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Der Adler von Triest

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Der höchstdekorierte Offizier der alten österreichischen Armee verkörperte die besten soldatischen Tugenden - auch im Zivilleben: Tapferkeit und Un-eigennützigkeit.

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Der höchstdekorierte Offizier der alten österreichischen Armee verkörperte die besten soldatischen Tugenden - auch im Zivilleben: Tapferkeit und Un-eigennützigkeit.

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Von Goethe wissen wir, daß der Mensch im Alter eines seiner großen Vorrechte verliert, nämlich von seinesgleichen beurteilt zu werden. Dies trifft aber nicht auf Gottfried Freiherr von Banfield zu, der jetzt, im biblischen Alter stehend, in Triest gestorben ist.

Der am höchsten dekorierte Soldat der k. u. k. Armee, als „Adler von Triest“ in die Kriegsgeschichte eingegangen, war schon zu Lebzeiten eine Legende. Einem alten irischen Geschlecht entstammend, kam er 1890 in Castel-nuovo zur Welt.

Der Vater, noch als britischer Untertan geboren, war Seeoffizier und kämpfte mit Tegetthoff in der Schlacht bei Lissa. Gottfried wuchs zusammen mit Georg Trapp, dem Vater der späteren „Trapp-Familie“, auf und wurde, der Tradition folgend, Seeoffizier.

Der Fregattenleutnant erwirbt 1912 den Marinefliegerschein Nummer 4. Österreich-Ungarn ist damals Luftmacht. Alles, was Rang und Namen hat, trifft sich in Wiener Neustadt. Im Krieg wird Banfields „blauer Vogel“, in Wirklichkeit eine klapprige Kiste aus Holz, zum Phänomen der Isonzofront.

Von 1916 an bis zum bitteren Ende kommandiert er die Seeflugstation Triest, Tag und Nacht bereit, die Hafenstadt vor italienischen Angriffen zu schützen. Er erzielt 18 Abschüsse, erzählt aber nie, auch nicht im kleinen Kreis, von seinen Abenteuern. Hinter dem Abenteuerlichen steckte aber viel technisches Wissen und fliegerisches Können.

Banfield führte den Luftkampf immer ritterlich, mied ihn als praktizierender Christ stets zu Ostern und zu Weihnachten. Schwer verwundet, flickte ihn der Admiralstabsarzt Dr. Eiseisberg, der berühmte Chirurg, wieder zusammen.

Schließlich erhält er den There-sienorden, den höchsten Orden der alten Armee. Auszeichnung reiht sich an Auszeichnung. Er nahm sie hin, ohne Gleichgültigkeit zu heucheln.

Aber sein Kommandantenzimmer zierte keine Granate als Briefbeschwerer. Nur ein silberner Lorbeerkranz hing an der Wand. Die Armen der Vorstädte von Triest haben ihn gestiftet, für ihn, „den Hüter der Stadt“. Auf ihn war er sein ganzes Leben stolz.

Im November 1918 wurde die rotweißrote Fahne zur See eingeholt. Österreich wurde zum kleinen Binnenstaat, Banfield zum Italiener. Vorher arbeitet der Linienschiffsleutnant a. D. als Mechaniker, zuerst bei den weltbekannten Skodawerken in der Tschechoslowakei und auf einer Werft in England. 1925 übernahm er das Bergungsdepartment der D. Tripcovich Schiffahrts A. G. in Triest.

Sein Ruf als Bergungsfachmann ging rasch um die ganze Welt. 1956 räumte er innerhalb weniger Monate den durch Wracks verrammelten Suezkanal. Eine Arbeit, die die Engländer als eine Arbeit von mehreren Jahren bezeichnet hatten, die Banfield aber in kurzer Zeit schaffte.

Banfield hat aber auch immer Zivilcourage bewiesen. Eine Eigenschaft, die bekanntlich auch bei tapferen Soldaten nicht oft vorkommt.

1945 verhinderte er als Zivilist durch sein mutiges Eintreten die Sprengung der Hafenanlagen von Triest durch die deutschen Marinebehörden. Das haben ihm die Triestiner, die ihn liebevoll „il Barone“ nennen, nicht vergessen.

