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Dem Alter einen Sinn geben!

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Die Frage der Lebensqualität älterer Menschen ist weltweit zu einem dringenden Problem geworden. Genauso wie in Österreich wird in allen übrigen Ländern bis zum Jahr 2000 der Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung rapide ansteigen. Deshalb hat die UNO das Jahr 1982 zum Weltjahr des Alterns erklärt.

Heuer werden sich Experten aus aller Herren Länder speziell mit den Problemen und Bedürfnissen unserer älteren Mitbürger befassen. Eine erste Grundlage dazu ist die Studie über die ideologisch-kulturelle Integration älterer Menschen, die das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) vor kurzem veröffentlicht hat.

IFES-Mitarbeiter befragten 663 Personen über 60 Jahre aus dem Arbeiter-, Angestellten- und Akademikermilieu über ihre Lebensumstände. Obwohl 35 Prozent der Interviewten mit ihrem derzeitigen Leben sehr zufrieden waren und nur 14 Prozent überhaupt nicht, muß das Ergebnis dieser Studie allen gesellschaftlichen Funktionsträgern zu denken geben.

Wunde Punkte im Senioren-Dasein sind die zunehmende Auflösung der Mehrgenerationenfamilie vor allem in Ballungszentren, die wachsende Bedeutung von Freunden und Bekannten für ältere Menschen, die Gefahr der sozialen Vereinsamung, aber auch der relativ geringe Stellenwert kirchlicher Institutionen.

Daß von Vereinsamung, Armut und körperlichen Leiden besonders Rentner und Pensionisten betroffen sind, deren Einkommen unter 5000 Schilling pro Monat liegt, leuchtet ein. Bemerkenswert ist hingegen die kritische Distanz der heute 60- bis 70jährigen zu Kirche, Fürsorge und Sozialdiensten, aber auch zu den politischen Parteien.

Daß viele Menschen aus der Vorkriegszeit noch Konflikte zwischen Kirche und Staat „mit in die Pension genommen haben", sehen die Meinungsforscher als einen der Gründe dafür an. Wenn sich immerhin noch 33 Prozent der

Befragten als praktizierende oder tiefgläubig Religiöse bezeichnen, so entspricht diese Haltung der Ansicht, Religion sei Privatsache.

Immerhin hat „die Kirche" bei älteren Menschen noch ein besseres Ansehen als politische Parteien. Von den 32 Prozent der österreichischen Senioren, die regelmäßig die Sonntagsmesse besuchen, sind die meisten noch körperlich recht agil; viele der Beninderten, Armen und Einsamen würden zwar gerne mehr kirchliche Kommunikation in Anspruch nehmen, sie sind aber persönlich dazu nicht in der Lage.

Wenn für die meisten älteren Menschen die Kirche im Alter nur um rund fünf Prozent mehr Bedeutung hat als in ihrer Aktivzeit, so entspricht das nicht den Erwartungen der IFES-Mitarbeiter. Dies umso mehr, als die befragten Senioren für dieses Abrücken von religiösen Institutionen keine überzeugende Begründung anführen können.

Viel wichtiger für das soziale Wohlbefinden ist älteren Menschen die Bindung zu eigenen Kindern und zu gleichaltrigen Freunden und Bekannten. Wenn auch auf dem Land immer noch fast die Hälfte aller Betagten mit ihren Kindern zusammenlebt, so besteht doch in ganz Österreich — also auch in den Großstädten -sehr stark die Tendenz, wenigstens in der Nähe eines eigenen Kindes zu wohnen.

Die soziale Vereinsamung schreitet vor allem bei jenen Senioren rapide fort, deren Freunde und Kollegen aus früheren Zeiten entweder sterben oder fortziehen. Auch hier macht sich der Einkommensunterschied sehr stark bemerkbar: Arme vereinsamen rascher als Gutsituierte.

Diese gründliche IFES-Studie verdient nicht nur die Aufmerksamkeit öffentlicher Stellen, sie sollte auch kirchlichen Institutionen Anregungen geben, ihr Engagement für die älteren Mitbürger kritisch zu überprüfen.

Obwohl bekanntlich IFES der Regierungspartei nahesteht, zeichnet sich diese Untersuchung durch große Sachlichkeit aus. Erstmals wurde hier versucht, möglichst alle gesellschaftspolitisch wichtigen Fragen grundlegend herauszuarbeiten. Auch die Ergebnisse dieser Befragung über die materiellen Bedürfnisse der Senioren, über ihr gesellschaftliches Interesse und über ihre Wünsche nach mehr Mitsprache in der Öffentlichkeit werden genauso leidenschaftslos präsentiert.

Leider besteht auch heuer die Gefahr, daß dieses UNO-Jahr über das Altern das Schicksal seiner Vorgänger erleidet. Wohl wird Mitte August zu diesem Thema eine UNO-Weltkonferenz in Wien stattfinden, konkrete Planungen dafür existieren aber im Sozial-, Gesundheits- und Innenministerium noch nicht.

Weil das Problem der Lebensqualität im Altern auch für uns heute noch Aktive von großer Bedeutung ist, sollten nicht nur kirchliche Stellen ihr Verhältnis zu den Senioren überprüfen, sondern alle öffentlichen Institutionen.

Schließlich wollen ja auch wir einmal als Senioren ein sinnerfülltes, menschenwürdiges Dasein genießen.

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