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Der blaue Riese

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Die Wahlgänge des letzten halben Jahres haben es gezeigt: die kleine Freiheitliche Partei ist fast bereits zum wichtigsten Faktor in Osterreich geworden, der die Konzeptionen und Uber-legungen der beiden Großparteien SPÖ und ÖVP bestimmt.

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Die Wahlgänge des letzten halben Jahres haben es gezeigt: die kleine Freiheitliche Partei ist fast bereits zum wichtigsten Faktor in Osterreich geworden, der die Konzeptionen und Uber-legungen der beiden Großparteien SPÖ und ÖVP bestimmt.

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Begonnen hat es im Burgenland, wo nach der letzten Landtagswahl ein Mandats Verhältnis 16 SPÖ zu 15 ÖVP zu einem Freiheitlichen entstand. Da der von der SPÖ als stärkster Partei gestellte Landtagspräsident bei Abstimmungen nicht mitstimmen durfte, entstand so die Möglichkeit, daß die Sozialisten keine ihrer Gesetzesvorlagen durchbringen. So bemühte Landeshauptmann Kery via sozialistische Bundesregierung den Verfassungsgerichtshof, der diese Bestimmung aufheben sollte.

Am augenfälligsten war aber die Macht der FPÖ, als es um die Bürgermeister dn Graz und Klagenfurt ging. Durch die Ergebnisse der dortigen Kommunalwahlen war es der ÖVP geradezu unmöglich, keine Absprache mit den Freiheitlichen zu suchen. In beiden Fällen, in Graz wie in Klagenfurt, lag es ganz allein in der Hand der FPÖ, wer in beiden Städten für die nächste Amtsperiode Bürgermeister wird. Da es aber das erklärte Ziel der Volkspartei war, die Wahl eines Sozialisten zum Bürgermeister zu verhindern, mußte sie zur Erlangung der entsprechenden Mehrheiten Vereinbarungen mit der FPÖ treffen.

Nun sprechen prominente Sozialisten bereits vom „Bürgerblock“, der durch ein solches Zusammengehen entstehen kann. Zur selben Zeit allerdings scheute sich der oberösterreichische SPÖ-Landesobmann, der Linzer Bürgermeister Hillinger, nicht, bei einem Abendessen mit Journalisten offen die Einladung an die Freiheitlichen zu einer Zusammenarbeit im Lande auszusprechen. Als Minimalangebot für eine Unterstützung der Sozialisten bot Hillinger den Freiheitlichen einen Sitz in

der Landesregierung an, wobei er die Möglichkeit weiterer „Zuckerln“ offenließ. Inwieweit Hillinger mit diesem Angebot auf offene FPÖ-Ohren stieß, läßt sich nicht eindeutig klären. Fest steht jedenfalls, daß der Landesparteiobmann der ÖVP, Landeshauptmann Wenzl, keine wie immer gearteten Offerte an die Freiheitlichen gemacht hat — und dies, obwohl er es ihnen verdankt, daß er zum Landesvater gewählt wurde. War doch die SPÖ aus der letzten Landtagswahl in Oberösterreich im Jahre 1967 bereits als die stimmenstärkste Partei hervorgegangen.

„Zünglein“ in mehreren Ländern

Läßt man nun die Wahlgänge, die den Österreichern in den nächsten zwei Jahren auf Landesebene bevorstehen, Revue passieren, so ergibt sich auf Grund der derzeitigen politischen Situation folgendes Bild:

