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Dem Geheimnis ewiger Jugend auf der Spur?

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Altern bleibt niemandem erspart, es sei denn durch einen — sicherlich kaum wünschenswerten - frühen Tod. Bleibt dieser Satz gültig oder gibt es vielleicht in nicht allzuferner Zukunft das Zauberelixier ewiger Jugend in der Apotheke zu kaufen? Ein bemerkenswertes Forschungsprojekt österreichischer und israelischer Wissenschafter zeigt neben ungeheuren Fortschritten auf diesem Gebiet auch Grenzen auf.

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Altern bleibt niemandem erspart, es sei denn durch einen — sicherlich kaum wünschenswerten - frühen Tod. Bleibt dieser Satz gültig oder gibt es vielleicht in nicht allzuferner Zukunft das Zauberelixier ewiger Jugend in der Apotheke zu kaufen? Ein bemerkenswertes Forschungsprojekt österreichischer und israelischer Wissenschafter zeigt neben ungeheuren Fortschritten auf diesem Gebiet auch Grenzen auf.

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„Unter Altern versteht man einen zeitabhängigen Prozeß, wodurch sich der Organismus an die Gegebenheiten der Umwelt nicht mehr so leicht anpassen kann wie in der Jugend. Durch die steigende Lebenserwartung wird das Problem des Alterns in zunehmendem Maße zu einem der wichtigsten sozio-ökonomi-schen und biomedizinischen Anliegen der Gesellschaft.“

So sieht Univ.-Prof. Georg Wiek vom Institut für allgemeine und experimentelle Pathologie der Universität Innsbruck, der von österreichischer Seite das vorläufig auf zwei Jahre angesetzte Forschungsprojekt „Immunologie im Alter - Immungerontologie“ betreut, ganz allgemein das Altern. Wie ihm stehen auch seinen beiden Partnern in Israel bei diesem internationalen Forschungsvorhaben, den Professoren Feldmann und Globerson vom Weizmann-Insti-tut in Rehovot, bestens qualifizierte Arbeitsgruppen zur Seite.

Grundsätzlich entstehen - so Wiek - im menschlichen Körper laufend Tumorzellen, die aber in der Regel ausgeschieden werden. Das heißt, das „Immunsystem“ funktioniert, und der Körper setzt sich gegen ihm nicht zuträgliche Stoffe rechtzeitig zur Wehr, ist immun gegen sie. Mit fortschreitendem Alter nimmt nun die Reaktionsfähigkeit des Körpers ab, die Abwehrmechanismen gegenüber Krankheitserregern funktionieren nicht mehr so gut. Warum?

Die Wissenschafter wissen heute, daß die wichtigste Voraussetzung zur Bekämpfung von Krankheiten das Vermögen des menschlichen Körpers ist, körpereigene von körperfremden Stoffen zu unterscheiden, worauf gegen letztere der Abwehrkampf aufgenommen werden kann. Gerade dieses Unterscheidungsvermögen aber läßt im Alter nach, was katastrophale Folgen haben kann.

So kommt es nicht nur vor, daß der Kampf gegen körperfremde Substanzen einfach unterlassen wird (und Krankheitserreger sich ausbreiten oder Krebszellen wild wuchern können), sondern es kommt mitunter sogar zu selbstzerstörerischen Angriffen auf eigene Organe, weil diese vom nicht mehr unterscheidungsfähigen Immunsystem fälschlich als körperfremde Stoffe eingestuft werden. Diese gar nicht so seltenen „Selbstangriffskrankheiten“ oder „Autoimmunerkrankungen“ können praktisch alle Organe des Körpers betreffen. In den USA ist beispielsweise die Autoimmunerkrankung der Schilddrüse häufiger als der Schilddrüsenkrebs.

Als hervorragendes Forschungsobjekt dient den Innsbrucker Wissenschaftern übrigens der einzige Hühnerstamm der Welt, der von sich aus eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse entwickelt hat. Das Krankheitsbild entspricht durchaus jenem beim Menschen.

Gibt es nun eine Möglichkeit, den Prozeß des Alterns zu bremsen oder gar zu stoppen? Wie kann das Immunsystem seine Fähigkeit, körperfremde von körpereigenen Stoffen zu unterscheiden, behalten?

Die Mediziner glauben, bereits einen Weg gefunden zu haben. Die immunologische Kontrollfunktion wird nach letzten Erkenntnissen vor allem durch bestimmte weiße Blutkörperchen bewerkstelligt, die aus der Thymusdrüse (oder Bries) stammen.

Diese weißen Blutkörperchen lassen sich von Tieren oder nicht lebensfähigen menschlichen Frühgeburten entnehmen und in Gewebekulturen weiterzüchten. Die im Rahmen des Projektes untersuchte Frage lautet: Können Transplantationen dieser weißen Blutkörperchen Mängel des Immunsystems beheben?

Daneben soll versuchsweise ein ebenfalls von der Thymusdrüse produziertes Hormon verabreicht werden, das am Weizmann-Institut bereits künstlich hergestellt werden kann. Sonst wird dieses Hormon nur in den USA und in Frankreich hergestellt, in Frankreich - so Prof. Wiek -in der derzeit besten Qualität.

Sieht Prof. Wiek auf diesem Weg durchaus Möglichkeiten, Menschen zu „verjüngen“, einem alten Körper ein jugendliches Immunsystem einzupflanzen, warnt er doch gleichzeitig vor der Illusion, der Mensch werde dadurch unsterblich: „Selbst wenn man alle Krankheiten aus-schaltepi kann, ist der Mensch nur auf maximal etwa 130 Jahre programmiert.“

Nicht nur die Themenwahl, auch der organisatorische Hintergrund dieser österreichisch-israelischen Kooperation verdient Interesse. Die Kontakte wurden über die österreichische Gesellschaft der Freunde des Weizmann-Institutes hergestellt. Der hervorragende Name dieser Forschungseinrichtung in Rehovot garantiert eine wissenschaftliche Arbeit auf höchstem Niveau.

Neben dem Projekt zur „Immungerontologie“ laufen noch Untersuchungen von Univ.-Prof. Hans Gru-nicke (Universität Innsbruck) und Univ.-Prof. Y. Yagil (Weizmann-Institut) zur Frage, wo Krebsbekämpfungsmittel (Cytostatika) zellulär wirksam werden, und von Univ.-Doz. Walter Knapp (Universität Wien) und Prof. N. Trainin (Weizmann-Institut) über Regulationsmechanismen des Immunsystems an.

Wichtigste österreichische Geldgeber sind die Nationalbank und vor allem der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der für die drei Projekte in den kommenden beiden Jahren 2,1 Millionen Schilling bereitstellt. Das Signal, das der Fonds mit dieser erstmaligen Förderung eines größeren, nicht rein österreichischen Vorhabens setzt, verdient Anerkennung. Fonds-Präsident Univ.-Prof. Hans Tuppy und Fonds-Generalsekretär Raoul

Kneucker erhoffen sich vom neuen Forschungsorganisationsgesetz für weitere solche Aktivitäten eine breitere gesetzliche Basis.

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