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Denkmalschutz- Bürgerinitiativen für den ländlichen Raum

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Das Jahr 1975 wurde vom Europarat zum Europäischen Jahr des Denkmalschutzes erklärt. In der Steiermark war dies ein Anlaß zur Zwischenbilanz. Es wurde nicht nur feierlich geredet. Am Grazer Altstadtkongreß etwa. Es wurde auch gehandelt: im Grazer Stadtzentrum und im ländlichen Raum. Immer wieder sind es die Gäste dieses Landes, die sich über die alten steirischen Bauwerke freuen und sich wundem, wenn sie gut erhalten sind aber auch wenn sie andere sehen, die verfallen. Dabei geht es nicht nur um Schlosser und große Kirchen, sondern um einen Marktplatz beispielsweise, mit seinen Fassaden, um ein typisches Bauernhaus, ein Denkmal, ein Wegkreuz, einen Brunnen. Das alles gehört zum Gesicht unseres Landes und das alles macht erst die Steiermark aus und bedeutet das, was wir Heimat nennen.

Jede Gemeinde war aufgerufen, im Jahre 1975 wenigstens eine Aktion-im Sinne des Denkmalschutzjahres zu setzen. Das Echo war unerwartet stark. Rund 300 Projekte wurden in Angriff genommen. So etwa wertvolle Häuser in Radkersburg, das ehemalige Franziskanerkloster in Judenburg (es beherbergt heute eine Musikschule) die Piaristenkirche in Gleisdorf, der Kalvarienberg in St. Lorenzen im Pal- tental, die Kuppel der Mariazellerkir- che. Aber vor allem viele kleinere Objekte wurden gerettet. So hat eine weststeirische Friseurmeistersgattin andere Frauen mobilisiert, und ihren Heimatort buchstäblich „auf den Kopf* gestellt. Das Ergebnis: eine renovierte Frauensäule. Ein Beispiel für eine „positive” Bürgerinitiative. Das wirkte „ansteckend” und der Erfolg animierte auch Nachbargemeinden, etwas für die „Zukunft unserer Vergangenheit” zu tun.

Wertvolle Bausubstanz gibt es nicht nur in der Altstadt von Graz, sondern auch in einer Reihe von historisch gewachsenen Städten und Orten der Steiermark. Daher lag es nahe, eiji Pendent zum Grazer Altstadterhaltungsgesetz in Angriff zu nehmen: das Ortsbildgesetz. Es wird zur Zeit „verhandelt”. Dieses Gesetz wurde dringend notwendig, ist doch durch den rasanten Strukturwandel mancher Ortskem, aber auch manches landschaftlich und baulich besonders charkteristische Ortsbild gefährdet.

Es geht aber nicht um den passiven Schutz, sondern um die aktive Gestaltung der Fassaden etwa, der Balkone, Tore, Fenster, Fensterteilungen,- aber auch der Stiegenaufgänge, Vorhäuser und Innenanlagen. Die zu schützenden Ortskeme sollen vor allem in ihrer Funktion als Wohnstätte erhalten werden. Revitalisierung also samt den „öffentlichen Flächen” im Schutzgebiet, und Rettung für charkteristische Brunnen, Standbilder, Bildstöcke, Beleuchtungskörper, Pflasterungen und Baumgruppen.

Wichtige Vorarbeiten wurden dafür im „Atlas der historischen Schutzzonen Österreichs” dokumentiert. In logischer Fortsetzung geht es nun um die Festlegung von Schutzzonen nicht nur in Städten und Märkten, sondern vor allem in den Dörfern als Voraussetzung für eine umfassende Revitalisierungspolitik, die im Zusammenwirken zwischen den Liegenschaftsei- gentümem, der Gemeinde und der Landesregierung zum Tragen kommen soll.

Die rechtlichen Instrumente - die Steiermärkische Bauordnung, das Raumordnungsgesetz, das Naturschutzgesetz, das Altstadterhaltungsgesetz, das kommende Ortsbildgesetz - und die damit verbundenen Finanzhilfen der öffentlichen Hand genügen nicht, wenn nicht auch Bürger lernen, die Gestaltungsprobleme ihrer Gemeinde selber besser zu verstehen und an Lösungen mitzuarbeiten. In der „Steirischen Akademie” 1973 - Thema „Raumordnung” - wurde versucht, Modelle für die vielzitierte „Partizipa tion” von Bürgern in der Gemeindpolitik zu entwickeln. Die Chance dazu ergab sich aus dem in dieser Zeit erarbeiteten Raumordnungsgesetz, das allen steirischen Gemeinden zur Entwicklung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen verpflichtet.

Nach welchen Gesichtspunkten und nach welchen Konzepten sollte dies geschehen? Zur Klärung dieses Problems sollte eine weitere Initiative des Kulturreferates der Steiermärkischen Landesregierung beitragen: die „Aktion Ortsidee”, die als legitimes „Kind” der Raumordnungsakademie „erfunden” und beim Steirischen Volksbildungswerk „angesiedelt” wurde. Im

Rahmen dieser Aktion - sie wurde von Dipl. Ing. Arch. Dieter Schoeller betreut - ging es zunächst um das Aufspüren von „Aktivbürgern” in den Gemeinden.

Ihnen sollte bei ihrer Auseinandersetzung mit der Gemeindevertretung geholfen werden. Aber diese Gruppen wurden darauf von den Gemeindevertretungen entweder offen aufgenom- mem oder isoliert. Daraus lernte man. So sind es inzwischen 80 Gemeinden geworden, in denen aktive Bürger mit der Gemeindevertretung an der Entwicklung eines „Ortskonzepts” arbeiten. Auch hier steckt nun eine Gemeinde die andere an. Die Aktion „Ortsidee” vermag inzwischen bereits in ganzen Talschaften ihre Initiativen zu konkretisieren.

In rund 40 steirischen Gemeinden sind diese Entwicklungsarbeiten als Voraussetzung für die Ausarbeitung des Flächenwidmungsplanes abgeschlossen. Inzwischen wächst die Aktion „Ortsidee” über ihre bisherige Funktion, Wegbereiter und Geburtshelfer für eine bürgernahe örtliche Raumplanung zu sein, hinaus. Es ergeben sich neue Aufgaben, so etwa die Entwicklungshilfe für Kritikfähigkeit in bisher eher „sprachlosen” Gruppen, den Jugendlichen und Frauen, aber auch Konzeptentwicklung für Teilbereiche, für den Fremdenverkehr beispielsweise.

Fünf Mitarbeiter leisteten mit einer halben Million Schilling im Jahr 1976 rund 340 „Einsätze” in den steirischen Gemeinden. Daneben entstanden auch „Unterrichtsmodelle” für Themen der „Umweltgestaltung”, die in Volks- und Hauptschulen, aber auch in Klassen der AHS „getestet” wurden. Das enorme Echo bei Schülern und Eltern motiviert, diese praxisbezogenen Unterrichtsinhalte - sie sind im Fach Bildnerische Erziehung verankerbar - weiterzuentwickeln.

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