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Der 21.

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Die in der Tschechoslowakei zu Ende gagangenen oder noch zu erwartenden politischen Prozesse gegen Anhänger des Prager Frühlings 1968 sind nur ein Teil der gegenwärtig in der CSSR laufenden großangelegten Kampagne gegen die tschechoslowakischen Reformer. Die politischen Prozesse bilden nur die Spitze eines Eisberges von Maßnahmen, die in Prag vorbereitet werden und über die nur sporadisch Einzelheiten durchsickern.

Die Warnung des Zentralorgans der KPTsch „Rüde prävo“, daß man mit aller Schärfe gegen die Gegner des Husdk-Regimes vorgehen werde, ist ernstzunehm'en.

Welche Formen dieser „Kampf“ annehmen wird, gab der Vorsitzende des obersten Gerichtes der CSSR, Dr. VojtSch Pfichystal, auf einer Tagung des „Rechtsausschusses“ des tschechoslowakischen Parlaments bekannt. Nach einer vertraulichen Mitteilung Pfichystals bereiten, die tschechoslowakischen Gerichte Maßnahmen vor, die gegen die politischen Gegner gerichtet sind, und von denen man sich weitreichende Erfolge verspricht. So sollen Personen, die „unzuverlässig“ sind und die von Gerichten nicht verurteilt werden können, „ihre persönliche Freiheit in bestimmter Art verlieren“. Was sich hinter dieser wenig aussagenden Formulierung verbirgt, erklärte dann Dr. Pfichystal als zwangsweise Anweisung zur Arbeit' oder „beschränkte Möglichkeit, die Freizeit auszunützen“.

Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß in der Tschechoslowakei — so wie in den fünfziger Jahren — Arbeitslager für politische Gegner errichtet werden, in die jeder Bürger ohne Gerichtsurteil eingeliefert und auf unbeschränkte Zeit zur „Arbeit für den Ausbau des Sozialismus“ gefangengehalten werden kann. Bei weniger „gefährlichen“ Unzuverlässigen kann dagegen angeordnet werden, daß sie an bestimmten Tagen der Woche nach ihrer Arbeitszeit noch ein manuelles Arbeitspensum, ohne Lohn oder Gehalt dafür zu beziehen, leisten müssen.

Vor dem vierten Jahrestag des 21. August will man „reinen Tisch“ mit politisch Andersdenkenden machen. Seit einigen Wochen ist in Prag eine Gruppe sowjetischer Spezialisten für die Bekämpfung von Untergrundliteratur (Samisdat) eingetroffen. Die sowjetischen Experten sind in der Zentrale des tschechoslowakischen Staats Sicherheitsdienstes in der Prager Sadovä-Straße tätig und sollen ihre CSSR-Kollegen bei der Fahndung nach illegalen Druckereien und Verbreitern von Flugblättern unterstützen, wobei sie ihnen die neuesten sowjetischen Erfahrungen zur Verfügung stellen. Ihre Hauptaufgabe aber ist die Ausforschung der Herausgeber jener regelmäßig erscheinenden Samisdat-Zeitschrift, die über die internen und vertraulichen Vorgänge im Staats- und Parteiapparat der CSSR ausführlich berichtet.

RUDOLF STRÖBINGER verbreitet die Ausnützung solcher Gesetzeslücken wohl ist.

Nehmen wir Sir Bernard Kenyon, den Syndikus eines Landkreises in Yorkshire. In den letzten drei Jahren vor seiner Pensionierung war er in mehreren Gesellschaften Poulsons als Direktor tätig. Gleichzeitig wirkte er seitens des Landkreises an der Vergabe von mehr als dreißig Aufträgen an Poulson mit. Diese Durchdringung von Kreisverwaltung und Privatunternehmen erfolgte mit Kenntnis und Billigung des Kreisrates. Denn merkwürdigerweise bedarf es lediglich einer derartigen Zustimmung, um den Erfordernissen des Gesetzes voll zu entsprechen.

