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Digital In Arbeit

Datenkosmetik und die tollen Kurven

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Mit den Zahlen läßt sich trefflich streiten. Das wissen Mediaplaner und Mediaforscher. Letztere bedienen ihre Kunden oft mit dem Ergebnis, das gerade erwartet wird.

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Mit den Zahlen läßt sich trefflich streiten. Das wissen Mediaplaner und Mediaforscher. Letztere bedienen ihre Kunden oft mit dem Ergebnis, das gerade erwartet wird.

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Zu Beginn dieses Jahres wollte es der Zufall, daß zwei Datenwerke der Mediaforschung erschienen, die den Medien die Möglichkeit boten, ihre Bedeutung darzustellen, noch besser: ihr Wachstum gegenüber früheren Jahren. So weit so gut.

Der „Zufall“ wollte es, daß zwei Wiener Boulevardzeitungen die neuen Daten in besonders „kräftiger“ Weise dazu verwendeten, ihre Stärke, vor allem aber ihr Wachstum gegenüber früheren Jahren darzustellen.

Wieder wollte es der Zufall, daß eine Tageszeitung in der „Optima“ einen kleinen Anstieg zu ver-

zeichnen hatte, der Hauptkonkurrent dagegen einen recht kräftigen Rückgang. In der anderen Studie - der „ÖVA“ („österreichische Verbraucheranalyse“) — war es fast genau umgekehrt der Fall.

Was lag nun näher, als daß sich jede der beiden Tageszeitungen der Studie bedient, die ihr einen Anstieg bescherte, und die andere Studie gar nicht zur Kenntnis nahm. So weit so gut.

Ein Fachmann konnte nur lä-

cheln, ein Laie mußte verwirrt sein: Wie gibt es so etwas? mußte er sich fragen. Hat eine Zeitung die Unwahrheit gesagt, denn zwei Wahrheiten zu ein und demselben Tatbestand gibt es wohl nicht?

Des Rätsels Lösung liegt darin, daß hier Zahlen unterschiedlicher Herkunft zu Vergleichszwecken benutzt werden: Beide Untersuchungen sind von ihrem methodischen Ansatz her so verschieden, daß ein Quervergleich absolut unzulässig ist.

Jeder Fachmann aus dem Bereich der Marktforschung — auch die Mediaforschung gehört zum Arbeitsgebiet der Marktforschung-weiß, wie sensibel unterschiedliche Fragestellungen, Fragenpositionierungen in einem Fragebogen, vor allem aber die unterschiedliche Form der Be-fragten-Auswahl auf die Ergebnisse wirken.

Und beide strapazierten Untersuchungen weisen sehr klare und damit ergebnisrelevante Unterschiede in ihrem Ansatz, der Frageformulierung und des Fragebogenablaufes aus. Kein Wunder,

daß es zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.

Außerdem kommt noch zum Tragen — was aus den Publikationen der Daten nicht immer klar wird —, daß beide Untersuchungen nicht den gleichen Zeitraum des Jahres 1985 abdecken. Die „Optima“ erfaßte die Lesesituation von etwa elf Monaten des Jahres 1985, die „ÖVA“ nur von vier Monaten.

Daß die daraus resultierenden Durchschnittswerte der Leserschaften unterschiedlich ausfallen würden, ist selbst einem Laien sofort klar, selbst wenn im übrigen die Methodik der beiden Datenwerke vollkommen ident gewesen wäre, was sie allerdings nicht war.

Diese lockere Art des Umgangs mit Daten aus verschiedenen

Quellen hat mich doch etwas verwundert. Wenn man dazu noch als Adressat solcher Erkenntnisse laufend mit diesen Daten bombardiert wird, dann möge es erlaubt sein, sich seine Gedanken über die Verfasser zu machen.

Mag dieses Vorgehen noch verständlich sein — der Wettbewerb ist hart—, so ist es dort nicht mehr, wo in ein und derselben Tabelle Entwicklungskurven dargestellt werden, wobei man sich der Daten aus unterschiedlichen Quellen bedient. Egal ob man sich dabei . der Mediaanalyse (MA) und „Optima“, der MA und „ÖVA“ oder der „Optima“ und „ÖVA“ bedient.

Ein solches Vorgehen ist absolut falsch und daher unzulässig. Dem Fachmann wird dies sofort auffallen und bewußt werden.

Von einem Laien kann man diese Einsicht nicht erwarten, selbst wenn er im Bereich der Werbung tätig ist oder sich der Werbung als Marketing-Instrument bedient.

Wie würde man dann so ein Verhalten eines Mediums wohl bezeichnen?

Egal ob dies bewußt konzipiert wurde oder mangels Fachwissen: in beiden Fällen trägt so ein Verhalten zur Irreführung bei. Daher sind solche Darstellungen auch unbrauchbar, sollten unterlassen werden. Oder hofft man, daß der Laie all dies nicht erkennt, es übersieht?

Man könnte nun auch sagen, daß dies alles nicht so schlimm sei. Egal welche Untersuchung man heranzieht, die Fronten sind klar abgesteckt, die Rangfolgen der Medien sind da und dort ident.

Ich las diese lockere Meinung mit etwas Erstaunen. Denn das Wesentliche an der Stellung eines Mediums im Konzert der Medien ist nicht sein Rangplatz im Medienorchester, sondern seine numerische Größe, sein absoluter Abstand zum anderen vor und hinter ihm.

Rangplätze sagen nichts über Größenordnungen aus. Die Werte 500.000, 300.000 und 200.000 für die Leserschaft von drei Printmedien weisen diesen den gleichen Rang-

platz zu wie Werte von 500.000, 490.000 und 450.000. Welcher zweite oder dritte Rang wären Ihnen da wohl lieber?

Die Identität von Rängen in zwei oder drei erschienenen Untersuchungen ist daher kein Indiz dafür, daß diese drei Untersuchungen letztlich zum gleichen Ergebnis gelangen.

Es würde nun nicht der Wahrheit entsprechen, wenn ich behauptete, daß es nur die beiden Wiener Boulevard-Zeitungen sind, die sich dieser Art der Darstellung von Zahlen aus Media-Untersuchungen bedienen. Im übrigen sei jeder aufgefordert, sich derlei Informationen gewissenhaft durchzusehen und entsprechend zu handeln.

Ein neues Klima bei der Publikation von Mediendaten ist nur zu erreichen, wenn solche Informationen zurückgewiesen werden.

Der Autor ist Leiter der Marktforschung und Mediaplanung in der Häger-Werbegesellschaft

Die „Optima“ ist eine Media-Untersuchung des Wiener Fessel-Instituts. Die „Osterreichische Verbraucheranalyse“ (ÖVA) ist eine Untersuchung der Besitzdaten und Konsumgewohnheiten des Linzer Imas-Instituts.

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