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Dem Abgrund näher?
Für den Langzeit-Obmann der FPÖ, Friedrich Peter, steht viel auf dem Spiel. Er soll seine Partei als Juniorpartner an die Regierungsmacht bringen, wozu freilich ein Ausbau des FPÖ-Stimmenanteils unabdingbare Voraussetzung wäre. Der Vertreter des nationalen Flügels in der FPÖ, Otto Scrinzi, glaubt, daß es ein Plus von zwei bis drei Mandaten brauchte, um koalitionsfähig zu sein. Doch der Meinungspegel sieht die FPÖ konstant bei 5 Prozent. Gäbe es in Österreich eine 5-Prozent-Klausel für den Einzug einer Partei in den Nationalrat, die FPÖ müßte von Existenzsorgen geplant sein.
In dieser Situation tendiert Friedrich Peter ohne dezidierten Parteiauftrag zu einer Koalition mit der SPÖ von Bruno Kreisky. Meist ist es für die diversen Flügel in der FPÖ peinlich, zuzusehen, mit welcher Intensität Peter um die Gunst des SPÖ-Vorsitzenden buhlt. Oppositionspolitik ist gegenüber der Bundesregierung dabei oft nur in Spurenelementen bemerkbar. Gelegentliche Treffs mit ÖVP-Obmann Karl Schleinzer dienen nur als Alibi.
Friedrich Peter konnte bislang weder der Öffentlichkeit noch dem engbegrenzten Kreis seiner Wähler deutlich machen, warum eine Koalition mit der SPÖ besser sei als eine mit der ÖVP.
Nun herrscht aber in weiten Kreisen der Öffentlichkeit die Überzeugung vor, daß jedenfalls diese FPÖ nicht in der Lage sei, als Juniorpartner in einer kleinen Koalition mit der SPÖ ausreichendes liberales und marktwirtschaftliches Stehvermögen einzubringen. Gleichzeitig aber hält man die FPÖ — anders als die FDP in Deutschland — für viel zu wenig sozialpolitisch inspiriert, um etwa in einer Koalition mit der ÖVP deutlich sichtbare, Akzente zu setzen. Das ist letztlich die Crux einer Partei, die sich selbst durch bald zwei Jahrzehnte als oppositionelle Kraft versteht. Für Programme gab es in der FPÖ Friedrich Peters nie viel Platz. Als am Innsbrucker FPÖ-Parteitag der Wiener Delegierte Holger Bauer die Vorlage eines Programms noch vor den Nationalratswahlen verlangte und die Wahl des Koalitionspartners davon abhängig machte, welche der beiden Großparteien in ihrem Regierungsprogramm mehr FPÖ-Programmpunkte akzeptiere, mußte er von seinem Parteiobmann Schelte einstecken.
Heute neigt man in der FPÖ eher dazu, Bauers Vorschlag zu realisieren. Das Problem liegt in erster Linie in der Gestaltung dieses Programms. Immerhin soll es so ausfallen, daß es sich von den Programmen der beiden Großparteien merklich abhebt, gleichzeitig aber auch Koalitionen nach jeder Richtung zuläßt. Das ist angesichts des Programmladens, den die beiden Großparteien auch im kommenden Wahlkampf vor sich herschleppen werden, eine nahezu unlösbare Aufgabe. Dies um so mehr, als die Abfassung von Parteiprogrammen und die Festlegung von politischen Zielen nie zu Friedrich Peters Vorzügen zählte.
Das hat sich bis heute nicht wesentlich geändert. Der reformatorische „Attersee-Kreis“ der FPÖ, in dem neben dem unvermeidlichen nationalen Flügel einige durchaus ernst zu nehmende junge Polit-Den-ker und Programmatiker vertreten sind, verzweifelt schier an Peters grundsätzlichem Desinteresse an mittel- und längerfristigen sachpolitischen Überlegungen. Das äußert sich beispielsweise in der redaktionellen Gestaltung des Anfang 1974 mit großem publizistischem Aufwand ins Leben gerufenen FPÖ-Theorie-Organs „freie argumente“. Die Hand darauf hält der Herausgeber Tassilo Brösigke, ein Mann nach dem Geschmack Friedrich Peters; aber auch ein Mann, der unter allen Umständen seine politische Laufbahn mit einem Ministeramt krönen möchte.
Die FPÖ als Partei ohne Mitte, dafür aber mit einem starken nationalen und einem etwas schwächeren liberalen Flügel zu charakterisieren, dürfte ihrem inneren Zustand nicht gerecht werden. Es gibt in der FPÖ rund um Peter eine Gruppe, die unbedingt Regierungsteilhaber werden möchte, und eine andere Gruppe, die das nicht grundsätzlich ausschließt, jedoch.bestimmte Bedingungen stellt. Diese Bedingungen sind programmatischer Art, hängen aber auch, wie das beispielsweise Otto Scrinzi sieht, mit einer bestimmten Mandatsstärke zusammen. Die eine Gruppe glaubt die andere durch das Angebot diverser Ministerposten (Scrinzi als Ge-sundheits- oder Wissenschaftsminister) von ihrem Kurs überzeugen zu können.
Quer durch beide großen Gruppen tummelt sich ein Trupp liberalerer Jung-Freiheitlicher, denen die Parteiführung Peters grundsätzlich mißfällt, die aber auch am abwartenden Alexander Götz immer weniger Gefallen finden. Zumal Götz in der Steiermark mit dem Odium des Wahlverlierers bei den Landtagswahlen belastet ist. In kleineren Gesprächsrunden schwärmt SP-Vorsit-zender Kreisky von der Qualität dieser FPÖ-Gruppe, idealisiert den „Attersee-Kreis“ zu einem Flügel, mit dem die SPÖ durchaus kooperieren könnte. Es scheint, als würde auch er das Durchsetzungsvermögen dieses Kreises in der FPÖ gewaltig verkennen. Ein Christian Broda, Heinz Fischer oder Karl Blecha machen diesen Fehler nicht: für sie stellt sich die FPÖ nach wie vor als ein Kreis von Männern und Meinungen dar, denen zur Glaubwürdigkeit; eines fehlt: die Geradlinigkeit; denen man so ziemlich alles zutraut.
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