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Datenschutz als Menschenrecht ?

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Nationale Erfahrungen und internationaler Gedankenaustausch werden Österreich auf dem Datenschutzsektor zwei neue Gesetze bescheren. Trotz des detailliertesten und ausgefeiltesten Datenschutzgesetzes der Welt gibt es auf diesem Gebiet Lücken: „Ausnahmeregelungen für Forschungszwecke sowie Kontrollmechanismen für Adressenbüros werden Spezialgesetze erfordern“, erklärte Abteilungsleiter Waltraut Kotschy vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, die Vertreterin Österreichs bei einem Datenschutzexpertentreffen in Straßburg, der FURCHE.

Sollen gewöhnliche Käuferkarteien registrierungspflichtig bei einer zentralen Dattenbehörde werden? Soll das Recht jedes Menschen auf Datenschutz Teil der europäischen Menschenrechtskonvention und damit von jedermann beim Straßburger Menschenrechtsgerichtshof einklagbar werden?

Das sind vielleicht abstrakt klingende Fragen, die aber entscheidende Auswirkungen auf gespeicherte Informationen jedes einzelnen Menschen über seine Schulnoten, Straftaten, Arztbesuche und sexuellen Neigungen beinhalten und heute bereits bei fast jedem Anstellungsgesuch und Po

lizeikontakt in Betracht gezogen werden.

Wer hat Zugang zu ihnen? Kann sie der Betroffene erfahren und nötigenfalls korrigieren lassen? Wenn ja, unter welchen Umständen, und gratis? Zu diesen Fragen

versuchten Datenschutzexperten aus den 21 Mitgliedsländern des Europarats (alle freien europäischen Länder sowie Finnland, Japan und die Vereinigten Staaten) Antworten zu geben, die aus der Praxis ihrer Länder stammen.

Nicht nur Juristen wird es seltsam erscheinen, daß das österreichische Datenschutzgesetz, 1978 beschlossen, seit 1980 stufenweise in Kraft getreten, schon jetzt solche Lücken und Fehler auf weisen

soll, daß es novelliert werden muß. Der Grund dafür liegt weniger in der hochtechnologisierten und sich daher schnell entwik- kelnden Materie, sondern auch im österreichischen Gesetz selbst:

Nicht nur die Verbindung von einfach- und verfassungsgesetzlichen Bestimmungen, ein österreichisches Spezifikum, sondern auch der seit einigen Jahren in Österreich existierende Anspruch, in neuen Gesetzen alle auftretenden Fälle vorauszusehen und zu regeln, haben das Gesetz teilweise scheitern lassen müssen: Definitionen sind unbrauchbar, Schutzmechanismen zu kompliziert (Käuferkarteien), die Datenschutzkommission nur für öffentliche Daten zuständig.

Das erste Spezialgesetz in Vorbereitung betrifft den Datenschutz und die Wissenschaft, für die Ausnahmeregelungen geschaffen werden sollen. Mei

nungsBefragungsunternehmen sahen sich durch das Gesetz mit großen Problemen konfrontiert, da ihnen Zutritt zu Daten verwehrt wurde, die sie für die Erstellung des „guten Durchschnitts“ der Österreicher und damit für den Erfolg ihrer Befragung benötigen.

Der Befragte soll nun wissen, wofür seine Daten verwendet werden. Der Einwand, gerade das könnte Voreingenommenheit erzeugen und den wissenschaftlichen Zweck vereiteln, ließ zu der Lösung führen, der Zweck müsse nach Abschluß der Befragung mitgeteilt werden.

Diese und ähnliche Fragen scheinen gelöst, der Gesetzestext ist weit gediehen.

Noch im Ungewissen schweben das Ob und Was für ein Spezialgesetz bezüglich der .Adressenbüros“. Die „Streichlisten“ (wer kein Werbematerial bekommen will, kann sich darin eintragen) funktionieren nicht. Abteilungsleiter Kotschy wirft der Handelskammer vor, das Problem liegen zu lassen: „Wenn sie weiter nichts tut, muß der Staat eingreifen.“

Die Ergebnisse der Expertentagung des Europarats benötigt Abteilungsleiter Kotschy zur Unterstützung ihrer Vorschläge in Wien und zur Argumentationshilfe.

Die „Konvention zum Schutz von Personen hinsichtlich auto-

matischer Verarbeitung personenbezogener Daten“ wurde heuer beschlossen und bezieht sich insbesondere auf die Datenweitergabe über die Staatsgrenzen hinweg (durch Benützung von Großanlagen im Ausland eine Alltäglichkeit), auf besonders heikle Daten bezüglich politischer, religiöser und anderer Anschauungen, Sicherheitsmaßnahmen und Berichtigungsgarantien. Österreich hat sie schon unterzeichnet, da die Konvention ein innerstaatliches Datenschutzrecht als Vorbedingung verlangt, was Österreich mit dem Datenschutzgesetz erfüllt.

Ob das Recht jedes Menschen auf Datenschutz in die Menschenrechtskonvention aufgenommen Und damit in Straßburg gegen Österreich einklagbar wird, ist noch nicht entschieden. Frits Hondius, stellvertretender Menschenrechtsdirektor des Europarats, könnte es sich vorstellen, da es weitergehend ist als das in Europa geschützte Recht auf Privatleben.

Obwohl vor einem solchen Schritt der Datenschutz verfassungsmäßiges Grundrecht in der Mehrheit der europäischen Staaten werden müßte (in Österreich ist er es bereits), sei eine dynamische Auslegung dieses Rechts durch die europäische Menschenrechtskommission oder den Gerichtshof vorstellbar.

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