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Demolierer von Österreichs Sicherheit?

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Eis geschieht nicht zum erstenmal, seit über Bundesheer und Landesverteidigung diskutiert wird, wenn festgestellt wird, daß so etwas in einer offenen Gesellschaft in einem demokratischen Staat nur gut und richtig ist. Ebenso aber ist um der Redlichkeit willen zu sagen, daß man allzuoft die geborene Sachlichkeit und Gewichtigkeit der Argumente vermissen muß.

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Eis geschieht nicht zum erstenmal, seit über Bundesheer und Landesverteidigung diskutiert wird, wenn festgestellt wird, daß so etwas in einer offenen Gesellschaft in einem demokratischen Staat nur gut und richtig ist. Ebenso aber ist um der Redlichkeit willen zu sagen, daß man allzuoft die geborene Sachlichkeit und Gewichtigkeit der Argumente vermissen muß.

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Wir verlangen heute mir Recht auch von den sogenannten etablierten Autoritäten, Universitätslehrern, Politikern, Militärs und Wirtschafts- führem immer wieder sowohl ihre Bereitschaft zur Selbstkritik als auch zur Kritikannahme durch andere. Dies muß auch für den Meinungsbild- ner, den Publizisten gelten. Gerade zum Thema Landesverteidigung, das nun einmal zu den unmittelbaren Existenzfragen eines Staates zählt, können weder kabarettistische Mätzchen noch eine als Kritik verpackte Demolierungsabsicht sinnvolle Diskussionsbeiträge sein. Es sind nicht nur österreichische Stimmen, die in Beobachtung der gegenwärtigen Diskussion unmißverständlich zum Ausdruck brachten, daß einem dabei unheimlich werden kann.

„Feigheit vor dem Freund“

Stellen wir uns daher die Frage: Haben wir es nach 25 Jahren Bestand unserer Republik wirklich notwendig, uns vom Ausland sagen lassen zu müssen, daß in der Landesverteidigungsdebatte bedenkliche Symptome hinsichtlich des Selbstbehauptungswillens und der Selbstbehauptungsbereitschaft der Österreicher zutage getreten sind?

Vor allem aus der benachbarten neutralen Schweiz waren, immer wieder solche Stimmen zu hören und es ist nun einmal unleugbar, daß das

Mißtrauen des Auslandes weiter wächst und schließlich auch Festigkeit und Glaubwürdigkeit der österreichischen Neutralität und der Unabhängigkeit unseres Staates in Zweifel ziehen muß.

Man fragt sich aber auch in verantwortungsbewußten Kreisen in Österreich selbst, warum nicht, losgelöst von Parteienstandpunkten, sozusagen im nationalen Interesse, dem Österreicher klipp und klar gesagt wird, daß schließlich und endlich mit dem Ja zu Aufbau eines funktionstüchtigen Heeres auch eine sehr entscheidende internationale Verpflichtung zu erfüllen ist. Die „Feigheit vor dem Freund“, dem Landsmann, dem Mitbürger, dem Wähler, könnte gerade in diesem imlösbaren Zusammenhang uns allen einmal schwer auf den Kopf fallen. Was heute Wählerstimmenkalkulation ist, was heute unkritisches Nachgeben gegenüber der Flut von Neuideologien ist, könnte schon morgen sich als ein irreparabler Fehler gegen die Interessen des Bundesvolkes heraussteilen.

Zumal die junge Generation müßte für diese politischen Fehlkalkulationen, aber auch für den mangeln den Willen, sich mit ideologischen Schlagwortfabrizierern von der Art eines Wilfried Daim, für den Militär einfach zu den „repressiven Apparaten“ zählt, auseinanderzusetzen, schwerstens büßen.

Unser neutraler Staat ist noch jung, sehr jung sogar. Und so ist es keine Schande, nicht nur aus der eigenen Tradition Erfahrungen zu beziehen. Am Beispiel Schweiz oder Schweden könnte man ablesen, wie sehr dort im Bewußtsein breitester Volksschichten kein Zweifel darüber besteht, daß die „ersparten“ Kriege auch und in erster Linie jeweils den eigenen militärischen Anstrengungen zu verdanken sind.

