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Der Blick in die Tiefe der Seele

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Spielt das religiöse Buch heute eine Rolle und welche? Zeichnen sich Tendenzen ab? Was verlangen die Leser? Welche Autoren werden bevorzugt, und was sagen die Buchhändler?

Vor kurzem trat in Graz turnusgemäß der „Dreiländerausschuß des katholischen Buchhandels” zusammen, in dem Vertreter der Bundesrepublik, Deutschland, Österreichs und der Schweiz über die gemeinsamen Interessen und Notwendigkeiten berieten. Es lohnt sich, einen Blick auf die Traktandenliste dieser Versammlung von Praktikern zu werfen. Er könnte näher an die Wirklichkeit heranführen als die verwirrenden statistischen Zahlen und gegensätzlichen Behauptungen, die heute über das religiöse Buch kolportiert werden.

Das Literaturgespräch des Buchhandels in Konstanz im April dieses Jahres („Das religiöse Buch — seine Leser, Autoren, Verleger, Buchhändler”) hat deutlich den Grund für die Verwirrung zutage treten lassen: Der eine läßt nur den religiösen Inhalt gelten, der andere begnügt sich mit jedwedem Inhalt, sofern er nur im Rahmen eines gewissen Transzendenzbezuges behandelt wird, der dritte weist darauf hin, daß jede gute Literatur zu den Grundfragen, den letztlich religiösen Fragen führe. Darum sei der pragmatische Ansatz gestattet.

Womit befaßten sich also die Buchhändler und Verleger? Mit der bevorstehenden Frankfurter

Buchmesse, mit Fragen gemeinsamer Werbung und natürlich mit Verbandsinterna.

Was die Frankfurter Buchmesse mit ihrem Schwerpunktthema „Religion von gestern in der Welt von morgen” anlangt, so soll hier nicht darauf eingegangen werden, was vom 6. bis 11. Oktober in der Messestadt geschieht und ob die Formulierung das Problem des religiösen Buches adäquat zum Ausdruck bringt. Beachtung vor allem fordert die Tatsache, daß Religion als Thema vom Börsenverein ausgewählt wurde — und zwar nicht aus irgendwelchen wahltaktischen Motiven, wie das im politischen Leben wohl vorkommen könnte, sondern aufgrund der nüchternen Beobachtung, daß Religion als Buchinhalt nicht nur Bedeutung hat, sondern an Bedeutung gewinnt.

Aus der angelsächsischen Welt wird ein Boom religiöser Literatur gemeldet. Von einem solchen kann man in Europa nicht sprechen, ein Aufwärtstrend jedoch ist allenthalben spürbar. Die Nachfrage nach Büchern zu Lebenshilfe und Meditation, nach

Anleitungen zum Gebet, zur Selbsterkenntnis ist derzeit besonders groß. Der Zeitgenosse sucht Antwort auf die Sinnfrage.

Religion als Orientierung in einer chaotisch erscheinenden Welt ist heute gefragt, man sucht den moralischen Rückhalt für das Familienleben, für die Bewältigung des Streß. Dem Trend folgend haben Taschenbuchverlage und Buchgemeinschaften (Heyne, Donauland), in deren Programm man ein religiöses Buch sonst vergeblich suchte, eigene Sparten für dieses eröffnet.

Die Großkirchen werden freilich registrieren müssen, daß sich dieser Trend nur zum Teil mit ihrer Botschaft und der Antwort ihrer Traditionen trifft. Der steigenden Nachfrage nach sinnvermittelnder Literatur geht ein Absinken in den Absatzzahlen des theologisch-wissenschaftlichen Buches parallel. Das aber brauchte die Messeleitung nicht zu bekümmern; sie hatte richtig erkannt, daß Verlagswesen und Buchhandel, die lesende Öffentlichkeit allgemein, nicht von den Bestsellern allein „leben”, sondern neben anderen auch von religiöser Literatur, deren Stärke — ohne Spitzenabsätze auszuschließen — vor allem im Longseller liegt. Daß religiöse Bücher nur ganz selten von den Medien behandelt werden, liegt in ihrem Charakter begründet: sie bieten keine Sensationen. Aber es gibt ja auch kaum je Reportagen über das tägliche Brot.

Der dritte größere Programmblock der Zusammenkunft befaßte sich mit der Werbung, und er ist aufschlußreich. Die Theologie als solche fehlte unter den Vorschlägen für Themenprospekte. Einer zielte auf ein Verzeichnis aller im Handel befindlichen Titel zu dem Thema „Christen, die sich bewährten” ab, ein anderer wollte die „eiserne Ration” an Büchern zum religiösen Leben zusammenstellen, ein dritter stellte eine „grüne Liste” mit allen Büchern zum Thema Glaube und Ökologie zur Debatte. Gewiß sind derlei Anregungen nicht überzubewerten, aber sie zeigen doch die Richtung des Windes, den die Buchhändler in ihren Sortimenten spüren.

Wie in allen Bereichen des kulturellen Lebens gibt es auch im Religiösen Strömungen, ja Moden. Nach dem Krieg übte die französische Theologie ihren belebenden Einfluß aus. In der Folge erlebten wir eine biblische Welle, die die modernen Erkenntnisse der Bibelwissenschaft vulgarisierte. Mit Fragen der Institution Kirche befaßte sich die das Konzil vorbereitende und begleitende Literatur, ihr folgte ein breites Angebot von Praxisbehelfen, die die Konzilsbeschlüsse in die Alltagswirklichkeit umsetzen halfen.

Schon seit Jahren beherrscht die Meditation — unter Verdrängung der anderen genannten Themen — das Feld. Innerhalb dieser Strömung sind zwei Züge charakteristisch: der zur Persönlichkeit und der nach festem Halt — „Christen, die sich bewährten” und „die eiserne Ration”. Der erstgenannte Zug ist umfassend. Man verlangt nicht so sehr die systematische Darstellung, die Beweisführung rationaler Art, sondern den Zeugen und das Zeugnis. Hinter dem Buch muß der Mensch sichtbar werden, der das lebt, was er schreibt.

Die Kirche wird nicht als Lehrmeisterin angenommen, im Verhältnis Christentum — Öffentlichkeit herrscht sowohl auf wissenschaftlicher wie auf literarischer Ebene weitgehend Schweigen. Wenn aber Einzelpersönlichkeiten ihr Zeugnis ablegen, wenn der Leser das Gefühl vermittelt bekommt, daß hinter dem Buch ein authentisch gelebtes Leben steht, dann sind die Chancen der Annahme für religiöse Inhalte nahezu unbegrenzt.

Der Autor ist Direktor des Verlages Styria in Graz.

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