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Digital In Arbeit

Den Nachbarn hilft, den Bauern nutzt es

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Weg vom Getreidebau, das wird den Bauern empfohlen, um ihre Ertragssituation zu verbessern. Da bis vor kurzem große Mengen an Steinobst importieren wurden, spezialisierten sich Bauern im Weinviertel auf die Produktion von Kirschen, Weichsein, Marillen und Zwetschken.

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Weg vom Getreidebau, das wird den Bauern empfohlen, um ihre Ertragssituation zu verbessern. Da bis vor kurzem große Mengen an Steinobst importieren wurden, spezialisierten sich Bauern im Weinviertel auf die Produktion von Kirschen, Weichsein, Marillen und Zwetschken.

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Ziel dieser Unternehmen war aber nicht nur, eine Marktlücke zu füllen, sondern es wurde Wert darauf gelegt, gesunde Spitzenprodukte zu erzeugen. So wurde durch hohen Einsatz manueller Arbeit der Gebrauch von Maschinen und Chemikalien möglichst gering gehalten, wodurch eine geringere Umweltbelastung und Bodenbelastung mit gleichzeitiger Steigerung der Qualität erreicht werden konnte.

Natürlich bringt der hohe Einsatz an Arbeitskräften eine Schwierigkeit mit sich. G»rade zu den Erntezeiten ist ein hoher Bedarf an Arbeitseinsatz erforderlich. Dadurch ist der Landwirt vor die Alternative gestellt, ob er mit schweren Maschinen diese Arbeit verrichtet (was einen geringeren finanziellen Aufwand, aber stärkere Umweltbelastung mit sich bringt), oder ob er es vorzieht, mit Arbeitskräften diese Arbeit manuell zu verrichten. Letzteres ist jedoch mit österreichischen Arbeitskräften nicht möglich, da für die wenigen Tage der Ernte keine so große Zahl von Arbeitern zur Verfügung steht. Außerdem lassen die Produktpreise es nicht zu, Löhne zu bezahlen, die dem österreichischen Lohnniveau entsprächen.

Ein Beispiel: Wenn ein Erntearbeiter pro Tag etwa 400 Kilogramm mittelgroße Weintrauben ernten kann, die einen Kilopreis von zwei Schilling (!) erreichen, wie könnte dann ein Lohn bezahlt werden, der dem Lebensbedarf eines österreichischen Arbeiters angemessen wäre.

Seit der Öffnung des „Eisernen Vorhangs" ergibt sich eine zusätzliche Problematik: viele Menschen aus den nahegelegenen Grenzgebieten kommen, um wenigstens für die Tage der Ernte Arbeit zu finden. Wiederholte Male sind nun Landwirte in Konflikt mit dem derzeitigen Gesetz geraten, das keinerlei Rücksicht auf die Notwendigkeiten der witterungs-abhängigen Erntearbeiten nimmt.

Wird ein Arbeiter zum Beispiel für drei Tage angestellt, so zählt die derzeitige Gesetzgebung dies als eine ganze der im Jahreskontingent vorgesehenen vollen Anstellungen.

Um etwaigen Mißinterpretationen vorzubeugen, ausländische Saisonarbeiter in der Landwirtschaft könnten österreichische Arbeitsplätze gefährden (zahlreiche Anzeigen sowie jüngste Wahlergebnisse zeigen die steigende Ängstlichkeit und abnehmende Gastfreundlichkeit der österreichischen Gesellschaft): es gab bereits Bemühungen, österreichische Arbeitslose für diese Arbeiten zu gewinnen (entsprechend den landwirtschaftlichen Notwendigkeiten kurzfristig und unregelmäßig), doch fanden diese Projekte keinerlei Annahme.

Diese komplexe Problematik scheint in Relation zu ihrer Dringlichkeit noch viel zu wenig öffentlich bekannt zu sein; es geht schließlich nicht nur um einige Landwirte, die gesunde Früchte produzieren wollen und gleichzeitig arbeitssuchenden Menschen aus dem Nachbarstaat zu für diese guter Entlohnung Beschäftigung geben könnten, sondern es muß dies im Kontext der gesamteuropäischen Situation gesehen werden.

Die Landwirtschaft in den EG-Staaten ist einer derartigen Konkurrenz ausgeliefert, daß rücksichtslos auf Kosten der Umwelt, des Bodens und der Qualität produziert wird, beziehungsweise werden muß. Österreich hat immer eine großartige Vorbild-fünktion in dieser Hinsicht gehabt. Wir dürfen uns strengster Qualitätsbestimmungen und (noch) bester Böden erfreuen.

Es gilt jetzt zu entscheiden, ob wir uns eines momentanen „Vorteils" von billigeren Produkten erfreuen und dabei gleichzeitig den Menschen aus dem Nachbarland die Hilfe verweigern wollen oder ob wir hier durch eine Sonderregelung (bezüglich Saisonarbeitern in der Landwirtschaft) weiterhin die Produktion von gesunden Früchten und somit die Vorbild? funktion Österreichs für den gesamten europäischen Raum gewährleisten und zugleich eine wesentliche Hilfe für den Aufbau im Nachbarstaat leisten wollen.

Und außerdem: Tausende Hektar von Wäldern verwildern und gehen durch Ungeziefer zugrunde, da das hohe österreichische Lohnniveau und die gesetzliche Mißachtung der landwirtschaftlichen Notwendigkeiten eine entsprechende Pflege unmöglich machen. Mit Sonderprojekten sowie mit der Novellierung der Gesetze (bezüglich Saisonarbeitern und der Anstellung von Arbeitern aus den Nachbarstaaten in der Land- und Forstwirtschaft) könnte man hier helfen, Wälder zu retten, indem man Arbeiter aus den Nachbarstaaten einstellt, denen es möglich ist, gegen eine für österreichische Verhältnisse relativ niedrige, für sie aber gute und angemessene Entlohnung zu arbeiten.

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