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Der Bund blieb um eine Milliarde hinter seinem Soll zurück

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Der Bund hätte in den letzten fünf Jahren um fast eine Milliarde mehr für die Forschung ausgeben müssen, um jene Zielvorstellungen zu erreichen, die 1972 in der „Österreichischen Forschungskonzeption“ angepeilt worden waren. Damals setzte man eine Steigerungsrate von etwa 20 Prozent als Soll ein. Sie ist nie erreicht worden. Die Inflation verzehrte einen Teil der absoluten Steigerungen. Wenn man noch einrechnet, daß die Kosten im wissenschaftlich-technischen Bereich noch wesentlich stärker gestiegen sind, als der Index der Verbraucherpreise, und heute zweieinhalbmal so viel aufgewandt werden muß als 1969, um nur den damaligen Stand zu erreichen -, dann wird klar, daß das Wissenschaftsministerium heute nicht mehr ausgibt als am Beginn seiner Tätigkeit.

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Der Bund hätte in den letzten fünf Jahren um fast eine Milliarde mehr für die Forschung ausgeben müssen, um jene Zielvorstellungen zu erreichen, die 1972 in der „Österreichischen Forschungskonzeption“ angepeilt worden waren. Damals setzte man eine Steigerungsrate von etwa 20 Prozent als Soll ein. Sie ist nie erreicht worden. Die Inflation verzehrte einen Teil der absoluten Steigerungen. Wenn man noch einrechnet, daß die Kosten im wissenschaftlich-technischen Bereich noch wesentlich stärker gestiegen sind, als der Index der Verbraucherpreise, und heute zweieinhalbmal so viel aufgewandt werden muß als 1969, um nur den damaligen Stand zu erreichen -, dann wird klar, daß das Wissenschaftsministerium heute nicht mehr ausgibt als am Beginn seiner Tätigkeit.

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Diese Kalkulation legt der Wissenschaftssprecher der ÖVP, Erhard Busek, in einer Untersuchung über Alternativen in der Forschungspolitik vor, mit der die Opposition ihre Vorstellungen zur Diskussion um ein Forschungsorganisationsgesetz vorlegt. Gerade von einem Kleinstaat verlangt die Wirtschaftssituation höchste Leistungen, heißt es dort. Forschung wird daher zur wichtigsten Investition zur Sicherung der Zukunft.

In Österreich werden heute - nach Berechnungen des „Forschungsberichtes“ - 1,18 Prozent des Sozialproduktes für die Forschung aufgewandt, davon etwa die Hälfte vom Bund. In der Schweiz (die allerdings keinen Krieg verloren und keinen Sozialstaat aufgebaut hat) sind es 2,5 Prozent. Die Grundlagenforschung wird vorwiegend an den Universitäten betrieben- deren Finanz- und Personalbedarf wird aber ausschließlich nach den Erfordernissen der Lehre bestimmt. Je mehr Studenten in die Universitäten strömen, desto weniger Zeit bleibt dem akademischen Lehrer für die Forschung. Immer mehr Verwaltung, die von Professoren und Assistenten statt von Verwaltungskräften erledigt werden muß, zu wenig technisches Personal, unzureichende Grundausstattung, gleichbleibende Sachauf- wände bei gestiegenen Personalkosten - alles das drückt auf die Forschung.

Die Folgen sind in drei Richtungen bemerkbar:

• Immer mehr Studenten werden immer weniger mit den Fragestellungen wissenschaftlicher Forschungsarbeit konfrontiert.

• Für die Assistenten gibt es weniger Möglichkeiten, wissenschaftlich zu arbeiten; gleichzeitig verschlechtern sich ihre Berufsaussichten.

• Die direkten Forschungsmöglichkeiten werden weniger; die Beziehungen zwischen theoretischer Ausbildung und beruflicher Praxis nehmen ab.

Um diesen Fehlentwicklungen entgegenzutreten, legt Busek ein Paket von 44 Verbesserungsvorschlägen vor. Ihnen sind vier Thesen vorausgestellt: u.

