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Der Buchhandel schreitet in die 80er Jahre

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Die Verbundenheit des Buchhandels aller deutschsprachigen Länder bedingt sowohl im Hinblick auf die Marktsituation (Produktion der Verlage und Lesegewohnheiten der Konsumenten als auch in bezug auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten über die Landesgrenzen hinweg sehr ähnliche Verhältnisse und Entwicklungen. Graduelle Unterschiede werden von der Kleinheit Österreichs gegenüber der Bundesrepublik Deutschland bzw. von der unterschiedlichen historischen Entwicklung Österreichs und der deutschsprachigen Schweiz bestimmt.

Es war immer selbstverständlich, daß in Deutschland mehr und größere Verlage existierten, weil eben der größere Markt auch bessere Absatzmöglichkeiten bietet. Die traditionelle Eigenständigkeit der Schweiz hat auch eine gewisse geistige Autarkie entwickelt, so daß der Buchhandel bei weitem nicht so stark von Deutschland abhängig ist wie das österreichische Buch.

Viele österreichischen Verlage besitzen eben nicht nur lokale Bedeutung, sondern spielen eine sehr wichtige Rolle auch am deutschen Markt. Die Präsenz Österreichs auf der heurigen Frankfurter Buchmesse hat dies wieder einmal bewiesen. Die Behauptung kann auch jederzeit durch einen Besuch deutscher Buchhandlungen bestätigt werden. Die zum Teil sogar führende Rolle unserer jüngeren Autoren in der gesamten deutschsprachigen Literatur spiegelt sich sowohl in der Produktion der großen deutschen Verlage als auch in der Literaturkritik und im Verkauf an das lesende Publikum.

Es soll auch nicht die Förderung verschwiegen werden, die staatliche Stellen Österreichs nicht nur den Autoren in'Form von Preisen Und Stipendien zukommen läßt, sondern auch der Produktion selbst, nämlich dort, wo wichtige Werke wegen der enormen Herstellungskosten und der besonders großen Verkaufsrisiken überhaupt nicht verlegt werden könnten.

Der österreichische Buchhandel wurde in den sechziger Jahren mit steigenden Betriebsgewinnen verwöhnt. Man hat wenig, zu wenig nach dem Warum und Wieso gefragt. Warnungen vor dem Einfluß des Fernsehens, vor dem Entstehen von Verkaufsstellen außerhalb des bislang konzessionierten Buchhandels, vor der preisvergleichenden Konkurrenz durch billigen Abverkauf von Büchern mit aufgehobenem Ladenpreis im sogenannten Modernen Antiquariat - eine Folge der Überproduktion der Verlage -, von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere der rasant steigenden Unkosten - solche Warnungen wurden gerne überhört, manchmal wurden sie sogar belächelt.

Unversehens aber begann sich die Erfolgskurve auch im Buchhandel zu neigen. Von Jahr zu Jahr wiesen die Bilanzen kleinere Betriebsgewinne aus, die kaum mehr für die notwen-

digsten Investitionen reichten. Die bescheidenen Umsatzsteigerungen blieben hinter der Explosion der Betriebskosten weit zurück. Viele Firmen reagierten, manche vielleicht zu spät. Rationalisieren hieß die Devise und so heißt sie noch. Wirksame Maßnahmen erfordern aber wieder hohe Investitionen, die nur durch Verbrauch von eventuell vorhandenen Rücklagen oder durch Aufnahme von teuren Krediten ermöglicht werden können.

Manche der betroffenen Firmen erkannten, daß endlich das Gewicht von den kulturellen Aufgaben des Buchhändlers weg und mehr auf die kaufmännischen Erfordernisse gelegt werden müsse. Man ertrug die Lese- und Kaufgewohnheiten der Kunden, man versuchte neue Kunden dem Buch zuzuführen und entdeckte dabei, daß das Warenhausan-. gebot und andere Billigangebote, daß der Taschenbuchverkauf außerhalb des Buchhandels beängstigend zugenommen hatten. Man stand und steht plötzlich einer Konkurrenz gegenüber, die man lange Zeit nicht genug ernst genommen hatte.

