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Der Athos ohne Mönche?

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Die Mönchsrepublik Athos ist ein Reservat der Stille und des Friedens. Gefährden nun Nachwuchsmangel und die drohende touristische Erschließung diese Beschaulichkeit?

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Die Mönchsrepublik Athos ist ein Reservat der Stille und des Friedens. Gefährden nun Nachwuchsmangel und die drohende touristische Erschließung diese Beschaulichkeit?

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Festlich der Tag und voll Freude die Stunde: Mit einer Vigilfeier am Vorabend des Festes Petrus und Paulus feierte die Erzdiözese Wien auch Kardinal Franz König, der am 3. August sein 80. Lebensjahr vollendet.

Petrusamt und Paulusdienst im Leben des Kardinals würdigte der Salzburger

Vigilfeier für Kardinal König

Erzbischof Karl Berg in seiner Predigt, wobei er vor allem Königs Verdienste unterstrich, „daß in Österreich trotz aller sozialer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen ein Klima des Vertrauens besteht”. Das Leben des Kardinals habe „viele Vorurteile abgebaut und Brücken geschlagen”. Zudem hob er die „paulinische — und damit eigentlich weltweite — Komponente”, Königs Bedeutung für das dialogische Leben, hervor.

Symbolisch für dieses Wirken auch die Anwesenden bei der Vigilfeier: Nuntius Michele Cecchini und zahlreiche Vertreter der Ostkirchen, Bischöfe aus ganz Österreich, dazu die Repräsentanten des öffentlichen Lebens, an der Spitze Bundespräsident Rudolf Kirchschläger. Kardinal König dankte in sehr persönlichen („Erst am Dienst, an der Aufgabe bin ich gewachsen.”) und offenen Worten („Ich wurde zum Erzbischof von Wien ernannt, geworden bin ich es erst im Laufe der Zeit.”) und wurde mit minutenlangem Beifall im Dom bedacht.

Bei einer anschließenden „Geburtstagsfeier” im Wiener Erzbischöflichen Palais dankte Bundespräsident Kirchschläger dem Kardinal für sein „wahrhaft geschichtliches Wirken” und hob dabei besonders seine Friedensarbeit sowie das Zeugnis hervor, „daß Wissenschaft und Glaube vereinbar sind”.

Die Mönchsrepublik Athos im Norden Griechenlands ist eine Welt für sich — dieses Gefühl vermittelt bereits die Wanderkarte, die einen Kontinent en miniature mit Bergen, Bächen, Buchten, Niederungen und Wäldern zeigt. Wie ein ausgestreckter Finger ragt die Athos-Halbinsel weit in das Ägäische Meer. Sie ist nicht auf dem Landweg, nur mit dem Boot erreichbar. Ein Kaiki, ein griechisches Fischerboot, bringt Mönche und Besucher von Oura-noupoli oder Tripiti nach Dafni.

Früher warteten Maultiere an der Mole, die den Besucher über einen holprigen Bergpfad nach dem Verwaltungsort Karies brachten. Seit der Tausendjahrfeier von 1963 gibt es eine Serpentinenstraße, einen Autobus und einige Jeeps. Der erste Schritt zur touristischen Erschließung des Athos ist damit getan, und die Reisemanager können hoffen, daß die Mönche eines Tages ihre strengen Zulassungsbestimmungen, die teilweise noch aus der Zeit der Jahrtausendwende stammen, fallenlassen und die Klöster einem breiten Besucherstrom öffnen. Nach wie vor ist Frauen der Zutritt untersagt.

Man weiß, daß es auf dem heiligen Berg an Nachwuchs fehlt und daß die Klöster der Verarmung und dem Verfall preisgegeben sind. Die materielle Hilfe, die früher in Form von Stiftungen hochherrschaftlicher Häuser und von Latifundienerträgen aus Rußland und vom christlich-orthodoxen Balkan kamen, ist seit den politischen Veränderungen in jenen Ländern ausgeblieben, so daß die zwanzig Hauptklöster und die kleineren Mönchsgemeinschaften auf Athos jetzt von ihren selbstangelegten Wein-, Oliven- und Gemüsekulturen sowie von dem verbliebenen Landbesitz in Griechenland und von bescheidenen Privatschenkungen leben.

