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... denn sie wissen nicht, was sie wollen

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Am 1. März krachte es in Wien noch ganz spontan. Rund 400 Jugendliche demonstrierten um der Demonstration willen. Zürich und Berlin galten als Vorbild. Ein paar Schaufenster gingen in Brüche, Polizisten wurden bespuckt. Und 97 Demonstranten verhaftet, die in der Nacht darauf noch freigelassen wurden.

Freitag, 6. März: Am Abend treffen sich die Demonstranten im einschlägig bekannten Lokal „Rotstilzchen“ in der Margaretenstraße 99, um das kommende Wochenende zu besprechen. Am Montag zuvor noch bestritt Bundeskanzler Kreisky das Vorhandensein von sogenannten linken Jugendlichen - am Samstag schon war sein Sohn dabei.

An diesem Tag geht es um 15 Uhr erneut los: Am Wiener Flohmarkt formieren sich rund 900 Jugendliche - Idealisten, Chaoten, Punker, Vornehme. Mit von der Partie: ein Rudel Journalisten. Das „Zeit-im-Bild“-In-

landsteam ist fast vollständig versammelt. Man wartet auf Gewalt.

Die Parolen auf den Flugblättern: „Wir wollen alles, sonst nichts“, „Für einen heißen Frühling“, „Kampf der Polizeigewalt“. Die Forderungen diesmal: unverändert. Demonstrationsfreiheit ohne Anmeldezwang, gegen Lehrlingsunterdrückung, repressives Schulsystem, Rassenfreiheit, Nulltarif in der Straßenbahn, Abrüstung.

Organisator der diesmal angemeldeten Demonstration ist Peter Florianschütz (22), der angeblich aus einer aristokratischen Familie kommt und seit neuestem durch die Fernsehsendung „Ohne Maulkorb“ zum ORF-Mitar- beiter avanciert ist.

Er ist genauso Mitglied der vor Jahren gegründeten „Gewerkschaftsgruppe Schülerzeitungen“ im ÖGB wie einer der Verantwortlichen der „Schülerzeitungsagentur SZA“, Josef „Beppo“ Stuhl: Auch dieser ist im Protestler-Kreis bestens bekannt.

Wpgegen an diesem Samstag demonstriert wurde, wissen die meisten nicht. Parolen gegen Boulevardblätter, Forderung nach Freilassung jener vier deutschen Staatsbürger, die wegen ihrer Randaliertätigkeit am vergangenen Sonntag verhaftet worden waren (und schon längst abgeschoben sind), Anarchie.

Neben Bruno Kreisky jr. sind auch noch andere Prominentensöhne mit von der Partie. Der Hauptteil wird je doch von Feministinnen, Punkern una sogenannten Harmlosen gebildet. Die 16jährige Sonja: „Natürlich gibt es hier einen Haufen Idioten, aber die meisten sind friedlich. Die „Demo“ soll zeigen, daß es auch ohne Gewalt geht.“

Wogegen aber, ist nicht klar.

Auf jeden Fall marschieren rund 900 junge Menschen, diesmal ohne Zwischenfälle. Erst auf der Kärntner Straße fliegen ein paar Mistkübel, wenige Sprengkörper, gehen los. Ein paar Krawallmacher schreien lauthals. Die Polizei hält sich im Hintergrund. Einheiten des Sonderkommandos fahren mit Bussen den Demonstranten nach und halten sich bereit. Aber es passiert nichts.

Der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, Heinrich A. Heinz, dessen Fraktion im Bezirk zwei Jahre zuvor einen Jugendclub verhinderte, marschierte diesmal an der Spitze des Demonstrationszuges mit, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Als bei der Abschlußkundgebung von ihm eine öffentliche Stellungnahme verlangt wird, muß er passen: Ohne die Anwesenheit eines Bezirksmandatars der Oppositionsfraktion sage er nichts, teilt er den Veranstaltern kleinlaut mit.

Und die fordern schließlich für das kommende Wochenende ein offenes Jugendparlament am Stephansplatz. Ob bis dahin klar ist, worüber gesprochen werden soll, ist noch nicht bekannt.

Mit einem Chor („Nächste Woche wieder“) löst sich die Versammlung auf. Jetzt wird entweder diskutiert oder Auslagen geschaut. Die sind heute intakt geblieben.

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