6919672-1981_40_07.jpg
Digital In Arbeit

Demokratie mit Anfuhrungszeichen

Werbung
Werbung
Werbung

Südafrika ist im letzten Jahrzehnt ein wirtschaftlich weitgehend unabhängiges Land geworden. Das Damoklesschwert des drohenden Wirtschaftsboykotts hat dazu geführt, daß das Land am „Southern Point" von Afrika in fast allen Sparten autark ist. Dazu kommt, daß Südafrika eine Reihe von Trümpfen in der Hand hält:

• Wie kein anderes Land am afrikanischen Kontinent hat es eine im wahrsten Sinne des Wor-

tes blühende Landwirtschaft. Das gilt vor allem für die Nahrungsmittelproduktion, aber auch für die Viehzucht. Südafrika ist auf diesem Gebiet allerdings nicht nur Selbstversorger, sondern einer der ganz großen Exporteure.

Und bereits hier stößt man auf ein besonderes Beispiel für die Verlogenheit in der Welt: Einerseits wird verbal bei jeder Gelegenheit der totale Boykott Südafrikas gefordert. Andererseits beziehen mehr als 40 schwarzafrikanische Staaten Nahrungsmittel direkt vom Boykottland.

9 Wie nur wenige Länder auf der ganzen Erde ist Südafrika überreich mit Bodenschätzen gesegnet. Um nur drei Beispiele zu nennen: Gold, Uran, Kohle. Die Kohle deckt einen großen Teil der Elektrizitätsversorgung und wird außerdem zur Erzeugung von synthetischem Benzin verwendet.

Was die Förderung von Uran und Gold betrifft, so hört man in diesem Zusammenhang von südafrikanischen Politikern immer wieder das Argument: „Der Westen muß sich auch klar werden.

was wir ihm wert sind. Solange wir ein freies westliches Land sind, können die Russen weder den Goldpreis bestimmen, noch am Uran-Gängelband ziehen."

• Damit sind wir auch schon beim dritten Trumpf der Südafrikaner, den sie gegenüber dem Westen ausspielen. Es ist die strategische Position.

Was immer sich än Schiffen größeren Kalibers zwischen dem Atlantik und dem Indischen Ozean bewegt, es kommt — nachdem der Suezkanal z. B. für große Tanker nicht tief genug ist — am Kap der guten Hoffnung nicht vorüber. Das aber bedeutet, daß dem südlichen Zipfel Afrikas in internationalen Krisenzeiten auch die Funktion eines interessanten „Horchpostens" und eines „Versorgungsplatzes" zukommt.

Wer in diesen Wochen Südafrika besucht, der merkt, daß in diesem Land eine Umbruch- und Aufbruchstimmung herrscht.

Wirtschaftlich ist sich das Land seiner Stärke bewußt. Und was das wirtschaftliche Engagement betrifft, ist Südafrika - trotz relativ hoher Steuern und einer sehr schwerfälligen Bürokratie - ein Land fast unbegrenzter Möglichkeiten.

Im politischen Bereich ist es freilich ein Land sehr begrenzter Möglichkeiten, oder wie ein Diplomat meinte: „Wir sind eine Demokratie mit Anführungszeichen." Um das zu erläutern, muß man wohl kurz die Machtpyramide skizzieren.

Da ist einmal die breite Basis der rund 18 Millionen Schwarzen. Sie haben so gut wie kein Mitspracherecht im Staat, ja nicht einmal im kommunalen Bereich (Ausnahme: Soweto), außer sie leben in einem der schwarzen „Homelands" oder wie sie neuerdings genannt werden: „Nationalstaaten."

Auf der nächsten Ebene sitzen die rund drei Millionen Inder und Farbigen. Sie sind vor allem eine tragende Säule im südafrikanischen Handel (indische Domäne) und in der Verwaltung (hier sind es vor allem die Farbigen, die mittlerweile unersetzlich geworden sind). Für diese Bevölkerungsgruppe könnte sich schon in nächster Zeit das Tor zur Mitgestaltung und Mitverantwortung im Staat öffnen.

Uber dieser Bevölkerungsgruppe kommen schließlich die vier Millionen Weißen. Aus ihnen rekrutiert sich die wirtschaftliche und politische Macht in Südafrika. Sie stellen die Industriemanager, die Abgeordneten, die herrschende Klasse. Allerdings, auch ‘ bei dieser Bevölkerungsschicht kann man noch eine weitere Schichtung entdecken:

Die Regierung wird nämlich derzeit hauptsächlich von den Buren, die Opposition von den englischstämmigen Südafrikanern gestellt.

An der Spitze schließlich steht der Premierminister P. W. Botha. Ein zweifellos interessanter Mann, mit einem der unmöglichsten Jobs, die es derzeit in der Welt gibt. Das Dilemma, in dem Botha steckt, charakterisierte ein Oppositionsabgeordneter: „Tut er nichts, dann ruiniert er das Land. Tut er etwas, dann ruiniert er die Partei." Seihe Partei ist die National Party, traditionell steht sie unter überwiegendem Einfluß der konservativen Buren. Aber auch in der Nationalpartei rührt sich etwas.

Es geht dabei immer wieder um eines: Wie lange kann sich ein ausschließlich weißes Regime im schwarzen Afrika halten? Was soll werden?

Der von Ministerpräsident Botha eingesetzte „Präsidenten-Rat" quält sich derzeit mit diesen Fragen ab. Er hat zwar die Inder und Farbigen in die Diskussion und in alle sonstigen Überlegungen eingebunden. Die Schwarzen stehen allerdings auch hier noch abseits.

In einem weiteren Schritt soll dann eine Staatsreform gefunden werden, die ein Regierungssystem schafft, das das weiße Südafrika und die schwarzen südafrikanischen Nationalstaaten umfaßt und einbindet. Die Regierung in Pretoria verfolgt dabei offenbar folgendes Denkmodell: Man trennt in schwarze und weiße Gebiete. Die schwarze Bevölkerung wird ihren jeweiligen „Homelands" zugeteilt. Diese .homelands" treten mit dem Mutterland in eine Kooperation ein.

Ob diese nach dem Vorbild der Schweiz. Brasiliens oder gar der Europäischen Gemeinschaft einmal funktionieren soll, darüber gibt es derzeit viele Diskussionen. Nur, dieses Denkmodell hat einen Fehler: Es übersieht, daß es Schwarze nicht nur in den Nationalstaaten, sondern auch im übrigen Südafrika gibt, nämlich die sogenannten ..Black Urbans", die Stadtschwarzen. Sie kann man nicht einfach der Transkei, dem Natal oder dem Zululand zuordnen.

Das Finden eines evolutionären Weges sollte in Südafrika jedoch allein deshalb möglich sein, weil es unter den Weißen wie unter den Schwarzen wirklich politische Menschen gibt, denen man die Zukunft getrost anvertrauen kann.

Das. was den evolutionären Prozeß so schwierig macht, ist sicher auch das schwarzafrikanische Umfeld. Denn eines hört man in Südafrika immer wieder: „Bei uns verlangt man das „One Man -One Vote-System" (..Ein Mensch

— eine Stimme"), in Schwarzafrika aber gilt ..One Man - One Vote

- Once" (..Ein Mensch - eine Stimme - und das nur einmal")."

Tatsächlich sind die wirklich demokratischen Staaten in Schwarzafrika an den Fingern einer Hand abzuzählen.. Tatsächlich gibt es leider einige Staaten, wo man einmal demokratisch gewählt hat. um dann gleich den Parteienpluralismus wieder abzuschaffen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung