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Demokratiebürokratie

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Die ÖVP-Bundesparteileitung hat ,ein Modell zur Durchführung von Vorwahlen beschlossen. Mit diesem Vorwahlregulativ führt die Volkspartei als erste Partei gesamtösterreichische Vorwahlen durch. Diese Vorwahlen sollen am Wochenende zum 24. und 25. Mai 1975 bundesweit abgehalten werden.

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Die ÖVP-Bundesparteileitung hat ,ein Modell zur Durchführung von Vorwahlen beschlossen. Mit diesem Vorwahlregulativ führt die Volkspartei als erste Partei gesamtösterreichische Vorwahlen durch. Diese Vorwahlen sollen am Wochenende zum 24. und 25. Mai 1975 bundesweit abgehalten werden.

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Nimmt man alle Wahlgänge zusammen, die heuer —- zumindestens region enweise — stattfinden, so kommt man auf elf. Es sind dies Gemeinderatswahlen, Landtagswahlen, Nationalnatswahlen, aber auch Wahlen für die Handelskammer im Frühjahr. ÖVP-Mitglieder und Sympathisanten werden Gelegenheit haben, ihr Demokratieverständnis ein weiteres Mal unter Beweis zu stellen: eben bei diesen Vorwahlen.

Im klassischen Bundesland der Demokratie, im Ländle jenseits des Arlbergs, gab es zuletzt einen Probegalopp für Vorwahlen, der allerdings die zuständigen Wahlmanager zumindestens nachdenklich stimmen dürfte. Derm die Beteiligung an diesem Kandidaten-Aus- wahlverfahren für die dortigen Ge- meinderats wählen war zum Teil mehr als trist So wird aus der Landeshauptstadt Bregenz gemeldet, daß 10 Prozent der Parteimitglieder am Vorwahlverfahren teilgenommen haben, in Feldkirch waren es 26 Prozent. Stellt man nun in Rechnung, daß die ÖVP ja — im Gegensatz zur SPÖ — nicht den strengen Charakter einer Kaderpar- tei hat, so ist zu befürchten, daß wirklich nur ein kleiner Teil der wahlberechtigten Bevölkerung Interesse an der Vorwahl zeigen wird — und das, obgleich es um Mandatare des lokalen Bereiches geht.

Ziel der von der ÖVP für die NationalratswaWl abgehaltenen Vor wahlen ist es, den Parteimitgliedern und sonstigen Stimmberechtigten die Möglichkeit zu geben, an der Aufstellung des gesamten Kreiswahl- Vorschlages mitzuwirken. Das Regulativ sieht vor, daß ein „Landesvorwahlstimmzettel“ zu entwerfen ist Doch kann auch (nachdem in Ausführung des Vorwahlregulativs Lan- des-Vorwahlordnungen beschlossen wurden) eine andere Vorgangs- weise gewählt werden.

Sehr kompliziert. Der Aufblähung der innerparteilichen Bürokratie sind keine Grenzen gesetzt.

Was geschieht nun, wenn die Vorwahlen abgeschlossen sind? „Die Landesparteileitungen und Landesparteivarstände der ÖVP verpflichten sich, auf den durch die Vorwahl zum Ausdruck gekommenen Willen der Parteimitglieder und Wähler bei der Aufstellung und Reihung der Kreis Wahlvorschläge Bedacht zu nehmen“, heißt es in der diesbezüglichen Bestimmung des Vorwahlregulativs. Kein Parteigremium ist also wirklich an die Wünsche derer gebunden, die an den Vorwahlen teilgenommen haben. Allerdings ist vorgesehen, daß die Ergebnisse des Vorwahlverfahrens veröffentlicht werden, so daß eine gewisse Ver- gleichsmöglichkeit zwischen dem Vorwählerentscheid und der dann tatsächlich fertigen Liste der Kandidaten gegeben ist.

Wie verlautet, ist die Freude und damit die Intensität der Vorberei tungen auf das nahende Vorwahl- Wochenende in den einzelnen Landes- und Bezirksorganisationen der Valkspartei unterschiedlich. Denn der Kampf um gute Listenplätze war schon bisher sehr hitzig. Es darf ja nicht vergessen wenden, daß jeder der drei Bünde, aber auch die anderen Teilorganisationen der Partei versuchen, möglichst ihre Spitzenfunktionäre auf die vordersten Plätze zu hieven. Dazu kommt, daß im Organisationsstaitus der ÖVP die Möglichkeit vorgesehen ist, einen besonders prominenten Politiker mit Zweidrittelmehrheit des zuständigen Parteigremiums wieder auf die Kandidatenliste (natürlich auf einen sicheren Platz) zu setzen, auch wenn er schon drei Funktionsperfoden im NatianaJirat hinter sich hat: beispielsweise würde dies in Niederösterreich auf Herrmann Withalm oder Georg Prader zutreffen. So hat auch die „Junge ÖVP’ ihre Personal-Wünsche angemeldeC Ihr Obmann Höchfil soll in den Nationalrat gedrückt werden.

Einer der Hauptzwecke des Vor wahlverfahrens soll es freilich sein, die Riege der Mandatare zu verjüngen. Sieht man sich nun zum Beispiel die Situation in Wien an, so kann man sich vorstellen, daß hier kein besonderer Enthusiasmus über die Vorwahl herrscht. Denn anläßlich der Wahlgänge 1970 und 1971 hat eine kräftige Blutsauffrischung in den Reihen der ÖVP- Abgeordneten stattgefunden. Man denke nur an den Gesundheitsexperten der Partei, Wiesinger, oder an Marga Hubinek,

Und schließlich ist es so, daß auf Grund des Volkszählungsergebnisses von 1971 vermutlich drei Mandate aus Wien abwandem.

Die Kandidatenaufstellung der ÖVP wird sicher nicht nur auf Grund des Ergebnisses der Vorwahlen stattfinden. Die Vorwahlergebnisse sind nur einer von mehreren Gesichtspunkten, nach denen vorgegangen wird. Es ist nur die Frage, ob die Parteimitglieder sehr großes Verständnis für diesen Riesenaufwand aufbringen werden.

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