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Den Bogen etwas überspannt
Joseph II. gilt - neben Friedrich II. von Preußen - als hervorragender und markanter Vertreter des aufgeklärten Absolutismus. Absolutismus - das ist jene Staatsform, welche die gesamte Staatsgewalt in der Hand des Monarchen vereinigt; dieser ist (einziger) Gesetzgeber (höchster) Verwaltungsbe-amter und (oberster) Richter.
Die Verbindung dieser Staatsform mit der Aufklärung im sogenannten aufgeklärten Absolutismus bewirkte zwar keine grundlegende Abkehr von diesem monarchischen Prinzip (auch der aufgeklärte Absolutismus ist unumschränkter Absolutismus und -wie die Beispiele Friedrichs II. und Josephs II. zeigen - nicht gerade der „mildeste-”), sie leitet aber doch über zu einem neuen herrscherlichen Selbstverständnis und zu einer neuen Definition des Staatszweckes.
Der aufgeklärte Monarch versteht sich weniger als Staatsinkarnation als vielmehr als Staatsinstitution, und zwar als eine dem Staate und seinen Untertanen dienende Institution: „Der Fürst ist der erste Diener des Staates”. Zweck des Staates ist die Förderung des Wohles und der Sicherheit der Untertanen, der allgemeinen „Glücksee-ligkeit”, meist nach der Maxime des größten Glücks der größten Zahl. Diesem Ziel hatte der aufgeklärte Monarch zu dienen.
Daraus ergab sich zwar nicht hinsichtlich der Substanz, wohl aber der Ausübung nach eine gewisse Selbstbeschränkung, Selbstbindung der Staatsgewalt: Wenn auch im politischen Bereich der Staatsbürger unmündiger Untertan blieb („Alles für das Volk, aber nichts durch das Volk”), so sollten doch im „privaten” Bereich, in den Beziehungen der Untertanen zueinander, Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit sowie ein bestimmtes Maß an Freiheit gewährleistet sein. Die Gesetzgebung jener Zeit enthält daher zahlreiche Elemente, die wir heute als „Rechtsstaatlich” bezeichnen.
Auf diesem staatstheoretischen, staatsphilosophischen und volkswirtschaftlichen Hintergrund sind die Reformen Josephs II. zu verstehen und zu beurteilen. Inhaltlich setzen sie vielfach Maßnahmen seiner Mutter, deren Mitregent Joseph II. seit 1765 war, fort, oft jedoch in zu scharfer und zu doktrinärer Form.
Die Landstände, schon von Maria Theresia politisch entmachtet, wurden in ihren Rechten weiter beschnitten, die Landtage entweder gar nicht oder nur zu inhaltlich bedeutungslosen Ereignissen einberufen, veraltete Einrichtungen der landständischen Verfassung ganz beseitigt (z.B. Aufhebung der Landesausschüsse und der Verordneten, Verzicht auf Huldigung durch die Stände). Das staatliche Behördenwesen wurde weiter ausgebaut.
Die Erbländer wurden (nach französischem Muster und z.T. gegen den erbitterten Widerstand der Betroffenen) ohne Rücksicht auf historische Gegebenheiten in 13 Regierungsbezirke (Kreise) eingeteilt, die Stellung der Lokalbehörden (Kreisämter) weiter verstärkt, in den Städten Polizeidirektionen eingerichtet. In den landesfürstlichen Städten wurden die - ohnehin nur bescheidenen Reste - autonomer Selbstverwaltung beseitigt und durch eine beamtete und bürokratische Magistratsverfassung ersetzt.
Hand in Hand mit der Verwaltungsreform ging eine Reform der Gerichtsorganisation, die im allgemeinen auf eine Bereinigung der wild wuchernden Sondergerichtsbarkeit abzielte, wegen des frühen Todes Josephs II. aber nur zum Teil tatsächlich durchgeführt werden konnte.
Diese tiefgreifende und weitreichende Staats- und Verwaltungsreform war freilich nicht denkbar ohne ein entsprechend geschultes und ausgebildetes Beamtentum. Tatsächlich hat Joseph II. die rechtliche Stellung der Beamten entscheidend verbessert (feste Besoldung, Beförderung, Ruhegenuß, Hinterbliebenenversorgung, aber auch geheime Konduitelisten usw.) und dadurch jene staatstragende Beamtenschaft geschaffen, deren Amts- und Lebensführung - von Joseph II. persönlich in seinem berühmten „Hirtenbrief niedergelegt - bis in die Gegenwart für die österreichische Bürokratie bestimmend und vorbildhaft geblieben sind.
Insgesamt bedeutete dies alles einen weiteren entscheidenden Schritt zur Ausbildung und Stärkung eines zentra-listischen, bürokratischen und rationalistischen Machtstaates. Doch hat Joseph II. den Bogen etwas überspannt; viele seiner Reformen mußte er daher noch kurz vor seinem Tode selbst zurücknehmen, andere hat sein Bruder und Nachfolger Leopold II. widerrufen oder abgeschwächt.
Der Autor ist Professor am Institut für österreichische und Deutsche Rcchtsgeschichte der Universität Wien.
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