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Ist Holleins Haas-Haus akzeptabel? Eine schwierige Frage. Zunächst möchte man als ehemaliger Architektenvertreter für Platz und Objekt einen Wettbewerb fordern, um optimalen Lösungen näherzukommen. Schließlich hat der Bürgermeister mit gutem Grund die Bauherren des geplanten Hotels vis-ä-vis der Börse ersucht, dort einen Wettbewerb auszuschreiben.

Andererseits muß man es begrüßen, wenn sich ein Bürgermeister in einer Zeit, die sich in der Politik sonst durch Fortwursteln und Entscheidungsschwäche aus-

zeichnet, für eine bedeutende Bauaufgabe einen bedeutenden Architekten wünscht. Daß Hollein zu den Besten zählt, kann wohl nicht bezweifelt werden. Man kann natürlich das Bauvorhaben überhaupt in Frage stellen, ist es doch ein prominentes Beispiel für unsere Wegwerfgesellschaft und für ungebrochene kapitalistische Stadtentwicklung.

Man kann auch dem Haas-Haus nachweinen, das eines der besseren Exemplare seiner Zeit war. Ich habe es mir noch einmal angesehen. Es war doch eine sehr arme Zeit, wenn dieses flache, graue Haus (Grau galt damals als Architektenfarbe) noch als „vornehm“ und relativ gut gelten muß. Ich werde es nicht vermissen.

Ursprünglich wollten die Bauherren das Haas-Haus nur umbauen. Mehrere Architekten lieferten dazu Vorschläge. Dann kamen die wirtschaftlichen Überlegungen und der Hollein-Vorschlag für einen Neubau (in welcher Reihenfolge?), und es regte sich allenthalben Widerspruch. Trotzdem gibt es überall offiziellen Segen, sogar der in Geschmacksfragen berüchtigte Bezirksvorsteher soll mitspielen.

Wie man hört, hat eine Gruppe von Architekten gegenüber dem Bauherrn die städtebauliche Lösung begrüßt und nur Bedenken wegen der noch unbekannten Fassaden geäußert. Und der Fachbeirat für Stadtplanung hat sich sehr ausführlich positiv zum Projekt Holleins geäußert.

Wie läßt sich da die negative Haltung zur derzeitigen städtebaulichen Lösung erklären, die ich schließlich mit einigen, mir kompetent scheinenden, Personen teile?

Gerade von den zuerst erwähnten Architekten ist doch nicht anzunehmen, daß sie sich nur aus Güte oder Berechnung und wider besseres Wissen für einen Konkurrenten einsetzen.

Die Zustimmung von Gremien und Dienststellen ist jedoch kein Qualitätsbeweis. Vergessen wir nicht, daß alle Scheußlichkeiten im Wiener Stadtbild von den Wiederaufbaufassaden am Stephansplatz bis zu den Hochhäusern etwa der diversen Versicherungsanstalten mit Billigung, ja teilweise sogar unter Mitwirkung von Beiräten, Architekturabteilungen, des Denkmalamtes usw. entstanden sind.

Allen „Schuldigen“ ist freilich zugute zu halten, daß in Wien, seit dem Jugendstil, die Aufgabe etwa des repräsentativen Ringstraßenhauses nicht gestellt oder nicht gelöst wurde. Zu lange hat man sich um die Aufgabe herumgedrückt, wirtschaftlich zu errichtenden Nutzbauten eine Architekturordnung zu verpassen.

Auch Wohnhäuser machen uns seit dem Zweiten Weltkrieg gestalterisch Schwierigkeiten. Aber hier gab es Vorbilder aus der Zwischenkriegszeit, an die die wenigen guten Beispiele unserer Zeit meist anknüpfen konnten.

Ich habe schon Stimmen gehört, die meinten, so heikel wäre das alles nicht, schließlich könnte auch ein verunglückter Hollein-Bau nach dreißig Jahren wieder abgerissen werden. Diese Hoffnung hege ich nicht, da es unwahrscheinlich ist, daß man eine abermalige Steigerung der Ausnütz-barkeit zuwege brächte. Vergessen wir nicht, dieses Haas-Haus wird ja nicht aus städtebaulichen oder gestalterischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen abgebrochen!

Die Forderung nach der Errichtung einer l:l-Attrappe sollte man eigentlich unterstützen. Allerdings sind mir nur zwei städtebauliche Fälle in Wien bekannt, wo solche Attrappen errichtet wurden: für Otto Wagners Entwurf für das Museum am Karlsplatz und für eine Variante des Haas-Hauses vor dessen seinerzeitigem Wiederaufbau. In beiden Fällen wurden die Projekte zu Fall gebracht. Das muß dem Bauherrn zu denken geben.

Konkret zum zuletzt bekannt gewordenen Entwurf Holleins:

Mir gefällt zwar auch die Fassade njcht, doch glaube ich so sehr an den Architekten und Designer Hollein, daß ich mir darüber nicht den Kopf zerbreche.

Bedenken habe ich zur städtebaulichen Lösung. Die Idee des Turmes ist nicht grundsätzlich abzulehnen, nur in der dargestellten Form überzeugt sie nicht. Daß der Turm eine Konkurrenz zum mächtigen Dom darstellen könnte, glaube ich zwar nicht, aber er könnte wie ein lächerlicher Gim-mick wirken, dem die Souvenirfotografen halt ausweichen werden, wenn sie ihn nicht gerade als Jux mit festhalten wollen. Im übrigen steht dieser Turm nicht wirklich am Boden (die U-Bahn-Bauten könnten ihn nicht tragen), sondern er kragt statisch wie ein Erker aus dem Hauptbau heraus. Warum zeigt Hollein dies nicht mit einer kräftigen Gebärde?

Wenn es Hollein wirklich darum geht, den Stock-im-Eisen-Platz auch baulich zu fassen, scheint jeder gerundete Ubergang vom Graben her wenig überzeugend. Daß sich Hollein mit dem Kreisbogen selbst Schwierigkeiten macht, zeigt der ungelöste, im Modell nicht näher detaillierte Ubergangsteil zum Erker-Turm.

Muß man sich also den Gegnern des Hollein-Projektes anschließen?

Ich vertraue dem Architekten Hans Hollein, daß er ein besseres Projekt für diese Bauaufgabe liefert, und ich vertraue vor allem dem Bauherrn Karl Vak von der Zentralsparkasse, daß er Verständnis für weitere Planungsschritte haben wird.

Wenn Bauherr und Architekt dem gesamten Bauvorhaben die gleiche Sorgfalt angedeihen lassen wie der Planung der Kulisse, die nun die Abbrucharbeiten abschirmen soll, wird schon nichts schiefgehen.

Der Autor ist Architekt und Professor für Städtebau und Siedlungswesen an der Universität für Bodenkultur und Obmann der Fachgruppe Architektur im Osterreichischen Ingenieur- und Architektenverein.

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