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Der Basar verdrängt den Fünfjahresplan

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Die islamischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion rücken immer mehr ins Blickfeld der moslemischen Welt (Seite 9). Verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit soll die neuen Partner enger binden.

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Die islamischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion rücken immer mehr ins Blickfeld der moslemischen Welt (Seite 9). Verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit soll die neuen Partner enger binden.

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Während die Saudis als Millionäre und Investoren auftreten, und zwar mit Vorliebe in Kasachstan, machen sich die Pakistaner besonders in Usbekistan als Händler und Klein-Unternehmer breit, und zwar in großer Zahl. Nicht wenige Pakistaner sind zentralasiatischer Herkunft und fühlen sich dort wie zu Hause. Umgekehrt empfinden die Usbeken und Tadschiken die Pakistaner nicht als Fremde, oder zumindest weniger als andere Ausländer. In Mentalität und Lebensstil ist man sich ähnlich, das erleichtert es den Pakistanern, als Hoteliers oder Export-Import-Kauf-leute,- als Ärzte oder Lehrer, Versicherungsagenten oder Fabrikdirektoren Zugang zu den Einheimischen zu finden.

Eine japanische Firma, die in Taschkent ein effizientes Bürohaus mit allem Zubehör der modernsten Computer-Technik einrichtete, mußte bald wieder schließen, weil sie mit dem Geschäftsgebaren der Usbeken nicht zu Rande kam. Auf der anderen Straßenseite dagegen floriert eine pakistanische Firma inmitten eines heillosen Durcheinander, ausgerüstet mit mechanischen Schreibmaschinen. Hier wird endlos palavert und dabei unendlich viel Tee getrunken.

Der zentralasiatische Markt war ein Traum des 1988 ums Leben gekommenen Diktators Zia ul-Haq.

Der General verbrämte diesen Tatendrang mit Parolen von islamischer Brüderlichkeit. Ist schon bei den iranischen Mullahs, die in der Regel mit Basaris (Kaufleuten) verschwägert sind, Handel und Wandel einer der Triebkräfte hinter ihrem schiitischen Ethos, so ist das beim sunnitischen Pathos der Pakistaner erst recht der Fall.

Außerdem sind islamistische Organisationen aus Pakistan bereits in das „Zentralasien-Geschäft" eingestiegen; denn auch sie sind auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern. Da ist zum Beispiel die besonders rührige Missionsgesellschaft „Tablighijama'at", eine Art pakistanisches Pendant zu den amerikanischen Fundamentalisten mit ihren Televangelisten und riesigen Netzwerken in Lateinamerika. Jene in der ganzen Welt eifrig missionierenden US-Fundamentalisten haben in mehreren Staaten ihren Konvertiten zu politischer Macht verhol-fen, zum Beispiel in Guatemala und Peru, oder auch in Sambia. Da wollen die moslemischen Fundamentalisten (Islamisten) nicht zurückstehen.

Pakistan zählt mit heute rund 120 Millionen Einwohnern zu den überbevölkerten Ländern, ähnlich wie Ägypten mit seinen inzwischen mehr als 60 Millionen. Beide Staaten sind seit Jahrzehnten emsig darum bemüht, ihr überschüssiges „Menschenpotential" abzustoßen, mit Vorliebe in islamische Bruderstaaten. In den neuen Moslem-Republiken sehen sie unbegrenzte Möglichkeiten.

Zur Zeit des Ansturms auf die ölrei-che arabische Halbinsel waren die Ägypter im Vorteil, weil sie arabisch sprechen. Bei der islamischen Kolonisierung Zentralasiens haben die Pakistaner die bessere Ausgangsposi-

tion, einmal wegen der geographischen Nähe, zum anderen wegen der historisch-kulturellen Bande.

Jahrhundertelang waren Tadschiken und Usbeken in großer Zahl nach Indien eingesickert, wo sie im heutigen Pakistan unter der Bevölkerung aufgingen. Nun streben die Pakistaner eine Auswanderung in umgekehrter Richtung an.

Die pakistanischen Islamisten stehen zwar häufig im Solde Saudi-Arabiens, doch unterscheidet sich der Sinngehalt ihrer Botschaft kaum von

dem der schiitischen Islamisten auf der Imamslinie (der Linie des Imam Khomeini).

Doch Islamismus ist nicht gleich Islam, die neue Ideologie setzt andere Akzente als die alte Religion. In der Regel haben es deshalb die Islamisten in den Kernländern des Islam schwer, und stellenweise werden sie heftig verfolgt, wie zum Beispiel in Syrien und Tunesien. Sie sind daher ständig auf der Suche nach Neuland, um ihren Vorstellungen vom Islam als politischem System (Islamismus) zum

Durchbruch zu verhelfen.

Ein typisches Beispiel ist Algerien, das zur Zeit der Unabhängigkeit im Jahre 1962 kaum mehr als ein Dutzend Islamisten zählte.

Die Algerier brauchten dringend Schullehrer, vor allem für Arabisch. Die Islamisten Ägyptens, Syriens, Jordaniens und anderer Staaten erblickten darin eine goldene Gelegenheit und bewarben sich; mit dem Resultat, daß Algerien heute die wohl stärkste islamistische Partei (FIS) der gesamten Welt des Islam besitzt.

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