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Dem Land den Rücken gekehrt

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Der gemeinsame Staat der Moslems, Serben und Kroaten in Bosnien und Herzegowina hatte nie Lebenschancen, nachdem das größere Projekt Jugoslawien als multikultureller und multinationaler Staat gescheitert war. Die Weltöffentlichkeit beginnt diese traurige Tatsache einzusehen und man spricht von einem serbischen Sieg. Aber das ist ein Irrtum.

Auf dem Territorium Bosniens und Kroatiens haben sich zwar zwei serbische Gebiete als Staaten proklamiert. Sie können sich jedoch nicht mit dem Mutterland vereinigen. Und selbst wenn das möglich wäre, besitzen sie doch weder Industrie noch genug fruchtbaren Boden — sie müssen vom verelendeten Serbien ernährt werden.

Dafür liegt die Wirtschaft Serbiens in Trümmern. Bis zu 70 Prozent der Produktion steht still, 45 Prozent der bisher erwerbstätigen Bevölkerung ist arbeitslos. Die Industrie, die mit der europäischen, meist deutschen, verbunden war, hat ihre Partner verloren. Es lohnt sich nicht mehr, Landwirtschaft zu betreiben. Die Inflation betrug im Oktober 3.000 Prozent monatlich, wuchs im November auf über 5.000 Prozent an. Das Durchschnittseinkommen ist auf unter 100 Schilling im Monat gefallen, die Nahrungsmittelpreise liegen teils über den österreichischen.

Transport und Verkehr, Ge-sundheits- und Schulwesen sind zusammengebrochen. Man kann sich nur operieren lassen, wenn man chirurgischen Faden, Medikamente, Bettwäsche und Nahrung mitbringt. In den Städten sind Raubmord und Waffengebrauch zum Alltag geworden. Die Selbstmordrate nimmt von Tag zu Tag zu.

Hunderttausende junge Intellektuelle und Facharbeiter haben das Land verlassen. Die Besten werden im Ausland Fuß fassen und nie wiederkehren. Diesen Aderlaß kann die Nation kaum überleben. Das gute Image Serbiens und der Serben in der Weltöffentlichkeit ist für lanice Zeit, verloren.

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