Da sind schließlich die Politiker. Der konservative Abgeordnete John Cordle hat gute Geschäftsverbindungen mit Westafrika. Durch seine Vermittlung bewarb sich Poulson erfolgreich um Aufträge in Liberien und Nigerien. Die Spesen, die Cordle bei seiner Gefälligkeit entstanden, wurden ihm großzügig vergütet. Nach und nach überwies Poul-son an den Mandatar 5928 Pfund.

Doch auch andere Abgeordnete gewann Poulson für seine Geschäfte. Albert Roberts, ein Mandatar der Arbeiterpartei, nahm von ihm im ganzen 11.000 Pf Und in Empfang. Sir Herbert, Butcher, ein ehemaliger Parlamentarier, war Poulson sogar 21.666 Pfund wert.

Noch direkter arbeitete Reginald Maudling, der eben zurückgetretene Innenminister, mit Poulson zusammen. Als oppositioneller Abgeordneter leitete er drei Gesellschaften, in denen Poulsons Gattin die Aktienmehrheit besaß. Aus zweien dieser Firmen schied er 1968 und 1969 sukzessive wieder aus. In der dritten blieb er bis zum Juni 1970 Direktor. Erst als die Konservativen die Wahl gewannen und er in die Regierung berufen wurde, gab er den Posten an seinen Sohn ab.

Solange er letztere Stellung innehatte, verzichtete Maudling für sich auf jede Vergütung. Stattdessen war ausgemacht, Beträge in Höhe seines Gehalts als Spenden den Treuhändern eines Theaters zugehen zu lassen. Alles in allem erhielt das Theater von Poulson 22.000 Pfund ausbezahlt.

Aus dem, was bisher bekannt wurde, kann man Maudling schwerlich einen Strick drehen. Als Innenminister wäre ihm aber die Polizei unterstanden, deren Erhebungen jetzt mehr Licht in die ganze Affäre bringen sollen. Die Unvereinbarkeit dieser Zuständigkeit mit einer möglichen Parteilichkeit war der unmittelbare Anlaß zu Maudlings Rücktritt.

Ohne Zweifel erhebt sich im Fall Poulson die Frage, inwieweit und nach welchen Regeln Politik und Geschäft vereinbar sind. Bislang unterlagen Parlamentarier bloß bei Anfragen und bei Eingaben an offizielle Stellen der Verpflichtung, ihre einschlägigen Geschäftsinteressen bekanntzugeben. Die Praxis der Liberalen geht allerdings weiter. Denn sie legten ein Register auf, das über sämtliche Geschäftsbeteiligungen ihrer Abgeordneten Auskunft gibt. Doch hat sich nicht einmal diese Partei dazu durchgerungen, auch den Aktienbesitz der Mandatare zu veröffentlichen.

Bei Ministern sind die Vorschriften strenger. Sie müssen vor Übernahme ihres Amtes sämtliche Führungsposten in der Wirtschaft zurücklegen. Das hat kurioserweise zur Folge, daß man über ihre geschäftlichen Interessen oft weniger weiß als zuvor. In bezug auf ihre Direktoren müssen nämlich alle Gesellschaften die persönliche Aktienbeteiligung nebst jener der Angehörigen genau ausweisen. Scheidet der Direktor aus, fällt diese Information weg.

Um Konflikte zwischen Gemeinwohl und Selbstsucht zu vermeiden, wird die Verwaltung der Aktien immerhin üblicherweise einem Dritten übertragen. Außerdem werden die Ressorts so verteilt, daß kein Minister für den Bereich seiner Geschäftsbeteiligungen zuständig ist. Alle diese regierungsinternen Maßnahmen beugen gewiß der Korruption vor.

Nach den jüngsten Enthüllungen erscheint es indes wünschenswert, vor allem die öffentliche Aufsicht zu verstärken. Das Register der Liberalen müßte durch einen Ausweis über den Aktienbesitz ergänzt und auf die Abgeordneten aller Parteien ausgedehnt werden. Dann könnte sich natürlich auch jedermann über die finanziellen Verhältnisse der Minister eingehend informieren. Obwohl derartige Reformen mit so manchen Machtpositionen kollidieren, dürfte sich in Bälde ein parlamentarischer Ausschuß mit ihnen zu befassen haben.

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