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Denkmalschutz bei 1000 Kirchen
Kärnten ist nicht nur das Land der — rund 200 — südlichen Seen und Berge, es ist auch das Land der tausend Kirchen, von denen allerdings etwa 700 Filialkirchen sind. Mehr als 100 Pfarrkirchen sind zudem — wegen Priestermangels — unbesetzt. Kärnten weist den dichtesten Bestand an mittelalterlichen Kunstdenkmälern in Osterreich auf - der Anteil der religiösen Kunst am gesamten Kunstbestand beträgt gegen 80 Prozent!
Wegen der Armut im südlichsten Bundesland wurden wenige bedeutende Barockbauten errichtet. Die gotischen Sakralbauten blieben von der Barockisierung weitgehend verschont. Im Mittelpunkt der Denkmalpflege steht daher die Erhaltung und Restaurierung der Kirchen, vor allem der Filialkirchen. In erster Linie wären die,.Filialisten", jener Personenkreis, für den Filial- oder Zukirchen errichtet wurden, für die Erhaltung verantwortlich. 1983 betrug der Bauaufwand der Diözese Gurk immerhin 57 Millionen Schilling, von denen 3,6 Millionen vom Bundesdenkmalamt und 1,1 Millionen vom Land Kärnten kamen. Die Zuschüsse der Finanzkammer der Diözese Gurk betrugen stattliche 28,3 Millionen Schilling, der Rest wurde durch die Pfarren (Spenden, Grundstückerträge, Grundverkäufe usw.) aufgebracht.
Rund ein Dutzend Kirchen werden jährlich restauriert. Im vergangenen Jahr wurden zwei - die Pfarrkirche Tultschnig bei Kla-gefhfurt und die Filialkirche Seltenheim - mit Steinplatten neu eingedeckt. Diese Steinplattendächer sind eine Kärntner Eigentümlichkeit. Rund 100 sind noch original erhalten. Die Restaurierung bereitet dem Bundesdenkmalamt unter der Leitung von
Elisabeth Reichmann — Kärnten hat als einziges Bundesland eine Frau als Landeskonservator — besonderes Kopfzerbrechen. Schiefer aus Frankreich entpuppte sich als nicht zweckentsprechend. Nun importiert man die Steinplatten aus dem Salzburgischen. Für die Dachdeckerarbeiten muß man einen Meister aus Osttirol bemühen. Steinplatten sind teurer als Holzschindeln, aber dafür auch viel dauerhafter. Früher fand man sie in den Bergen frei herumliegend, so daß sie kaum bearbeitet werden mußten. Auch heuer werden wieder Objekte mit Steinplatten neu eingedeckt.
Fresken gibt es in Kärnten mehr als in jedem anderen Bundesland. Bei fast jeder Restaurierung werden welche entdeckt. Jene in der Pfarrkirche Weißenstein ob der Drau etwa wurden bei Sanierungsarbeiten 1979 freigelegt. Sie stammen aus dem Jahr 1542 von einem Peter Wassermann und werden als Darstellung der zehn Gebote und Strafandrohungen für Analphabeten im damals noch evangelischen Gotteshaus interpretiert.
In der ehemaligen Bibliothek des Stiftes Viktring, das heute zu Klagenfurt gehört, wurde nach Entfernung einer Zwischendecke eine 25 Meter lange und 12 Meter breite prachtvolle Stuckdecke mit herrlichen Fresken des Barockmalers Johann Gfall freigelegt
. Unnötig zu sagen, daß die Erhaltung der Kunstschätze auch wichtig für den Fremdenverkehr ist. Allerdings sind manche Gemeinden zwar bereit, Beleuchtungsanlagen zu finanzieren, mit denen die Kirchen angestrahlt werden, eine Mithilfe bei der Restaurierung jedoch ablehnen. Beleuchtungsanlagen und Zuleitungen kosten oft mehr als die Sanierung des Objektes.
Große Hilfe sind im Auftrag der Diözese 1820 von etwa der Hälfte aller Kirchen in Kärnten angefertigte kolorierte Zeichnungen und Skizzen. Sie dienen als authentische Vorlagen.
Mit außerordentlicher Akribie und Geduld — seine Arbeit ist oft aufwendiger als der ursprüngliche Schaffensprozeß - entfernt der Restaurator bei Plastiken meist mehrere Fassungen, um zur Originalbemalung zu gelangen. So waren am berühmten Mystikerkreuz des 14. Jahrhunderts in der Friesacher Dominikanerkirche zwei akademische Restauratorinnen 2.300 Arbeitsstunden mit der Freilegung am Corpus und am originalen Astkreuz beschäftigt.
Friesach ist ein Sorgenkind der Denkmalschützer: Der Stadtgraben, einer der wenigen noch mit Wasser gefüllten in Europa, ist vom Einsturz gefährdet. Die Hälfte ist ausgetrocknet, der Grundwasserspiegel sinkt. Geld fehlt. Eine Bürgerinitiative ist gegründet.
Auch die vielen Schlösser und Burgen können von ihren Besitzern oft nur unter großen Opfern erhalten werden. Mehrere Objekte wurden in letzter Minute gerettet und instand gesetzt, darunter die Schlösser Althofen, Annabichl, Weyer, Wasserhofen. Andere wurden für Schulen, insbesondere landwirtschaftliche, revi-talisiert, das Schloß Möderndorf im Gailtal als Heimatmuseum adaptiert. Sie erinnern daran, daß Kärnten das,älteste österreichische Herzogtum war. In mehreren Ruinen wurden Gastbetriebe installiert, die bekannte und beliebte Ausflugsziele wurden.
Bemerkenswert ist auch, daß bei einem Wettbewerb der Diözese für den Neubau der Pfarrkirche und des Pfarrzentrums in Klagenfurt-Wölfnitz einem Projekt von Gernot Kulterer (Villach) einhellig der erste Preis zuerkannt wurde: Er wählte elementare Bauteile und setzte den gängigen Trend im österreichischen Kirchenbau nicht fort. Das Gotteshaus sieht, für einen großen Teil der Gläubigen, auch wie ein solches aus...
Der Autor ist Korrespondent der Austria-Presseagentur in Klagenfurt
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