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Den Wettlauf mit Hitler gewonnen

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Am 5. Juni 1933 Unterzeichneten der spätere Papst Pius XII. und Unterrichtsminister Kurt Schuschnigg das Konkordat. Ratifiziert wurde es allerdings erst 1934.

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Am 5. Juni 1933 Unterzeichneten der spätere Papst Pius XII. und Unterrichtsminister Kurt Schuschnigg das Konkordat. Ratifiziert wurde es allerdings erst 1934.

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Durch die offizielle mündliche Mitteilung Papst Benedikts XV. vom November 1921 war es klar, daß der Heilige Stuhl das Konkordat von 1855—das von österreichischer Seite bereits 1870 einseitig gekündigt worden war — für das neue, republikanische Österreich nicht mehr als geltend betrachtete.

Trotz dieser grundlegenden vatikanischen Position sollte es bis

1929 dauern, bis sich die österreichische Bischofskonferenz offiziell mit dem Abschluß eines Konkordats beschäftigte.

Unter den vielen Fragen, die zur Behandlung anstanden, waren es zwei, die besonders dringend einer Lösung harrten: Ehegesetzgebung und Diözesaneinteilung bzw. Diözesangrenzen.

Die direkten Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der österreichischen Bundesregierung nahmen mit der Vorsprache des österreichischen Gesandten Rudolf Kohlruß Anfang März 1931 im Vatikan ihren eigentlichen Anfang.

Im August desselben Jahres lag der von Österreich erbetene vatikanische Konkordatsentwurf im Bundeskanzleramt in Wien. Diverse politische Schwierigkeiten, vor allem die häufigen Regierungskrisen’, verzögerten die weiteren Verhandlungen und den Abschluß.

Da trat mit Hitlers Machtübernahme in Deutschland (30. Jänner

1933) eine völlig neue Situation ein.

Zunächst fürchtete man bei den im Frühjahr 1933 ins Auge gefaßten Neuwahlen einen Erdrutschsieg der Nationalsozialisten in Österreich, der die Erledigung der Konkordatsverhandlungen erheblich erschweren würde.

Statt zu den Neuwahlen kam es jedoch zur sogenannten Selbstausschaltung des österreichischen Parlamentes am 4. März 1933 und in der Folge zum autoritären Ständestaat.

Im April stellte sich schließlich heraus, daß Hitler-Deutschland allen Ernstes den Abschluß eines Reichskonkordates betrieb. Damit setzte förmlich ein Wettlauf um das Konkordat ein, den Österreich um sechs Wochen gewann.

Den beiden politischen Antagonisten Dollfuß und Hitler ist es beim Konkordat auch darum gegangen, für ihr System jeweils größtmögliches politisches Kapital herauszuschlagen.

„Die Tatsache, daß es seinem politischen Todfeind gelungen war, so knapp nach der überzeugungstreuen katholischen österreichischen Regierung ebenfalls ein Konkordat abzuschließen, mußte Bundeskanzler Dollfuß als Abwertung der politischen Bedeutung des von ihm vereinbarten Vertrages erscheinen, der die Selbständigkeit Österreichs .moralisch hätte stärken sollen“, schreibt Erika Weinzierl.

Das in Deutsch und Italienisch abgefaßte Konkordat hat 23 Artikel und ein Zusatzprotokoll: Die Auswahl und Ernennung der Erzbischöfe und Bischöfe Öster reichs steht allein dem Heiligen Stuhl zu.

Feiertag-, Schul- und Ehefrage, Diözesaneinteilung, Militärseelsorge, kirchliche Vermögensverwaltung, Religionsunterricht etc. sind weitere geregelte Materien.

Dieses vom Vatikan ausdrücklich als „das seit langem beste Konkordat“ qualifizierte Abkommen zwischen Kirche und Staat ließ mit seiner Ratifizierung auf sich warten.

Beim sogenannten Allgemeinen Deutschen Katholikentag in Wien im September 1933 versprach

Dollfuß, Österreich werde sogleich die im Konkordat getroffenen Vereinbarungen im Rahmen der bestehenden Gesetze zu verwirklichen trachten; für die Ratifizierung sei allerdings der politische Weg noch nicht frei.

Diesen sah Dollfuß am 30. April des folgenden Jahres für gegeben. An diesem Tag genehmigten die von der Regierung noch anerkannten Parlamentarier das Konkordat, worauf es Bundespräsident Wilhelm Miklas noch in der Nacht auf den 1. Mai ratifizierte, um so eine Publizierung gemeinsam mit der Verfassung des „Christlichen Ständestaates“ zu ermöglichen.

Dieser enge Konnex provozierte die inzwischen verbotene und in die Illegalität getriebene Sozialdemokratie. In ihrem in Brünn gedruckten Zentralorgan „Arbeiter-Zeitung“ konnte man unter anderem lesen, daß, „sobald der .christliche Faschismus vor der Arbeiterklasse wird kapitulieren müssen, die Arbeiterklasse das Konkordat von 1934 wie einen Fetzen Papier behandeln“ werde.

Es dauerte keine vier Jahre und das Konkordat wurde tatsächlich wie ein Fetzen Papier behandelt, allerdings nicht von der Sozialdemokratie, sondern vom Nationalsozialismus.

1945 waren die Ressentiments gegen das sogenannte Dollfuß- Konkordat im sozialistischen Lager keineswegs abgeebbt.

Adolf Schärf, der schon 1934 gegen das Konkordat heftig polemisiert hatte, meinte als Führer der Sozialdemokratie unmittelbar nach 1945, die Kirche „habe sich damit abgefunden, daß der Exzeß des Dollfuß-Konkordates endgültig aus dem österreichischen Rechtsleben getilgt sei“.

Derselbe Schärf fand aber’ schon 1956, zum Bundespräsidenten gewählt, bei seiner Angelobung Worte, die den Weg zur Anerkennung des einst so verhaßten Konkordats durch die 2. Republik ebneten.

Anfang der sechziger Jahre wurden schließlich jene Verträge auf der Basis dieses Konkordates zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl geschlossen, die auch die Unterschriften Bruno Kreiskys tragen und den echten Friedensschluß zwischen Staat und Kirche bewirkten.

Der Autor ist Professor für kirchliche Zeitgeschichte an der Universität Graz.

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