder, im Gegenteil, die Angst zur desperaten Verzweiflung verstärkt.
Auch der Gedanke an Selbstmord, der bei sehr vielen Patienten zumindest vorübergehend auftritt, ist in diesem Lichte neu zu sehen. Wird es ihnen möglich sein, die mit dem künstlichen Herzen einhergehenden psychischen Belastungen als vorübergehend und bewältigbar einzustufen?
In der Reihe der in der modernen Medizin routinemäßig eingesetzten künstlichen Organe wird dem künstlichen Herzen aufgrund des technischen Aufwandes, besonders aber gefühlsmäßig, eine Sonderstellung eingeräumt. In einer Zeit, in der wir uns an den Ersatz körperlicher Funktionen durch Maschinen und Implantate gewöhnt haben, ist aber eine Sonderstellung des Herzens gegenüber anderen lebenswichtigen Organen nicht mehr gerechtfertigt. Allerdings trifft in diesem Bereich zu, was heutige Denker von Capra über Ditfurth bis zu Weizsäcker formulieren: daß die seelische und emotionale Entwicklung der technischen weit nachhinkt.
Die Autoren sind Oberärzte an der II. Chirurgischen Universitätsklinik in Wien. Prof. Dr. Axel Laczkovics fettetdas Transplantationsprogramm, Dr. Anton Moritz das experimentelle Programm Kunstherz
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