Schon im hohen Alter stehend, hatte er sich mit Verve dafür eingesetzt, daß die Pipeline nicht von Genua aus, sondern von Triest nach Ingolstadt führt. Triest muß leben, sagte er immer, denn die Stadt, einst unter Österreichs Herrschaft einer der größten Häfen der Welt, siecht heute dahin, eine Stadt ohne Hinterland.

Banfield war auch Ehrenbürger von Venedig, Mitglied der französischen Ehrenlegion, und Bundespräsident Rudolf Kirchschläger verlieh ihm, der seit Jahrzehnten italienischer Staatsbürger war, auch noch die österreichische Staatsbürgerschaft.

Mit dem Tode Banfields, des letzten Theresienritters, gehört nun auch dieser ruhmreiche Orden der Geschichte an. Die Kaiserin Maria Theresia hatte ihn am 18. Juni 1757 nach dem Sieg Dauns über die Preußen bei Kolin gestiftet. Seine Statuten blieben mit geringfügigen Ergänzungen bis zum letzten Ordenskapitel im Jahre 1931 in Kraft.

Der österreichische Nationalrat hatte vor Jahren beschlossen, den letzten Theresienrittern einen Ehrensold zukommen zu lassen. Aber schon damals handelte es sich nur mehr um eine kleine Gruppe alter Herren.

Das Besondere des Theresien-ordens lag darin, daß man sich selbst um ihn bewerben mußte und mit ihm bis zum Jahre 1918 die Verleihung des Adels (Baronie) und eine Pension verbunden war.Das sogenannte Ordensvermögen zerrann aber schon in der Inflationszeit.

Allein die Bestimmungen für den Orden waren für die Feudalzeit im 18. Jahrhundert ungewöhnlich, nämlich irgendwie demokratisch. Der Orden war für Offiziere aller Ränge bestimmt. Auf Herkunft, Religion und Alter wurde keine Rücksicht genommen.

In den Statuten stand, „daß weder hohe Geburt und vieljährige Dienstzeit noch erlittene Verwundung und frühere Verdienste einen Anspruch bedingen dürfen, sondern einzig die Vollbringung einer besonders herzhaften Waffentat oder überragende Führerleistungen“.

Die Meinung, daß man durch eine ohne oder gegen den Befehl vollbrachte siegreiche Tat ordenswürdig geworden wäre, ist unrichtig. Diese Vorstellung hat sich aber mit großer Hartnäckigkeit gehalten.

Um Irrtümer hinsichtlich der Ordenswürdigkeit zu vermeiden, hat Kaiser Franz Joseph 1878 zu den Statuten noch hinzugefügt, daß „wohl durch geistiges Eingreifen in eine unvorhergesehene Lage, niemals aber durch Unbotmäßig-keit und Ausschreitungen persönlichen Ehrgeizes die Ordenswürdigkeit begründet werden könne, selbst dann, wenn eine dem Erfolg nach glänzende Waffentat vorliegt.“ Somit war jedem sinnlose Opfer und Blut kostenden Ehrgeiz eine Schranke gesetzt.

Der Orden, dessen Wahlspruch ,.Fortitudini“ lautete, bestand zunächst aus zwei Klassen, dem Ritterkreuz und dem Großkreuz, erhielt aber 1765 mit dem Kommandeurkreuz noch eine dritte. Der Orden wurde von 1757 bis 1918 insgesamt 1243mal verliehen. Von den 229.000 k. u. k. Offizieren des Ersten Weltkrieges waren nur 125 ordenswürdig. Beworben hatten sich aber 1072.

Nach 1918, als die Nachfolgestaaten entstanden und mit ihnen neue Heere, wurden die einst übernational denkenden k. u. k. Offiziere zu tschechischen, jugoslawischen, ungarischen und polnischen Staatsbürgern. Ihre Spuren verloren sich mit der Zeit.

Manche allerdings haben in den Nachfolgestaaten höh militärische Positionen erreicht, aber auch im Zivilleben erfolgreich Karriere gemacht. Sie waren gewohnt, eigene Wege zu gehen.

Beim 225. Ordensfest am 18. Juni 1982 haben nur noch zwei Ritter gelebt. Nun ist auch der letzte zur „großen Armee“ abberufen worden.

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