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Der Bauer als Millionär

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Eine Raimund-Variation zum Thema „Der Bauer als Millionär“ steht in Österreich kurz vor der Vollendung. Autor: Landwirtschaftsminister Günter Haiden. Die betroffenen Bauern allerdings fühlen sich in ihrer angeblichen Millionärsrolle gar nicht wohl. Im Gegenteil: Milchpreis, schlechte Aussichten am Getreide- und Viehmarkt, erhöhte Einheitswerte, Dieselölpreis und Mehrwertsteuersorgen treiben die Bauern auf die Straße. Auch diese Woche wollen 4000 bis 5000 bäuerliche Demonstranten in Wien ihrem Unmut Luft verschaffen.

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Eine Raimund-Variation zum Thema „Der Bauer als Millionär“ steht in Österreich kurz vor der Vollendung. Autor: Landwirtschaftsminister Günter Haiden. Die betroffenen Bauern allerdings fühlen sich in ihrer angeblichen Millionärsrolle gar nicht wohl. Im Gegenteil: Milchpreis, schlechte Aussichten am Getreide- und Viehmarkt, erhöhte Einheitswerte, Dieselölpreis und Mehrwertsteuersorgen treiben die Bauern auf die Straße. Auch diese Woche wollen 4000 bis 5000 bäuerliche Demonstranten in Wien ihrem Unmut Luft verschaffen.

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Unmittelbar nach der Nationalratswahl vom 6. Mai sahen die Bauern eine Generaloffensive des Landwirtschaftsministers Günter Haiden anlaufen. „Die Bauern werden an jeder Ecke zur Kasse gebeten“, klagt Bauernbund-Mitarbeiter Erwin Pröll. Haidens Griff auf die agrarischen Brieftaschen wird einerseits darauf zurückgeführt, daß sich Finanzminister Hannes Androsch bei seinem nicht sehr standfesten Ressortkollegen Haiden recht einfach schadlos halten kann, anderseits darauf, daß die Sozialisten nach dem Wahlausgang im ländlichen Raum die Belastbarkeit der Bauern für schier grenzenlos erachten.

Harte Auseinandersetzungen gibt es zur Zeit im Zusammenhang mit der seit einem Jahr geltenden Milchkontingentierung. Dieses neue System, auf das sich der Bauernbund nun einmal eingelassen hat, zielt (im Gegensatz zur alten Krisengroschen-Regelung) auf eine wirksame Eindämmung der Milchüberproduktion ab.

Konkret funktioniert das System der Kontingentierung so, daß jedem Milchproduzenten die sogenannte „Einzelrichtmenge“ zugeteilt wird. Die Summe der „Einzelrichtmengen“ aller heimischen Milchlieferanten ergibt die „Gesamtrichtmenge“ (im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2,145.000 Tonnen), das ist jene Menge, die in einem offenbar noch tolerablen Ausmaß über dem Inlandsabsatz liegt (Der Inlandsabsatz war im Marktordnungsgesetz mit 1,773.000 Tonnen prognostiziert, erreichte aber nur 1,742.000 Tonnen, was dadurch zu erklären ist, daß es 1979 keine Butteraktionen gab).

Liefert der einzelne Bauer Milch bis zur Höhe der Einzelrichtmenge hat er keine Nachteile. Lediglich für einen Teil der für den Export bestimmten Uberschuß-Produktion haben die Bauern gemeinsam mit dem Bund einen allgemeinen Absatzförderungs-Beitrag zu zahlen. Liefert der Bauer aber mehr als ihm die Einzelrichtmenge zugesteht, zahlt er ein kräftiges Pönale: Für jeden Kilo' Milch wurden ihm im Wirtschaftsjahr 1978/79 (im Jahresdurchschnitt) 1,17 Schilling vom Preis abgezogen (zusätzlicher Absatzförderungsbeitrag).

Der Landwirtschaftsminister ist nun nicht bereit, in der Gesamtberechnung zu berücksichtigen, daß viele Milchbauern mit ihrer Anlieferung unter der Einzelrichtmenge geblieben sind. Viele Bauern haben überhaupt im Laufe des Jahres ihre Lieferungen eingestellt Nach Ansicht des, Bauernbundes wäre es nun nur logisch, diesen „Bonus“ jenen Milchproduzenten anzurechnen, die zuviel geliefert haben. Insgesamt wurden nämlich nur 5000 Tonnen mehr (als in der Gesamtrichtmenge vorgesehen) angeliefert. Um die Staatsfinanzen in der Exportförderung zu entlasten, würde nach Ansicht von ÖVP-Agrarsprecher Josef Riegler ein zusätzlicher Absatzförderungsbeitrag von 11 Groschen (statt 1,17 Schilling) genügen.

