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Wie Richard Barta der Herausgeber der Kathpress, berichtete, wurde in einer Diskussion zum kommenden Katholikentag wieder nach dem „Katholizismus“ gefragt; alle Katholikentage hätten zu einem Katholizismus geführt und eine bewußte gesellschaftlich-politische Funktion gehabt: Hier sei „das katholische Volk“ organisatorisch und gesellschaftlich zum Bewußtsein seiner selbst gebracht worden, hier sei der Kampf zwischen der alten klerikalkonservativen Partei und der jungen christlich-sozialen Partei entschieden worden, hier sei auch der Thron- und Altarkatholizismus, der „politische Katholizismus“ der ersten Republik, nämlich die enge Bindung der Katholiken an eben diese Partei, entstanden, aber auch längst vorher schon der Presse-, Vereins- und Verbandskatholizismus, 1933 der Ständestaatskatholizismus und schließlich auch der KA- Katholizismus kreiert worden.

Es soll hier nicht untersucht werden, wie weit das überhaupt stimmt, und wenn, wie weit sich seitdem die Verhältnisse gewandelt haben, sodaß Katholizismen jener Art grundsätzlich überholt sind, wie weit die Katholische Aktion als streng „kirchliche" Bewegung überhaupt als Katholizismus verstanden werden kann, ob etwa der Katholikentag von 1952 einen neuen Katholizismus kreiert und nicht vielmehr dem Katholizismus bzw. den Katholizismen der Vergangenheit den Abschied gegeben hat und ähnliches.

Das Thema ist nicht neu. Vor nicht zu langer Zeit hörte man die Forderung nach einem neuen politischen Katholizismus und nach einem ihm dienenden Nationalkomitee der österreichischen Katholiken seitens einzelner Politiker oder Verbände und jetzt, wie man sieht, auch in Verbindung mit dem kommenden Katholikentag, der zwar durch die Jahreszahl 1983 dreihundert Jahre in der Vergangenheit zjirückweist, -aber doch ein Katholikentag der Hoffnung sein will.

Katholizismus ist und war nie schlechthin identisch mit der katholischen Kirche, wiewohl es mitunter so schien. Katholizismus ist vielmehr „die Umsetzung katholischer christlicher Wertvorstellung in die gesellschaftliche, politische und staatliche Realität“ (Barta). Und da diese Bereiche, wie wir spätestens seit dem II. Vatikanum wissen, „auf je ihrem Gebiet“ autonom sind und darum die Katholiken auch bei einer „christlichen Schau der Dinge“ und „bei gleicher Gewissenhaftigkeit in der gleichen Frage“ „legitim zu sehr verschiedenen Urteilen kommen können“, für die sie freilich „die Autorität der Kirche“ nicht in Anspruch nehmen können, kann man wohl nur von verschiedenen möglichen Katholizismen in einem Land reden und muß Versuche vermeiden, alle Katholiken wieder auf einen einzigen Katholizismus zu vergattern, also Kirche und Katholizismus zu identifizieren.

Darum hat auch Johannes Paul II. erst kürzlich die „legitime Autonomie der Politik“ betont, weshalb, abgesehen von allen eindeutig moralischen Fragen, der Glaube nicht unwiderleglich eine konkrete Haltung festlegt, „die in bestimmten politischen Situationen einzunehmen ist“. Auch der an der Päpstlichen Gregoriana-Universi- tät lehrende Sozialwissenschaftler Johannes Schasching SJ stellt fest, daß angesichts der „zunehmenden Entideologisierung“ vieler politischer Parteien die ehemals „scharfen ideologischen Gegensätze verschwinden“ und sich „die christlichen genau so wie die sozialistischen Parteien (immer mehr) zu reinen Wirtschafts-, Sozial- und Kulturparteien entwickelt haben“.

Auch liberale Parteien wird man hier nicht mehr ausnehmen dürfen. „Die Christen können nun in verschiedenen Parteien ihre (politischen) Ziele verwirklicht sehen“, wenn auch bei keiner Partei in allen Belangen, wie man wohl einschränkend hinzufügen muß.

• Dazu muß nun freilich gleich ein Zweites gesagt werden: Wenn sich auch aus der Botschaft Jesu keine konkreten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Programm ableiten lassen, so ergeben sich aus jener Botschaft dennoch bedeutsame gesellschaftspolitische Konsequenzen, etwa hinsichtlich Menschenwürde, Menschenrechten und Gemeinwohl, /und die Kirche hat das Recht und die Pflicht, diese Konsequenzen zu verkünden und deren Verletzung auch in aller Öffentlichkeit anzuprangern, gleichgültig von wem sie geschehen.

