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Der Bergwald schwerkrank

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Die Schutzfunktion des Bergwaldes ist im weitgehend von den Alpen geprägten Österreich von besonderer Bedeutung. Diese Funktion ist in mehrfacher Weise bedroht:

- Trotz aller Warnungen ist der Bergwald weiterhin massiv Immissionen ausgesetzt. Zwar haben insbesondere die kalorischen Kraftwerke enorme Anstrengungen zur Herabsetzung der von ihnen ausgehenden Verschmutzung unternommen, kaum verändert haben sich jedoch die Emissionen des Hausbrandes. Weiterhin steigend ist die vom Verkehr ausgehende Luftverschmutzung: Der Wachsende Fremdenverkehr hat die Verkehrsdichte und damit die Abgase im Alpenraum ebenso erhöht wie der LKW-Gütertransit. Da ist die zögernde Einführung von Katalysatoren kein Gegengewicht.

- Durch erhöhte Sonneneinstrahlung bilden sich infolge von Luftverschmutzung in Höhen ab 9 00 Metern überdurchschnittlich große Mengen von Photooxidantien (siehe Seite 11), deren besonders schädliche Wirkung eindeutig nachgewiesen ist. Sie setzen besonders dem Bergwald zu.

- Auch das Wild gefährdet den Bestand des Waldes. Schuld daran ist die Wintermast in den Bergen. Ohne Fütterung war das Alpen-Rotwild jahrtausendelang gegen Ende des Herbstes entlang der Alpenflüsse in die Auwälder und Tal-

auen gezogen. Jetzt animiert man die Tiere durch Fütterung zum Bleiben und sich am Ort zu ernähren. Die Folgen: Schälschäden beeinträchtigen die Lebensfähigkeit der Bäume, Wildverbiß verhindert die natürliche Verjüngung der Bergwälder und zerstört Farne, Sträucher und Stauden, also die natürlichen Konkurrenten des Grases im Wald. Dieses bietet aber auf Steilhängen die ideale rutschige Unterlage für das Abgehen von Schneebrettern, die wiederum den Wald zerstören.

- Gefahr droht auch von den Rodungen. Meist sind Straßen, Skipisten und Seilbahnen der Anlaß zum Eingriff. Wird für Pisten der Boden planiert, so verringert sich seine Wasserspeicherungsf ähigkeit enorm: Beobachtungen in Tirol zufolge auf etwa ein Zehntel der des angrenzenden Waldes. Vor allem Wolkenbrüche bringen dann Verheerungen: Bei einem Niederschlag von 100 Millimetern pro Stunde etwa kommt es auf einer planierten Skiabfahrt zu einem Abfluß von 40 Prozent. Dadurch wird etwa eine Tonne Erdmaterial pro Hektar abgetragen!

Der Zustand der Bergwälder ist mittlerweile schon recht besorgniserregend: Der Grad ihrer Schädigung ist. nach Bundesländern unterschiedlich, insgesamt aber beachtlich: Am höchsten liegt der Wert im Burgenland mit 60, am niedrigsten in Kärnten mit 22 Prozent.

Besonders dramatisch ist der Zustand des bayerischen Bergwaldes, der zu 80 Prozent aus geschädigten Bäumen besteht.

In „Umweltreport“ berichtet der Forstexperte Herbert Scheiring von einem Experiment, das die Bedeutung des Waldes illustriert: In den Alleghanies (USA) wurde 1940 ein geschlossenes Laubwaldgebiet fünf Jahre lang unbehandelt beobachtet und dann großteils gerodet. Nur 30 Prozent blieben als Wald erhalten. Die Folgen: In den ersten fünf Jahren stieg der Abfluß um 16 Prozent. Fiel Regen, so gelangte das Wasser viel rascher - außerdem deutlich mehr davon - zum Meßwehr. Statt vorher 1,8 wurden 220 Tonnen Sand und Kies ausgewaschen! Waldsterben in den Alpen bedeutet also eine Gefährdung besonderer Art: Der alpine Raum droht unbewohnbar

zu werden, wenn der Abgang von Muren und Lawinen zum Alltagsgeschehen werden sollte. Schon 1985 hatte die Internationale Alpenschutzkommission bei ihrer Tagung in Schliersee folgendes gefordert:

-Geschwindigkeitsbegrenzung von 80/100 km/h,

- Einführung von Katalysatoren,

- Weniger Belastung durch den Tourismus,

- Rückführung der Schadstoffbelastung auf das Niveau der fünfziger Jahre,

- Verlagerung der Verkehrs auf die Schiene...

Wir sind immer noch weit von der Verwirklichung dieser Forderungen entfernt, wie leider auch das verwaschene Arbeitspapier der derzeit tagenden „Internationalen Alpenkonferenz der Umweltminister“ in Berchtesgaden zeigt.

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