• Die Position Österreichs als neutraler Kleinstaat zwischen den Machtblöcken bringt Chancen, verlangt aber auch Einsatz.

• Österreich als Kleinstaat hat nur begrenzte personelle und finanzielle Möglichkeiten, die optimal genützt werden müssen.

• Österreich muß eigene Schwerpunktprogramme für die Forschung entwickeln und die gegebenen Möglichkeiten forciert nützen.

• Bei der starken mittelständischen Struktur der österreichischen Wirtschaft werden Chancen für die anwendungsorientierte Forschung in der Entwicklung hochspezialisierter Technologien liegen.

Der Forderungskatalog geht zunächst vom Forscher aus: sein Freiraum für wissenschaftliche Arbeit muß gesichert sein. Die Forschungspolitik hat die Freiheit der Wissenschaft zu sichern, in und außerhalb der Universitäten. Die Teilnahme an der Gestaltung der Forschungsorganisation ist allen Forschern zu ermöglichen.

Der Zugang zu Forschungsprojekten und -mittein sollte allen Wissenschaftern offenstehen, auch jenen, die in Forschungsanstalten des Bundes, in Museen, Instituten der Akademien und ähnlichen Anstalten arbeiten. Dazu wären Habilitationsstipendien, Forschungssemester im In- und Ausland bei fortlaufenden Bezügen und. die Teilnahme an Kongressen durch Deckung der Reisekosten sicherzustellen. Forschungseinrichtungen der öffentlichen Hand sollten, nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten, auch anderen Forschern (gegen Entgelt) zur Verfügung stehen.

Forschüngsaufträge der staatlichen Verwaltung sollen ausgeschrieben werden, die Einreichungen dann nach den Kriterien des Forschungsfonds begutachtet und die Ergebnisse veröffentlicht werden.

Um die Mobilität der Wissenschafter zu fördern, wäre ihnen die Möglichkeit zu geben, ohne Einkommensverlust zwischen Universität, staatlichen und privaten Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft zu wechseln. Auch für Assistenten wäre eine Ausbildungsperiode außerhalb der Universität einzuplanen. Für sie müßten außerdem bessere Ubergangsregelungen für den Eintritt in den Bundesoder Landesdienst vorgesehen werden.

Forschungsinstitute sind heute meist Unternehmungen in der Größenordnung von Industriebetrieben -

sie verlangen auch ein entsprechendes Management. Hierzu sollten Wissenschafter in Führungspositionen auch entsprechend ausgebildet werden. Parallel dazu bedarf es dienst- und besoldungsrechtlicher Regelungen für die leitenden Positionen in Forschungseinrichtungen. Für die Spitzenpositionen sollte eine eigene Forschungsprofessur geschaffen werden.

Die Forschungsförderung müßte auch vor allen Finanz- und Sparprogrammen Vorrang haben. Schwerpunktprogramme, Forschungsprogramme für unterentwickelte Wissenschaftsbereiche, Sonderbereiche nach den Prioritätsprogrammen der Rektorenkonferenz sollten das Rüstzeug für die Finanzierung bieten.

Um universitäre und außeruniversitäre Forschung aufeinander abzustimmen, sollten Kontaktstellen an den Universitäten die Verbindung zur Wirtschaft herstellen, Angebot und Nachfrage feststellen. ‘

Eine konzeptive Forschungspolitik setzt voraus, daß die Finanzierung der Forschung wenigstens mittelfristig abgesichert ist und Klarheit über die Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen wird. Deswegen müßten für alle staatlichen Forschungseinrichtungen und die Fonds Finanzierungspläne vom Bund verbindlich erstellt werden. Schließlich fordert das Papier zur bundesweiten Koordinierung der Forschungsaktivitäten, zur Beratung der Bundesregierung und zur Ausarbeitung von Empfehlungen für Prioritäten - „nationale Forschungsprogramme“ einen Wissenschafts rat nach den Vorschlägen der Rektorenkonferenz und des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Darin sollen neben Wissenschaftern auch Vertreter der Sozialpartner-und des Staates sitzen. Genau diese Funktion hätte der Akademische Rat in der neuen Zusammensetzung nach dem UOG.

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