Ein trauriges Symbol des Niedergangs ist das russische Kloster des heiligen Andreas. Es ragte einst unter den Klöstern des Athos durch seine schloßartige Anlage und prachtvolle Ausstattung hervor. 700 Mönche lebten in seinen Mauern, als die russische Oktoberrevolution ausbrach; jetzt sieht man nur noch wenige uralte Männer. Die Holzbetten und Bänke der Zellen sind von dem Schutt rissiger Wände und eingefallener Gewölbe bedeckt, Türen sind aus den Angeln gebrochen, es liegt rostendes und moderndes Gerumpel umher. In den Handwerksräumen und Ställen, auf den Baikonen wuchert Unkraut, auf den Marmorplatten der Kirche spielen verwahrloste Katzen. Ein ähnliches Bild des Verfalls bieten die Klöster der serbischen, bulgarischen, rumänischen und albanischen Mönche.

Der Athos ohne Mönche — das ist so ähnlich wie die Rheinburgen ohne Ritter. Im Geist sieht man schon Ausflugsschiffe herandampfen, sieht man, wie bereits real auf den beiden anderen Halbinseln von Chalkidike, auch auf Athos, Touristenhotels in die Höhe schießen. Einstweilen aber kann man in der Mönchsrepublik noch denkwürdige Begegnungen erleben.

Wer wird schon den Mönch vergessen, der uns bei der Ankunft im malerisch gelegenen Kloster Iviron eine schwerduftende Kamelienblüte überreicht, bevor er das traditionelle Willkommensmahl auftischt — zuerst ein Gläschen Anisschnaps und einen geleeartigen, mit Puderzucker überstäubten Honigwürfel, später eine Karaffe Wein, Kartoffeln mit Zwiebeln und Oliven und schließlich Löwenzahnsalat.

Von den Wänden des spartanisch eingerichteten Raumes blik-ken die Konterfeis orthodoxer Patriarchen und Metropoliten auf uns herab. Einige Mönche setzen sich zu uns an den Tisch und fragen uns nach dem Woher und Wohin. Sie tragen den hohen Filzzylinder, Kalymafchion genannt, und das lange schwarze Mönchsgewand. Das Haar haben sie zu einem Knoten hochgesteckt, ungeschoren und eindrucksvoll sind auch ihre wallenden Barte.

In der Klosterbibliothek werden uns kunstvolle byzantinische Handschriften, wertvolle Kirchengeräte, Gewänder und Pretiosen gezeigt. Schöne Mosaiken und Fresken, in Silber und Edelsteinschmuck eingefaßte, angeblich wundertätige Ikonen schmücken die kreuzförmig gebaute, kuppelgekrönte Kapelle. Man lädt uns ein, an den Gottesdiensten teilzunehmen, die sich auf mehrere Stunden des Tages verteilen, und wir wundern uns über einige Mönche, die während des Psalmodierens Kürbiskerne kauen.

Unheimliche Nächte

Nachts weckt uns der hölzerne Klang der Stundentrommel, die zum Gebet aufruft. Schweigend ziehen die Mönche mit Kerzen und Taschenlampen an unserem Fenster vorbei. Der Nachtwind trägt ihren schleppenden, orientalisch anmutenden Gesang zu uns herüber. Aber auch die Geräusche umherhuschender Mäuse sind zu vernehmen. Recht unheimlich werden die Klosternächte, wenn ein Sturm aufkommt. Zum Schutz gegen Piratenüberfälle wurden viele Athos-Klöster hochgebaut, ihre Balkontrakte schweben über schroffen Abgründen.