Wenn man weiß, daß in den modernen Kriegen mehr und mehr nicht nur der Soldat an seinem Leben bedroht ist, sondern lawinenartig wachsend die Zivilbevölkerung, dann gewinnt eine solche Friedenssicherung, die durch den eigenen Abwehrwillen und die eigenen Verteidigungsleistungen auch von kleinen Staaten nachweislich erzielt werden können, ihre überragende humane Bedeutung.

David und Goliath

Eine Studie der Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft zur Reform des Bundesheeres stellte jüngst im Vergleich mit Bevölkerungszahl und Bruttonat ionalprodukt fest, daß der Österreicher für die Sicherung seines Daseins nur die Hälfte dessen aufwende, wessen er fähig sei. (Schweiz: S 2000.—, Schweden: S 3800.—, Belgien: S 1900.—, Österreich: S 570.—.) Natürlich gibt es ein ganzes Paket von notwendigen Reformen, gibt es einen Katalog von Illusionen, Unterlassungen und politischen Fehlern im ersten Bauabschnitt unseres Bundesheeres seit 1955. Jetzt freilich aber scheint es in erster Linie höchste Zeit zu sein, daß Österreich Farbe bekenne, wieviel ihm die eigene Sicherheit wert ist und wie entschlossen es darangeht, die nun einmal notwendigen finanziellen Konsequenzen zu ziehen. Sehr richtig wurde jüngst betont, daß gerade dem Neutralen bis zuletzt die Abrüstung versagt ist, da sich seine Nachbarn mit gutem Recht auf seine Unversehrtheit verlassen können müssen. Verteidigungsanstrengungen sind, so gesehen, nicht Ausdruck eines nationalen Eigenstolzes, sondern schließlich auch Verpflichtung gerade hinsichtlich der Reduzierung internationaler Spannungen. Wenn ein sozialistischer Abgeordneter einmal erwähnte, daß man möglichst viele internationale Organisationen nach Österreich holen sollte, dann hat dies viel Richtiges an sich. Diese Organisationen werden aber um sc lieber ihren Sitz im neutralen Österreich nehmen, wenn dessen Neutralität auch ernstlich gesichert ist.

Generalmajor Emil Spannocchi kann kaum widersprochen werden, wenn er fordert: Wir haben entweder den konsequenten Entschluß zu fassen, es besser zu itiach&n oder

Schriftsteller Herbert Eisenreich äußerte, sollten nicht in den Wind gesprochen sein, sie zeugen von einem gesunden, modernen und nüchternen intellektuellen Denken gegenüber der Verteidigungsidee. Die Gegenwartsgeschichte erweist es heute mehrfach, daß „Davide“ auch „Goliathen“ gegenüber sehr gut bestehen können, haben sie nur zugleich mit der rechten Wehrpolitik auch das richtige Wehrkonzept.

Österreich ist nicht mehr der „Staat wider Wülen“ wie damals, vor 1938, als noch der Schock der Zertrümmerung des großen Reiches und die materielle Not alles lähmte. Seine wehrpolitischen Anstrengungen brauchen heute nicht in einen allgemeinen Defätismus hinein unternommen zu werden, sie treffen heute, ab-, gesehen von lautstark manipulierenden und agitierenden Minderheiten nach offenkundig ausländischem Klischee, auf ein selbstbewußtes Bunclesvolk, dem bisher allerdings durch die halben und Scheinmaßnahmen die Landesverteidigung noch nicht recht sinnvoll erscheint.

Noch ist sicherlich für die Mehrheit der Österreicher die Überzeugung von der Chancenlosigkeit unseres

Bundesheeres im Einsatzfall gegeben Hier muß zunächst die schon geforderte materielle Vorbedingung in: Lot gebracht werden. Das Bundesheer wurde einmal angesichts de: längst überholten Einrichtungen, die es bei seiner Gründung erhielt, al: größter „Ruinenbesitzer" bezeichnet Dies ist eine schwere Hypothek voi Anfang an. Warum haben sich angesichts dieser „Untemehmensfrage’ die Politiker aller Parteien nich längst entschlossen, etwa einen ein maligen entscheidenden Investitionsvorstoß zu machen? Warum harmonisiert man im Hinblick auf die schoi erwähnten Vergleichsziffem nod immer nicht das Wehrbudget naci absolut nachahmenswerten Vor bildern?

