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Der böse Traum

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Für Gesundheitsminister Saldier ist .jeder Drogenfall eine Katastrophe", obgleich ihm die jährlich rund 3000 Alkoholtoten „mehr Sorge" machen als die 34 Suchtgiftopfer Österreichs im Jahr 1979; ÖVP-Gesund-heitssprecher Wiesinger fordert in diesem Zusammenhang eine Streichung der Wochenration für Süchtige, eine intensive Aufklärungskampagne und die Meldepflicht für Lehrer, die in ihren Schulen auf potentielle Drogenkinder stoßen. Und die 23jährige Claudia ist verzweifelt, weil die Versorgungslage in ihrer oberösterreichischen Heimatgemeinde so schlecht ist, daß sie „nicht durchdrücken" kann („Ohne Maulkorb", 13. 2. 1980).

So hat jeder seine Sorgen - darüber hinaus aber kein probates Mittel, um jener Seuche auch nur einigermaßen Herr zu werden, die mittlerweile an die 10.000 Österreicher erfaßt haben dürfte: Die „Flucht in den Traum", die zum Alptraum und immer häufiger zum letzten, „goldenen" Schuß führt, droht nahezu allen Beteiligten aus dem Gesichtsfeld des Uberblik-kenkönnens zu entgleiten.

Fast allen: Denn Dealer räumen kräftig ab. Kostet beispielsweise den Importeur ein Kilogramm reines Heroin (Haschisch als „Einstiegsdroge" ist längst nicht mehr „modern") derzeit rund 180.000 Schilling, so erhöht sich diese Summe über Großhändler (540.000 Schilling), Zwischenhändler (3,5 Millionen Schilling) und Straßendealer C7 Millionen Schilling) bis zum Endabnehmer auf sagenhafte zehn Millionen Schilling. Kein Wunder, daß Claudia innerhalb von sechs Jahren runde 1,5 Millionen Schilling „verschossen" hat.

Kein Wunder aber auch, daß der runde Tausender pro Tag erst einmal dem Süchtigen gehören muß: Diebstähle, Einbrüche, Raubüberfälle, Prostitution - die Jugend- und Jungerwachsenenkriminalität wird angesichts dieser Preise in den kommenden Monaten und Jahren fast zwangsläufig steigen müssen, zugleich aber werden immer öfter Bekannte oder Verwandte „aus Mitleid" zu Mittätern und Unterstützern, zu Kleinlieferanten.

Was die Machtlosigkeit der Mächtigen nur unterstreicht: Die UN-Rauschgiftkonferenz, die vor einem Monat in Wien abgehalten wurde, konnte sich da ebenso nur als „internationales Drogensalzamt" und „wenig effizienter Debattierklub" (Die Presse") entpuppen wie der österreichische Bundesjugendring, der auf eine „ideelle und materielle Unterstützung der Arbeit der Jugendleiter und Jugendfunktionäre" pocht und alle Verantwortlichen auffordert, in den Bundesländern Drogenstationen nach Kalksburger Muster zu errich-, ten, wo neben Entziehungskuren herkömmlicher Art vor allem großes Augenmerk auf eine gut einjährige intensive Nachbehandlung gelegt wird. Allein: Die Taten sollen wieder andere setzen.

So bleibt's denn vorderhand beim ideologischen Hickhack: Dem „Vorbeugen und Aufklären ist besser als Heilen" der einen stehen Hinweise der anderen gegenüber, wonach in den USA mit Fortdauer der Aufklärungskampagnen die Rate der Drogenabhängigen sukzessive gestiegen sei; Resultat beider Bemühungen freilich bleibt bislang die Tatsache, daß Woche für Woche ein paar Dut-zend junger Menschen mehr zu jenem Stoff greifen, aus dem die bösen Träume sind.

Und just dieses Resultat gibt -nicht zuletzt angesichts eines jährlichen weltweiten Handels mit Rauschgift im Wert von mindestens 130 Milliarden Schilling - zu denken: Dehn mit dem Trockenlegen einer Überschwemmung zu beginnen, wenn der Wasserzufluß noch nicht gestoppt ist, muß wohl ein erfolgloses danaidisches Unterfangen bleiben, wie es Ministerialrat Erben als Chef der Suchtgiftzentralstelle ausdrückt.

Das wären doch zwei konkrete Ansatzpunkte: Verstärkte Bekämpfung der Nachschublieferungen aus der Türkei, dem Fernen Osten, aus Afrika oder Mexiko auf der einen Seite (Zur Verdeutlichung: Bekämpfen kann man nur, was abgelehnt wird), stärkere Auseinandersetzung und Personalisierung des Suchtgiftproblems auf der a'nderen.

Letzteres freilich verlangt konkretes Umdenken, verlangt eine Abkehr vom System des „Meidens Aussätziger und anderer Außenseiter", macht eine Hinwendung zu den eigentlichen Ursachen des Drogenkonsums notwendig, die hinter dem vordergründigen „Probieren" oder „in"-Sein stehen.

Andernfalls stehen uns „Tagträume" ins Haus, die mit der romantischen gleichnamigen Vormittagsmusiksendung auf ö 3 nicht das geringste zu tun haben.

„Longo mai", eine Bewegung, die demnächst in der FURCHE ausführlich vorgestellt wird, veranstaltet vom 20. bis zum 22. März in Wien 7, Spittelberggasse 7, einen Markt zum Aufbau einer Wollverarbeitungsge-nossenschaft in Südkärnten. Nähere Auskünfte darüber unter der Wiener Telefonnummer 93 21 89.

Philipp Hartig heißt der neue Vorsitzende der Jungen Europäischen Studenteninitiative (JES), die kürzlich ein Ferialjobkonzept vorlegte, einen Alternatiworschlag zum noch immer nicht beschlossenen Budget der österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) ankündigte und heftige Kritik am ÖH-Vorsitzenden Fritz Lennkh übte.

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