Meinungsforschungsinstitute behaupten immer wieder, daß in Österreich besonders wenig gelesen wird. Wenn auch der Buchhändler, wie jeder Kaufmann, gerne mehr Kunden hätte, so muß er doch zugeben: so schlecht ist es um die Lesegewohnheiten des Österreichers nicht bestellt. Wir fliehen nicht nur vor der Größe, sondern wir machen uns auch gerne viel kleiner als wir wirklich sind. Wir lesen wahrscheinlich so wenig oder so viel wie andere Mitteleuropäer auch. „Mit Zahlen läßt sich trefflich streiten.“ Und gerade deshalb sollte man nicht jedem Ergebnis einer Meinungsumfrage bedingungslos Glauben schenken. Es kann sogar eine steigende Tendenz beobachtet werden: Allein der Besuch der österreichischen Buchwoche in Wien ist von Jahr zu Jahr gestiegen und hat auch heuer wieder eine Rekordhöhe erreicht. Die Ausstellungen in den Bundesländern bestätigen diese Tendenz. Das ist natürlich kein Beweis für das verbesserte Lesebedürfnis des Österreichers, aber doch ein Indiz.

Die wirtschaftlichen Sorgen des Verlagsbuchhandels liegen auf verschiedenen Ebenen. Konnte er zum Beispiel die Probleme, die durch die Erfindung und Einführung des Lichtsatzes entstanden, ohne Belastung der Bücherpreise bewältigen, so bleibt die Frage doch bestehen, wie man die Verkaufspreise noch marktgerecht kalkulieren könne, trotz der immer größer werdenden Herstellungskosten.

Die Zukunftssorgen des Sortimentbuchhandels sind andere. Hauptproblem bleibt die Erhaltung des festen Ladenpreises, der nach wie vor von mancher Seite in Frage gestellt wird und als eine Art Quargelsturz für den Buchhändler zur Absicherung seiner „hohen“ Verdienstspannen angesehen wird. Es muß

einmal deutlich gesagt werden: Der feste Ladenpreis dient in erster Linie dem Konsumenten, dann dem Autor und schließlich dem Verlag, insgesamt aber der Absicherung eines breiten und liberalen Angebots und damit der Erfüllung kulturpolitischer Aufgaben. Dies zu beweisen, bedarf es keiner langen Erklärungen, sondern nur der logischen Überlegung des Lesers selbst. Das reich sortierte Warenangebot und der kostenlose Kundendienst des Buchhändlers (Information, Beratung, Besorgung) würden bei Abschaffung des festen Ladenpreises der Preiskonkurrenz zum Opfer fallen und das besondere Buch verteuern. Kein Buchhändler könnte mehr das Engagement für einen jungen Autor oder ein neues, noch unbekanntes Werk riskieren. Nur die gesicherte Verdienstspanne beim schnell verkäuflichen Bestseller erlaubt dem Buchhändler, schwer Verkäufliches oder Neues auf Lager zu nehmen und für die Verbreitung auch dieser Werke zu sorgen.

Gewisse Kräfte verunsichern den festen Ladenpreis und versuchen, den Buchhandel in Mißkredit zu bringen, indem sie billige Restposten anbieten und mit dem Preisvergleich operieren. Hoffentlich läßt sich der Kunde nicht so lange täuschen, bis es zu spät ist. Übrigens auch zu spät für die neuen sogenannten „Buch-Diskont-Läden“ oder wie immer sie sich nennen, die ja nur auf Kosten des regulären Buchhandels existieren können. Unverständlich, daß die Verlage diese Totengräber des liberalen Buchhandels so üppig mit Ware füttern. Wir leben zwar in einer Weg-werfgesellschaft, aber muß unbedingt das Buch diskriminiert und der gleichen Kurzlebigkeit unterworfen werden wie ein Artikel, der nur unserer Bequemlichkeit dient?

Trotz aller Sorgen und Probleme: der Buchhandel hat recht gute Chancen, sich im Wettbewerb um den Leser zu behaupten. Eine Buchhandlung muß sich nur als das profilieren, was sie wirklich ist: nämlich als ein Fachgeschäft mit einer besonderen Ware und einem besonderen Kundendienst. Ihr bestes Argument muß bleiben: Bei uns gibt es alles, und was nicht vorrätig ist, wird besorgt. Selbstbedienung ist gut, aber es gibt viele Kunden, die bedient, das heißt, auch beraten werden wollen, es sind vor allem die Buchhandelsungewohnten. Wenn der Buchhandel auf diese Funktionen nicht vergißt und sich als Fachhandel profiliert, wird er gegenüber den Warenhäusern und den Billig-Buchläden im Vorteil sein. Denn es ist unzutreffend, daß man im Buchhandel im Vergleich zu anderen Beschaffungsmöglichkeiten teurer kauft Das stimmt auf keinen Fall in Relation zum großen Buchangebot, zur Möglichkeit der Buchbesorgung und zur Informations- und Beratungsmöglichkeit in einer Buchhandlung. Der Buchhandel wird überleben und seine Aufgaben als Vermittler von Kultur und Information auch in Zukunft erfüllen.

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