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Der Alltag im Staatsdienst

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Der Beruf des „Beamten" hat in Österreich eine lange und große Tradition. Ein neues Buch bietet mehr als die Geschichte eines Berufsstandes.

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Der Beruf des „Beamten" hat in Österreich eine lange und große Tradition. Ein neues Buch bietet mehr als die Geschichte eines Berufsstandes.

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Rund 580.000 Beamte zählt man im Jahre 1984 der Zweiten Republik in Österreich. Das ist mehr als ein Viertel der unselbständig Erwerbstätigen. Daß dieser heute durch einige schwarze Schafe umstrittene Stand fast achthundert Jahre alt ist, wissen wenige.

Bruno Schimetschek schildert in seinem neuen Buch die Ge-

schichte des österreichischen Beamten seit den Anfängen des Staatsdienstes im 13. Jahrhundert.

Er hat sich eingehend mit seinem Thema beschäftigt. Daß seine Darstellung vor allem von Sympathie und Hochachtung für die Staatsdiener getragen ist, sollte nicht stören. Sie können nach den vielen Beschimpfungen der letzten Jahre ein Plädoyer, noch dazu von berufener Seite, durchaus vertragen.

Der Beamtenstand entstand ursprünglich aus dem Wunsch der Herrscher nach einer Trennung zwischen den Interessen des Staates und denen des Adels.

In Italien errichtete der Hohen-staufer Friedrich II. den ersten Beamtenstaat, den er als Waffe zur Entfeudalisierung auch in Deutschland durchsetzen wollte. Dies gelang ihm zwar nicht, dafür gründete er im Jahr 1224 in Neapel die erste Staatsuniversität, um

Beamte in der Juristerei auszubilden.

Rudolf I., durchschlagskräftiger Begründer der Habsburger-Dynastie, bediente sich erstmals der hauptamtlichen „Ministerialen".

Bis ins Zeitalter der Massensteuern (Lohn- und Einkommensteuer zum Beispiel) blieb die Entlohnung der Beamten das größte Problem, das vor allem auf Kosten der „kleinen" unter ihnen gelöst wurde. Selbst unter Maria Theresia, die den modernen Zentralstaat begründete, wurden Beamte in den niedrigen Positionen miserabel besoldet, sodaß sie gerne Geschenke von den Herrschaftsbesitzern annahmen, was stillschweigend geduldet wurde.

Unter Josef II. erlebte der rasch gewachsene Beamtenstaat seine ersten Verfallserscheinungen. Mit Erlässen, Denkschriften und Verordnungen wucherte die Bürokratie, statt echter Reformen, Gesetze und Gesetzchen am laufenden Band.

Da der Kaiser selbst unermüdlich arbeitete, wagten auch die Beamten nicht zu rebellieren. Josefs Grundsatz: „Wer dem Staat dient, muß sich gänzlich hintansetzen. Aus diesem folgt, daß kein Nebending, kein persönliches Geschäft, keine Unterhaltung ihn von dem Hauptgeschäfte abhalten muß..."

Befehden einander heute die Beamten verschiedener Couleurs, so gab es unter Josef II. sogar ein

System der „geheimen Anzeigen". Die Beamten wurden belohnt, wenn sie einander denunzierten.

In diesem unerfreulichen Klima war auch die erstmalige Einführung von Beamtenpensionen nur ein schwacher Trost, umsomehr als die jüngeren Beamten die älteren schikanierten, um sie zu einer früheren Quittierung des Dienstes zu bewegen.

Es muß sehr stark an der Mentalität der Österreicher liegen, daß hier Beamte den wichtigsten Einfluß auf die Ausformung des Staatsgebildes hatten, während beispielsweise in England Kaufleute das größte politische Gewicht hatten.

Trotz Druck von oben und unten, schlechter Besoldung und langer Wartezeiten blieb der Beamtenberuf vor allem in wirtschaftlichen Krisenzeiten attraktiv. Im Vormärz bewarben sich um eine Kanzlistenstelle im Staatsrat nicht weniger als 45 Kandidaten.

Der altösterreichische Beamte blieb bis heute ein Vorbild, dem auch die vielfach durch Beamte verursachten Skandale der letzten Zeit nichts anhaben konnten. Warum?

Da ist zunächst einmal die große Kontinuität in einer Zeit raschen Wandels: Die Minister kommen und gehen, die Sektionschefs bleiben.

Es Ät aber auch die typisch österreichische Beamtenkultur — dazu muß man gar nicht erst Edu-

ard von Bauernfeld und Franz Grillparzer erwähnen. Die Beamten hatten stets engste Verbindungen mit der Wissenschaft und den Hochschulen.

Und da ist zuletzt die strikte Forderung nach Uberparteilichkeit, ob man sie wie einst auf den Gegensatz Kaiser/Adel oder wie heute auf die politischen Parteien bezieht. Wo die Beamten diesem Grundsatz der Uberparteilichkeit treu blieben, waren sie glaubwürdig und geachtet, als Fachleute wie als Diener des Staates. DER OSTERREICHISCHE BEAMTE. Von Bruno Schimetschek. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1984. geb., 227 Seiten, öS 296,-.

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