Die Kirche hat also sehr wohl auch eine gesellschaftskritische Funktion gegenüber allen Gesellschaftssystemen und politischen Kräften, und, je parteipolitisch unabhängiger sie ist, desto glaubwürdiger und effektiver wird sie diese Aufgabe erfüllen.

• Der einzelne Christ ist auch als christlicher Staatsbürger zu konkretem gesellschaftlichem Handeln, wenn auch in Eigenverantwortlichkeit und mit eigenem Risiko, verpflichtet. Diese Verantwortung ist in einer demokratischen Gesellschaftsordnung besonders groß, weil hier die Chancen der Freiheit und Mitwirkung größer sind. Gewiß kann sich nicht jeder mit dem gleichen Engagement politisch betätigen; es ist auch nicht jeder in gleicher Weise dazu geeignet. Der Christ wird sich bei diesem Engagement bemühen, die Impulse Jesu und seiner Botschaft in das soziale, kulturelle wirtschaftliche und politische Leben, in Parteien, Gewerkschaften und andere Organisationen hineinzutragen, weil es auch hier kein ethik- und wertfreies Handeln gibt. Er muß sich freilich dabei bewußt sein, daß er seine Vorstellungen in allen Parteien und Gruppierungen nur zum Teil wird realisieren können, da es ja auch Nichtchristen gibt und auch die Christen nicht immer die gleichen Meinungen haben. • Was wir also am wenigsten brauchen, wären Versuche, den Katholikentag 1983 zur Kreierung eines neuen und einzigen politischen oder gar parteipolitischen Katholizismus zu mißbrauchen. Die Kirche und darum auch die Katholische Aktion haben sehr wohl Recht und Pflicht, die Christen auf ihre gesellschaftliche und kulturelle Verantwortung hinzuweisen und eine entsprechende Grundsatzbildung in dieser Richtung anzubieten bzw. zu fördern, und zwar für möglichst viele Katholiken, besonders für die, die im kulturellen und politischen Leben, wenn auch in verschiedenen Parteien tätig sind. Die Nachwuchsschulung für die politischen Parteien werden sich diese wohl selbst besorgen; dazu brauchen sie keine Katholische Aktion.

Sehr wohl aber wäre es Aufgabe gerade einer recht verstandenen Katholischen Aktion, Kontakte mit allen kulturellen und politischen Kräften des Landes zu pflegen und die in verschiedenen Parteien tätigen Katholiken miteinander ins Gespräch zu bringen und so auch zu einem innenpolitisch erträglichen Klima beizutragen.

Darüber hinaus sollte aber eine Katholische Aktion wohl ihre unmittelbar pastoralen Aufgaben nicht vergessen, etwa im Aufspüren und Betreuen der bisher vielleicht vernachlässigten pastoralen Bereiche: man denke an die der Kirche entfremdeten Schichten des Vol- kes, an die Jugend, an die Frauen, an die wiederverheirateten Geschiedenen, die gesellschaftlichen Randgruppen, die in der Wohlstandsgesellschaft Vergessenen oder unter die Räder Gekommenen, die physisch und psychisch Behinderten, an die Armen, Leidenden und Verzweifelten jeder Art, an die Betriebs- und Arbeitswelt, an die Gemeinwesenarbeit, an die Bereiche der Kultur, der Bildung, der Wissenschaft und Kunst. Dabei müßten wir die Konsequenzen aus unserer tatsächlichen Diasporasituation ziehen. Mitunter tun wir schon im Ton so, als ob alle Österreicher unsere Untertanen wären, statt einfach unsere bescheidenen Dienste anbieten. Nur das kann Menschen gewinnen; anderes finde viele arrogant.

Dazu wäre es Aufgabe der Kirche und der Katholischen Aktion, sich der im (sicher auch notwendigen) Kleinkram der Tagespolitik und der politischen Parteien oft untergehenden Probleme anzunehmen wie der Entwicklung echter Mitsprache und Kollegialität in allen Bereichen der Gesellschaft (und der Kirche), der Weckung der Verantwortung aller Bürger und auch der christlichen Kirchen für die Eins- werdung Europas, für die Dritte Welt, für die Überwindung auch der strukturellen Gewalt, für die Wahrung der Menschenrechte in Gesellschaft und Kirche und sofort. Nicht nur die private Not, auch die sozialen Nöte auf allen Ebenen der Welt sollten uns bedrängen.

Wenn der kommende Katholikentag nicht in dieser Richtung Zeichen setzt, Zeichen der Erlösung, der Befreiung, der Hoffnung und der Veränderung der Welt, wird er umsonst gewesen sein.

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