Das Heer in der Demokratie

Doch ist dies nur die eine Seite de: Problems. Genauso wichtig wäre es daß man Heer und Gesellschaft mit einander voll integriert. Es ist Got sei Dank in Österreich nicht so, dal eine Militärs- und Offizierskaste dei Zivilisten gegenübersteht. Das Hee ist eine von unserer Demokratie ge schaffene und kontrollierte Einrich tung, es ist ein Teil des Volkes mi besonderen Aufgaben für das Volle

Diese Tatsache aber lebt noch nich im Bewußtsein der Staatsbürger Skepsis und Einschätzung unter den Wert ist gegenüber dem Bundeshee genug repräsentiert; solches mul seine Verantwortungsträger ehe zermürben als stimulieren, führt abe sicherlich systematisch zu eine zwangsläufigen Negativauslese fü die Kader. Politiker und Massen Kontroll- und Kritikfunktion in dieser Richtung ihre große staatspolitische Rolle zu spielen und einen Bewußtseinswandel herbeizuführen.

Von einem Heer, das von der Gesellschaft nicht de facto ignoriert, isoliert oder gar permanent ironisiert wird, wäre mit Sicherheit zu erwarten, daß es auch das Führungsproblem auf allen Ebenen von Vorgesetzten viel leichter lösen kann. Der „unerleuchtete Eifer“ oder manche primitiv-scharfmacherische Tour von Aus- bildnem, jetzt Ziel mancher ebenso „unerleuchteter Agitation“ gegen das Heer an und für sich und vorgeblicher Beweis dafür, daß Militär und Demokratie, soldatische Ausbildung und persönliche Freiheit nicht vereinbar seien („Das Klosett ist in militärischen Bereich das letzte Refugium der Freiheit —Wilfriec Daim), wäre dadurch rasch und weitgehendst auszumerzen. Gerade die Persönlichkeit des Berufssoldater bedarf der Unterstützung, Stärkung und positiven Korrektur durch die Öffentlichkeit statt ständiger Verunsicherung.

Wir können nicht wissen, weichet Belastungsproben und Krisen vor außen oder von innen Österreich morgen ausgesetzt sein wird. Neue politische Radikalismen mit eindeu tig totalitären Zügen, Gewaltanwen düng zur Unterdrückung politische Freiheit ist da wie dort leider wiede: an der Tagesordnung.

Noch ist die Grundmacht des Le bens, die Aggression“, wie niemanc anderer als Alexander Mitscherlici sagt, nicht überwunden. „Der Fried’ muß bewaffnet sein, solange di Kräfte der alten Welt ihn bedrohen. Solches stand nicht etwa in einer traditionalistischen militärische: Fachblatt des Westens, sondern ii der Ost-Berliner Zeitung „Neue Deutschland“, am 17. Oktober 197( anläßlich der Manöver-,,Waffenbrü derschaft“.

In einer solchen Wirklichkeit ge winnt das Sicherheitsverlangen i unserem freiheitlichen, demokrati sehen, neutralen Österreich sein eigene Schwerkraft. Die Demoliere des Selbstbehauptungswillens müs sen aber in einem fragwürdige Zwielicht . erscheinen. Es ist nid einzusehen, daß der moralische Impe tus zu Friedensforschung und Frie denserziehung dadurch ramponier oder gar in Frage gestellt sein soll.

Bestmögliche Ausbildung

Auch kann, nüchtern geseher durch nichts erwiesen sein, daß jed Art von Verteidigung auf einem „ge wissen Patriotismus“ beruhe, der ein potentielle Bedrohung des Abbaue internationaler Spannungen sowie de inneren Demokratie sei. Gerade ei gewisser Patriotismus war es, der i der jüngsten Vergangenheit östei reichs gegen einen wirklich un menschlichen Faschismus angetrete ist.

Die Ziele unseres Verteidigungswil lens und unserer Verteidigungskrai aber sollten klargelegt werden: De bestmögliche Ausbildungs- und Ein satzwert unseres Bundesheeres, da mit jegliche Bedrohung, jede Aggres sion von vornherein in der Berech nung zu einem unrentablen Unter nehmen werde, unser Volk aber m: dem größtmöglichen Schutz rechne kann, unsere Soldaten nicht sinnlose Kanonenfutter würden und ein Krie von unserem Land auch abgehalte werden kann, wenn rundum Krie sein sollte.

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