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Der Bock als Gärtner ..

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Der Kampf gegen das Vorurteil darf nicht eingeschränkt werden! Der erste Augenschein ist meistens falsch, und doch wird er zur Urteilsbildung herangezogen.

Ein Beispiel: Wenn einer den Bock melkt, der andere das Sieb unterhält und der dritte dieser Truppe schon den Käse aus jener Produktion zum Kauf anbietet, wird man leicht den Eindruck haben, an eine Bocksbeutelei geraten zu sein.

Wird der Beobachter noch gewahr, daß zahlreiche Kaufwütige tatsächlich in eine Bocksbeindrechslerei geraten sind, wo die Dummen über den Löffel barbiert und unversehens ins Bockshorn gejagt werden, daß es nur so seine Art hat, und die findigen Ge-

schäftsleute den Modebewußten, den ewigen Suchern nach neuem Gliedmaßenbewußtsein nicht nur steife, bocksbeinige Füße gefertigt, sondern auch Bockslarven geschnitzt, Bocksgesichter geschnitten, Bocksnasen gedreht werden, dann meinen sie recht zu haben: Das Geld wird Naiven aus den Taschen gezogen. Naive müßten eigentlich durch Gesetze geschützt werden.

Und doch müßten solche Luftunternehmungen intensiv gefördert werden. Wird nicht Geld, das im Sparstrumpf vermoderte, erneut der Wirtschaft zugeführt? Ist nicht der Strumpf unter diesem Blickwinkel asozial?

Die Erfolgreichen in einer Bockmelkerei werden sicherlich ebenfalls Opfer anderer noch ge-vif terer Treiber in noch faszinierendere Bockshörner, das heißt, sie geben das Geld wieder aus, und wenn einer kurzfristig mehr bekommt als der andere, was macht das schon? Am Schluß setzt das Schicksal den Hobel an und hobelt's alle gleich.

Warum hat also der Bock so einen schlechten Ruf? Weil es ein Vorurteil ist, weil die Denker in großen Zusammenhängen noch nicht richtig erklärt haben, daß nur eines wirklich hilft: Der Bock muß zum Gärtner gesetzt werden. Nicht jener Bock, der zuläßt, daß andere auf seinen Rücken treten, um ein Pferd, einen Baum oder eine Mauer besteigen zu können, sondern jener, der gleich einem Drachen Geld und Schätze herbeiträgt.

Dazu muß es ein brauchbarer Bock sein, der anständige Hörner hat. Alte Böcke haben steife Hörner, je älter der Bock, desto härter das Horn, das weiß der Volksmund schon längst, also brauchte das Volksohr nur hinzuhören und sich an die überkommene Weisheit zu halten.

Noch ist es nicht soweit, noch feiert das Vorurteil, der Bock stinke, fröhliche Urständ, obwohl unsere Gesellschaft den Wert und die Funktion des Deodorants längst erkannt hat.

Manch einer meint, der Bock ziere unsere Gesellschaft wie eine Mücke den Brei — dies ist schon wieder Teil einer anderen Geschichte und ebenfalls ein Vorurteil.

Brauchbar sind jene, die Böcke machen wie andere Bremsen oder Hummeln abschießen, unbrauchbar sind jene Bockfüßler oder Lustigmacher, also Satyre oder Faune, die trutzig, mutwillig, böse, schnippisch aus Lust und Laune die anderen bloß am Faden halten, ohne daß sich ihr Scherzlein in Bares ummünzen ließe.

Was wir brauchen, ist der gevif-te Bock als Gärtner, der auf seine Art für Ordnung sorgt und der viele Nachfolger findet, auf daß es uns besser gehe auf Erden. Jene Chimärenbringer, die auf Maultieren mit Bocksprüngen herangeritten kommen, um ja dabeizusein, wenn laufend Böcke geschossen werden, um selbst recht artig mitzuschießen, denn der Trend nach Trophäen ist auch bei ihnen nicht zu bremsen, können uns weiterhin gestohlen bleiben.

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