Minister Haiden, so Riegler, müßte im Rahmen der Jahresabrechnung diesen Umstand berücksichtigen: „Derzeit erfolgt die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen durch Minister Haiden eindeutig landwirt-schaftsschädigend. Er hat sich über die Marktordnung hinweggesetzt.“

Ein weiterer Streitpunkt ist, in welcher Weise frei werdende Richtmengen (wenn einzelne Bauern die Milchlieferung einstellen) auf die verbleibenden Produzenten aufgeteilt werden. Der Landwirtschaftsminister gesteht jenen, die zuviel geliefert haben, eine Aufstockung von 3,95 Prozent (gemessen an der „Uberlieferung“) zu; der Bauembund sieht jedoch eine Aufstockung von 35 Prozent bei „bauernfreundlicher Anwendung des Marktordnungsgesetzes“ (Riegler) für gerechtfertigt an.

Ein weiteres heißes Eisen ist das Thema „Einheitswerte“. Der landwirtschaftliche Einheitswert gibt die Basis für die Steuern, die Kranken-und Pensionsversicherung, aber auch die Agrarförderung und Buchführung ab. Nachdem die Einheitswerte von 1956 bis 1977 nur um 1,3 Prozent jährlich gestiegen sind, setzt der Landwirtschaftsminister nun zum großen Sprung nach vorne an: Der Hektar-Höchstsatz soll von 24.420 mit 1. Jänner 1980 auf 30.000 Schilling angehoben, nach drei Jahren noch einmal um 5 Prozent erhöht werden. Bei den Weinbauern sollen die Einheitswerte von derzeit 137.500 über 150.000 (1980) auf 157.000 (1983) angehoben werden.

Sogar nach Angaben der Regierungspartei wird das neue Bewertungsgesetz dem Staat zusätzliche 100 MillionenSchil-ling bringen. Landwirtschaftsminister Günter Haiden sieht diese Maß-

nahme als Beitrag zur Verringerung der Einkommensunterschiede in der Landwirtschaft: Die Kleinbetriebe und Bergbauern sollen sogar entlastet, dafür vornehmlich die „Großen“ zur Kasse gebeten werden. Konkrete Vorstellungen gibt es freilich noch nicht, weshalb Josef Riegler beharrt: „Diese unsoziale und ungerechte Behandlung weisen wir mit Entrüstung zurück!“

Schließlich sind die Bauern mit der Situation am Getreidemarkt unzufrieden. Trotz bevorstehender Ernte hat man jetzt noch keine Ahnung, welche Preise es heuer geben wird. Das Landwirtschaftsministerium möchte den Getreidemarkt teilen und in Hinkunft nur für einen Teil des Brotgetreides die Absatzsicherung durch Exportfinanzierung übernehmen, das Futtergetreide aber zur Gänze ausklammern. Riegler: „Man kann den Getreidemarkt nicht teilen. Futter- und Brotgetreide stehen in einem natürlichen Zusammenhang.“

Langfristig wird sich die Lage am Getreidemarkt eher entspannen. Bereits in drei Jahren könnte mit der Beimischung von Äthanol zu den Treibstoffen das ersehnte Ventil für die Getreide-Überproduktion geschaffen sein. Damit könnten mehrere Fliegen auf einen Schlag getroffen werden: Die landwirtschaftliche Produktion hätte eine neue Alternative, Österreich wäre in der Mineralölversorgung weniger vom Ausland abhängig, der Aufforderung der internationalen Energieagentur, alle Länder sollten die Rohölimporte um 5 Prozent senken, könnte entgegengekommen werden.

Agrarsprecher Josef Riegler hofft übrigens, daß jene Menge Äthanol, die den österreichischen Treibstoffen beigemischt werden könnte (man spricht von fünf Prozent), ziemlich genau der derzeitigen Uberproduktion entsprechen könnte. Die Landwirtschaft würde damit auch ein kleiner Standpfeiler des heimischen Wirtschaftsgetriebes werden.

Abgesehen von der derzeit unbefriedigenden Regelung mit der

Mehrwertsteuer-Pauschalierung (die Bauern wollen eine Erhöhung von acht auf neun Prozent), ist der Landwirtschaft auch die Freigabe des Dieselpreises ein gewaltiger Dorn im Auge. In den entlegenen Gebieten müssen jetzt bis zu neun Schilling je Liter Diesel auf den Tisch gelegt werden.

Aber auch hier gibt es einen Silberstreif am Horizont: Mit Rapsöl im Traktorentank könnten die Landwirte zu einem Teil Selbstversorger werden. Auch Minister Haiden meint, dies könnte eine wirtschaftlich interessante Alternative werden, sobald der Dieselpreis auf zehn Schilling klettert; was er möglicherweise bald tun wird...

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