• Niederösterreich (Landtagswahlen im Herbst kommenden Jahres): Die Freiheitlichen haben bisher keinen Landtagssitz. Ihr Landesobmann, der Badener Apotheker Dr. Fritz Rotter — le Beau, früher Mitglied des ÖVP-Wirtschaftsbundes, drängt aber vehement auf eine Änderung der Landtagswahlordnung zugunsten der Freiheitlichen. Sowohl ÖVP als auch SPÖ haben schon Pläne in ihren Tischladen, die den Freiheitlichen den Einzug in den Landtag sichern sollen. Der ÖVP-Plan sieht eine Aufstockung der Zahl der Wahlkreise von derzeit vier auf 25 sogenannte Einerwahlkreise vor. Dies würde nach den Berechnungen der Volkspartei der FPÖ die Chance auf 2 Landtagssitze einräumen. Das Mandatsverhältnis würde

dann lauten: 29 ÖVP zu 25 SPÖ zu 2 FPÖ (derzeit: 30 ÖVP zu 26 SPÖ). Die Sozialisten haben eine andere Variante erstellt: Statt bisher vier Wahlkreisen sollen es nur noch zwei sein. Dies würde nach SPÖ-Berech-nungen den Freiheitlichen ebenfalls zwei Mandate, aber beide auf Kosten der Volkspartei, bringen. • Kärnten (Landtagswahl nach regulärem Zeitplan: 1975): Es läßt sich noch nicht absehen, welche Konstellationen sich auf dem Sozialistischen Landesparteitag, der in knapp vier Wochen stattfindet, ergeben. Jedenfalls gibt es auch dort Pläne

für eine Änderung der Landtagswahlordnung. Die FPÖ dürfte auch hier von einer Neuregelung profitieren. Der Plan sieht vor, die Zahl der Landtagssitze von 36 auf 48 zu erhöhen. Dies würde bedeuten, daß für

die Erlangung eines Landtagssitzes weniger Stimmen als bisher erforderlich sind — konkret: statt derzeit rund 7500 Stimmen dann nur noch 6000: Also auf jeden Fall eine Chance für die FPÖ.

• Salzburg (die nächste Landtagswahl findet im kommenden Jahr statt): Derzeit ist die Mandatsverteilung im Landtag 13 ÖVP zu 13 SPÖ zu 6 FPÖ. Der ÖVP-Landeshaupt-mann Dr. Lechner wurde mit Hilfe der Freiheitlichen gewählt. Die in Stadt und Land Salzburg — im Gegensatz zum übrigen Bundesgebiet — unverhältnismäßig starke FPÖ

hat in jedem Falle, also auch, wenn eine der beiden Großparteien gegenüber der jetzigen Kräfteverteilung etwa einen oder zwei Sitze im Landtag einbüßen sollte, die absolute Macht, darüber zu entscheiden, wer der nächste Landeshauptmann wird. • Steiermark (die nächste Landtagswahl findet 1975 statt): Derzeit verfügt die ÖVP über 28 Landtagssitze gegenüber 26 SPÖ und 2 FPÖ. Zusätzlich hat sie durch den Kooperationspakt in Graz die FPÖ an sich gebunden. Es gab aber auch während der Verhandlungen um die Besetzung des Bürgermeisterpostens in Graz sogar die Behauptung, die Volkspartei habe dem FPÖ-Spitzen-mandatar Dr. Götz den Posten des Landtagspräsidenten angeboten, um ihren Kandidaten Hasiba doch noch auf den Bürgermeistersessel der Landeshauptstadt zu bringen.

Nicht zuletzt die Veröffentlichung einer Liste einer schwarz-blauen Bundesregierung durch sozialistische Bundesländerzeitungen zeigt, daß in immer stärkerem Maße Überlegungen angestellt werden, die FPÖ zum Partner einer ÖVP'FPÖ/Koalition zu machen. Aber auch ein SPÖ/FPÖ-Bund wird eifrig kolportiert. Wie man sieht, ist alles drauf und dran, der FPÖ alle Tore aufzustoßen. Der Fluch einer kontinuierlichen Ver-teufelung der „Großen Koalition“ und der letzten Wahlreform wirkt auf jene zurück, die Taktik über Grundsätze stellten.

Bleibt nur noch der ÖGB und der ÖVP-Wirtschaftsbund: Bei den Sozialpartnern wird die Aufwertung der FPÖ am heftigsten kritisiert. Von hier aus könnte auch eine „Gegenbewegung“ entstehen; Motto: „Stoppt Peter und sein Team.“

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