In der Küche und im Garten, beim Anblick der Geräte und Zisternen, fühlen wir uns immer wieder in die Vergangenheit zurückversetzt. Das Brot wird in Steinöfen gebacken und in großen Holzkisten aufbewahrt. Jedes Fleckchen bebaubaren Bodens wird ausgenutzt. In einigen Klöstern beschäftigen die Mönche griechische Landarbeiter, andernorts hat man sich über das Verbot alles Weiblichen hinweggesetzt und hält Hühner, Katzen und Kühe. Uber diese Mißachtung der religiösen Vorschriften ereifern sich am meisten die Einsiedler, die ihre Lebensbedürfnisse auf das Mindeste reduzieren und so dem himmlischen Vater am besten zu dienen glauben.

In früheren Jahren wurden Besucher in allen Klöstern kostenlos aufgenommen, verköstigt und mit Wegzehrung versorgt. Die Athos-Klöster genossen Steuerfreiheit. Die Besteuerung durch die griechischen Obristen (Athos untersteht griechischer Oberhoheit; die Selbständigkeit der Mönchsrepublik ist auf die innere Verwaltung beschränkt), vor allem aber ein zunehmender Mißbrauch der Gastfreundschaft führten dazu, daß einige Klöster nur noch Speise und Nachtlager gegen Bezahlung gewähren uritT andere die Gästeaufnahme ganz eingestellt haben.

Nur noch 1000 Mönche

Zu den einzelnen Klöstern führen nur schmale Pfade. Zahlreiche Bergvorsprünge und Schluchten müssen bewältigt werden. Man wandert am Meerufer entlang und dann wieder durch unwegsames Berggelände. Als Preis für dieses anstrengende Auf und Ab sieht man unvermutet eines der hochragenden, märchenhaft wirkenden Klöster vor sich. Die Klöster halten ihre Tore nur bis Sonnenuntergang geöffnet. Danach findet niemand mehr Einlaß. Hin und wieder begegnet man einem der umherwandernden Bettelmönche und plaudert mit ihm eine Weile. Nur noch rund eintausend Mönche leben heute auf dem Athos; über vierzigtausend waren es in byzantinischer Zeit.

Auf dem heiligen Berg hat jeder Zeit für dt.i andern, wie überhaupt die Fülle an Zeit und die Stille für den Besucher das elementare Erlebnis ist — jene Stille und freie Zeit, die dem modernen Menschen so oft zur Ratlosigkeit wird. Hinzu kommt das Erlebnis der Natur. Athos ist, im Gegensatz zu den meisten griechischen Inseln, ein blühender subtropischer Garten. Die Halbinsel wird von dem steil aus dem Meer emporsteigenden, fast 2000 Meter hohen Athos-Berg überragt. Unter dem blauen ägäischen Himmel leuchtet sein pyramidenförmiger Marmorgipfel wie eine Schneekrone. Darunter das Meer, unruhig oder bewegungslos, und in der Ferne die Konturen der Inseln Lemnos und Thasos.

Der Athos läßt den Kunst- wie den Landschaftsliebhaber reichlich auf seine Kosten kommen. Für den Besucher, der aus dem hektischen Getriebe der modernen Konsumwelt kommt, gibt es keine größere Kontrasterfahrung als die Ruhe des Athos und die asketische Lebensweise seiner Bewohner. Vielleicht aber besteht der Hauptgewinn des Athos-Wanderers darin, den Wert eines Stückes Brot, eines Glases Brunnenwassers und der schützenden vier Wände (wieder)erkannt zu haben.

PS: Von den Besuchern der tausendjährigen Mönchsrepublik wird erwartet, daß sie ein ernsthaftes Anliegen nach Athos führt. Mindestens einen Monat vor dem Besuch ist eine formelle Erlaubnis einzuholen, entweder beim griechischen Außenministerium (Abteilung Kirchen) in Athen, Odos Akademia 3, oder beim Ministerium für Nordgriechenland, Aghiu Demetriu (Dükitirio), Zimmer 218/219. Uber die endgültige Erlaubnis und die Dauer des Aufenthalts entscheidet das atho-nische Patriarchat bei der Ankunft im Verwaltungsort Karies.

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